IT-Messe in Hannover beginnt:Die große Cebit-Lüge

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Treffen der arroganten Anzugträger: Die Cebit verkauft der Fachwelt Innovationen, die für Laien längst Alltag sind. Das ist absurd und zeigt die Ideenlosigkeit einer Branche, die lieber Geschäftsleuten als ihren Kunden zuhört.

Varinia Bernau

Welch ein Trugschluss! Sie hatten geglaubt, es würde reichen, nur die Anzugträger einzuladen, dass es genug wäre, Visitenkarten auszutauschen und Verträge auszuhandeln.

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Alles, was Spaß machte, sollte von der Hightech-Messe Cebit ausgeschlossen bleiben. Diejenigen, die nur an den Stand kommen, um irgendetwas auszuprobieren, es dann aber doch nicht zu kaufen, die wollten die Messemacher nicht dabei haben.

Das war ein Fehler: In den Zeiten der Krise war ein Messeauftritt viel zu aufwendig, um nur Visitenkarten auszutauschen. Verträge wollte sowieso keiner mehr aushandeln. Die Entscheidungsträger blieben deshalb weg.

Um ein gutes Viertel brach die Zahl der Aussteller auf der Computermesse Cebit im Jahr 2009 ein. An diesem Montag wird die Cebit 2011 eröffnet. Zum 25-jährigen Jubiläum soll alles besser werden: Die Messe soll ausdrücklich auch Spaß machen.

Neben dem Bereich fürs Fachpublikum gibt es vier Hallen, in denen Spielekonsolen und elektronische Musikinstrumente, Taschencomputer und Lesegeräte für digitale Bücher zu sehen sind. Damit buhlt die Cebit erstmals auch um den Privatbesucher.

Branchenmesse ohne Dynamik

Immerhin ein Drittel trägt der private Konsum hierzulande zum Umsatz der Branche bei. Doch viel entscheidender ist: Mit einem iPhone in der Hand werden selbst gestandene Geschäftsmänner wieder zu Kindern, die sich für Spielereien begeistern können. Technik soll nicht mehr nur im Büro funktionieren, sie soll auch den Alltag angenehmer machen.

In unserer vernetzten Gesellschaft wollen die Menschen nicht mehr warten, bis ihnen etwas Neues vorsetzt wird. Sie wollen sich einbringen. In kaum einer anderen Branche zeigt sich dies so deutlich wie in der digitalen Wirtschaft. Und doch haben ausgerechnet die Macher der weltweit größten Branchenmesse diese Dynamik verkannt.

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Messestand der Cebit 2011: Kommt der Wandel der Cebit zu spät? (Foto: Peter Steffen/dpa)

Erst jetzt entdeckt die Cebit dieses sogenannte Cloud Computing. Sie will der Fachwelt damit etwas als Innovation verkaufen, was für den Laien längst Alltag ist. Das ist absurd und zeigt, wie ideenlos eine Branche werden kann, die unter sich bleibt, die immer nur dem Geschäftsmann zuhört.

Nun hat der neue Cebit-Chef Frank Pörschmann versprochen, Technologie erlebbar zu machen. Aber er kann doch nichts zeigen, was es nicht anderswo schon zu sehen gab. Um zu begeistern, muss man Neues bieten, nicht nur Nachgemachtes.

Die Großen der Branche aber haben ihre Produkte schon auf anderen Messen präsentiert, im Januar in Las Vegas, vor zwei Wochen in Barcelona. Warum sollten sie noch nach Hannover kommen?

Nur keinen Spaß haben

So weckt das neue Bekenntnis für den Verbraucher eher Erinnerungen an einen ähnlich halbherzigen Versuch namens Cebit Home, mit dem die Messe Ende der neunziger Jahre schon einmal scheiterte.

Auf dem Spiel steht dabei mehr als die Zukunft der Cebit. Es geht um die Frage, ob Deutschland noch ein Impulsgeber für die digitale Welt sein kann. Eine Messe, die - wie die Cebit lange Zeit - keinen Spaß machen soll, ist wie ein Museum, in dem man nichts anfassen darf.

Oft klagt die Branche über fehlenden Nachwuchs, aber selten nimmt sie junge Menschen, ihre Träume, aber auch ihre Bedürfnisse ernst. Neidisch schielen die Unternehmer auf die Eliteunis und Jungfirmen in Amerika. Wer aber einen Teenager an seinem Messestand nicht haben will, der darf die fehlende Innovationskultur hierzulande nicht beklagen.

Ausgerechnet die Branche, die mit ihren Musikspielern und Plaudertreffs im Internet den Alltag der Jugendlichen durchdringt, schafft es nicht, den Nachwuchs für Technologie zu begeistern. Der Wandel der Cebit kommt spät. Vielleicht zu spät.

© SZ vom 28.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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