Süddeutsche Zeitung

IT-Konzerne in Fernost:Chinesen googeln anders

Da kann Mark Zuckerberg noch so viel Mandarin lernen: Facebook, Google & Co. scheitern in China. Auch weil Chinesen Wimmelbild-Webseiten bevorzugen.

Kommentar von Christoph Giesen

Nun also Uber. Der Fahrvermittler zieht sich aus China zurück. Bis zuletzt hatte das gehypte Start-up versucht, sich zu halten, und in einem Preiskampf die gewaltige Summe von einer Milliarde Dollar im Jahr verloren. 40 Millionen Fahrten pro Woche vermittelte Uber zuletzt in der Volksrepublik - doch der chinesische Wettbewerber Didi Chuxing organisierte vier Mal so viele Touren; ein nahezu uneinholbarer Vorsprung. Die Konsequenz: Uber beteiligt sich an Didi und wird zum Juniorpartner. Wieder einmal ist ein Internetunternehmen in China gescheitert.

Die Liste der Digital-Versager ist beachtlich: Statt zu twittern, teilen sich die Chinesen bei Weibo mit. Statt per Whatsapp kommunizieren sie mit Wechat. Statt bei Ebay kaufen sie bei Taobao. Und statt zu googlen, sucht man in China mit Baidu.

Wo Zuckerberg bettelt

Mit knapp 700 Millionen Internetnutzern ist der chinesische Markt inzwischen mit Abstand der größte der Welt. Wer China knackt, der verdient Milliarden, das wissen die amerikanischen Internetkonzerne natürlich. Zum Beispiel im E-Commerce: Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten ist die Volksrepublik eine Servicewüste, auch gibt es keine vorstadtgroßen Shoppingmalls. Das sind perfekte Bedingungen für Internethändler. Das Gleiche gilt auch für Ubers Vision der selbstfahrenden Autos, die man nicht mehr besitzt, sondern einfach bei Bedarf ein- und wieder aussteigt. Die Durchdringung an privaten Autos ist in China noch nicht so stark fortgeschritten wie in Europa oder den USA. Doch davon wird Uber nicht mehr profitieren.

Andere aus dem Silicon Valley hoffen noch und betteln regelrecht um Einlass. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg liest extra die Werke von Parteichef Xi Jinping und trifft sich regelmäßig mit hochrangigen Funktionären. In der Parteipresse ist er danach immer voll des Lobes. Selbst ein passables Chinesisch hat er sich draufgeschafft, um zu punkten. Auch bei Twitter versucht man, Peking zu schmeicheln. Kürzlich heuerte das Unternehmen eine neue China-Chefin an, die einmal bei der Volksbefreiungsarmee gearbeitet hat. Ihr erster Tweet ging an das chinesische Staatsfernsehen: "Lasst uns zusammenarbeiten und die großartige China-Geschichte der Welt erzählen!"

Während Facebook oder Twitter alles daransetzen, die chinesische Führung zu erweichen, dass ihre Angebote nicht weggesperrt werden, lässt sich die chronische China-Schwäche anderer Unternehmen jedoch nicht mit der staatlichen Zensur erklären. Nein, die Internetindustrie hat es in der Vergangenheit schlicht versäumt, auf die kulturellen Unterschiede einzugehen und am wahrscheinlich attraktivsten Markt vorbei entwickelt.

Zuerst erwischte es das Auktionshaus Ebay. Als 2003 Alibaba-Chef Jack Ma das chinesische Pendant Taobao gründete, nahm er dem Original aus den USA innerhalb weniger Jahre die Marktführerschaft ab. Das gelang vor allem deshalb, weil Ma sein eigenes Online-Bezahlsystem einführte: Alipay.

Wer damals bei Ebay handelte, musste darauf vertrauen, dass der Verkäufer die ersteigerte Ware schickt und der Käufer zahlt. Dieses Vertrauen haben viele Chinesen nicht, zu oft wurden sie enttäuscht. Bei Alipay wird das Geld erst dann weitergereicht, wenn die Ware tatsächlich beim Kunden angekommen ist. Inzwischen hat sich Ebay angepasst - der chinesische Markt ist dennoch futsch.

Oder Google: 2005 entschied sich der Suchmaschinenkonzern, den chinesischen Markt aufzurollen. Wer bei Google.cn nach dem Platz des Himmlischen Friedens suchte, bekam Fotos der Verbotenen Stadt oder die Öffnungszeiten des Mao-Mausoleums angezeigt. Keine Spur von den Panzern, die am 4. Juni 1989 den Studentenprotest niederwalzten.

Die Selbstzensur währte fünf Jahre, 2010 zog sich Google zurück. Die Begründung: Ein Konzern, dessen Firmenmotto "Don't be evil", heißt, könne sich nicht verbiegen. Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Trotz größter Marketing-Anstrengungen googelte einfach kaum jemand in China.

Das Problem: Wer in den Eingabeschlitz etwas schreiben wollte, musste die lateinische Umschrift beherrschen. Doch vor allem ältere Chinesen haben das nicht gelernt. Viele chinesische Webseiten sehen deshalb noch immer aus wie Wimmelbilder - überall Links. Für viele ist das der einfachste Weg, im Netz zu navigieren. Erst der Boom der Smartphones, bei denen man Schriftzeichen mit dem Finger auf den Bildschirm malen kann, macht es älteren Nutzern überhaupt möglich, Suchmaschinen ohne Umstände zu nutzen.

Aber das kommt zu spät. Der Markt ist verteilt.

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SZ vom 03.08.2016/jab
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