Süddeutsche Zeitung

IT-Sicherheit:Facebook-Nutzer sollen Nacktbilder hochladen, um sich vor Rachepornografie zu schützen

  • Facebook testet ein neues Verfahren, um Nutzer vor Rachepornografie zu schützen.
  • Wer fürchtet, dass intime Fotos veröffentlicht werden könnten, soll sich die Aufnahmen selbst per Facebook-Messenger schicken.
  • Wenn Dritte versuchen, das gleiche Bild erneut hochzuladen, blockiert Facebook die Veröffentlichung und sperrt den Account.
  • Das Pilotprojekt läuft aktuell in Australien, weitere Länder sollen folgen.

Von Simon Hurtz

Eine Jugendliche trennt sich von ihrem Freund. Der ist wütend und droht, intime Fotos im Netz zu veröffentlichen, um sich zu rächen. Die letzte Idee, auf die das betroffene Mädchen in diesem fiktiven Fall wohl kommen würde: die Nacktbilder selbst bei Facebook hochladen.

Genau dazu fordert Facebook Nutzerinnen und Nutzer in Australien gerade auf. Wenn sie fürchten, dass andere Nacktfotos von ihnen veröffentlichen könnten, sollen sie die fraglichen Bilder im Facebook-Messenger an sich selbst schicken. Dann, so verspricht Facebook, könne das Netzwerk sie effektiv vor Rachepornografie schützen.

Das entsprechende Pilotprojekt läuft in Australien seit Anfang Oktober. Was im ersten Moment befremdlich klinge, ergebe durchaus Sinn, sagt Julie Inman Grant, die das Programm als Beauftragte für digitale Sicherheit auf Seite der australischen Behörden betreut. "Das Verfahren erschwert es potenziellen Tätern, die intimen Aufnahmen mit anderen zu teilen. Opfer erhalten so eine neue Möglichkeit, sich vor Missbrauch zu schützen."

Die Bilder bleiben nur kurze Zeit gespeichert

Im ersten Schritt füllen Betroffene ein Formular auf der Webseite der E-Sicherheits-Behörde aus. Anschließend laden sie die Fotos, deren Veröffentlichung sie fürchten, im Facebook-Messenger hoch. Der Upload erfolgt verschlüsselt, um die Gefahr potenzieller Hackerangriffe zu minimieren. "Sie können es mit einer E-Mail vergleichen, die Sie an sich selbst schicken", sagt Grant. "Nur, dass es viel sicherer ist und Dritte keinen Zugriff auf das Foto erhalten können."

Die Behörde informiert Facebook über den Fall, woraufhin geschulte Mitarbeiter des Unternehmens die Aufnahmen prüfen. Algorithmen errechnen dann aus dem Bild einen Hash-Wert, eine Art digitalen Fingerabdruck. Für jedes Foto erhält man so eine einzigartige Kombination aus Zahlen und Buchstaben, die keinen Rückschluss auf das ursprüngliche Bild zulässt. Die Aufnahme selbst wird verpixelt und für kurze Zeit gespeichert, bevor Facebook sie von seinen Servern löscht.

Versucht nun ein anderer Nutzer das gleiche Bild im Messenger zu teilen, auf Facebook hochzuladen oder bei Instagram zu veröffentlichen, schlagen die Algorithmen zu. Sie erkennen, dass der Hash-Wert des neuen Bildes mit dem des bereits gespeicherten übereinstimmt, blockieren den Upload und schlagen intern Alarm. Der Fall wird dann manuell geprüft und der Nutzer gesperrt, falls sich herausstellt, dass es sich tatsächlich um versuchte Rachepornografie gehandelt hat. Die Technik ähnelt Microsofts PhotoDNA, einer Technik, die mittels digitalen Fingerabdrucks kinderpornografisches Material auf Plattformen wie Google und Facebook identifiziert und die Verbreitung verhindert.

Australische Behörden sind zuversichtlich

Da das Pilotprojekt in Australien erst seit einigen Tagen läuft, habe die zuständige Behörde noch nicht genügend Erfahrungen gesammelt, um ein erstes Fazit zu ziehen, sagt E-Sicherheits-Beauftragte Grant. Sie hält das Verfahren für vielversprechend und hofft, dass Nutzer nicht davor zurückschrecken, selbst solche intimen Fotos hochzuladen. Es diene ihrer eigenen Sicherheit.

Etwas skeptischer ist IT-Sicherheitsforscherin Lesley Carhart. "Sie speichern zwar keine Kopie, dennoch muss das Bild übertragen und verarbeitet werden", sagte sie dem Tech-Portal Motherboard. "Ich bin Expertin für digitale Forensik und ich stelle jeden Tag gelöschte Fotos wieder her. Es ist nicht so einfach, alle Spuren der Dateien restlos zu entfernen."

Facebook betont, dass die Aufnahmen nur von wenigen spezialisierten Mitarbeitern gesichtet würden. Die Bilder blieben nur für sehr begrenzte Zeit verfügbar. Man wisse genau, wie sensibel das Thema sei und habe eng mit NGOs und Behörden zusammengearbeitet, um das Verfahren zu optimieren.

Das Verfahren könnte auch in Deutschland zum Einsatz kommen

Zwar genießt Facebook nicht den besten Ruf, was Datenschutz angeht. Der Konzern sammelt Unmengen an Nutzerdaten und verdient Milliarden mit personalisierter Werbung. Das sollte man aber nicht mit schlechter IT-Sicherheit verwechseln. Im Gegensatz zu Yahoo oder Linkedin sind keine größeren Leaks aus Facebooks Datenschätzen bekannt. Das Unternehmen beschäftigt einige der fähigsten Sicherheitsforscher der Welt und ist bislang von schwerwiegenden Hackerangriffen verschont geblieben.

Das gilt insbesondere für den Messenger, über den Nutzer seit Herbst letzten Jahres auch verschlüsselt chatten können. Dabei kommt dasselbe Protokoll wie bei Whatsapp und dem Krypto-Messenger Signal zum Einsatz, die Technologie gilt als sehr sicher. Natürlich müssen Nutzer Facebook dennoch eine Menge Vertrauen entgegenbringen, wenn sie Nacktbilder von sich selbst hochladen. Dort sind sie aber immerhin besser aufgehoben als an den meisten anderen Orten im Netz.

Facebook will das Verfahren bald in drei weiteren Ländern testen. Theoretisch sei auch der Einsatz in Deutschland möglich, sagt eine Sprecherin. Hier sei die Vorbereitung aber noch nicht so weit. Wenn die Pilotprojekte erfolgreich verlaufen, könne die Technik auch auf weiteren Plattformen eingesetzt werden, die nicht zu Facebook gehören.

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