Süddeutsche Zeitung

IT-Gipfel:Rainer Brüderle, Wahrer der IT-Sicherheit

Bundeswirtschaftsminister Brüderle will sein Online-Profil schärfen - und versteigt sich dabei zu einem seltsamen Stasi-Vergleich.

Thorsten Riedl

Die Verbreitung von teils geheimen Diplomatendepeschen im Internet über die Webseite Wikileaks beherrschte auch auf beim IT-Gipfel in Dresden die Gespräche. Mehr als eine Viertel Million Nachrichten von US-Diplomaten sind seit kurzem im Netz zugänglich. Vor etwa 600 IT-Managern verglich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Flut der Daten mit denen zu DDR-Zeiten. "Manches, was ich da bei Wikileaks entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten - die Stasi dabei."

Er will Firmen vor dem Abfluss von Informationen bewahren. "Wir müssen mehr für den Schutz unserer Informationsinfrastruktur unternehmen", sagte er. "Ich werde eine Taskforce für IT-Sicherheit in der Wirtschaft einrichten."

Nach Potsdam, Hannover, Darmstadt und Stuttgart fand die jährliche Zusammenkunft der deutschen IT-Branche mit Politikern nun in Dresden statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das fünfte Treffen seit 2006 angesichts der zunehmenden Bedeutung des Sektors für Wachstum und Beschäftigung im Land initiiert.

In Deutschland arbeiten 850.000 Menschen in der IT-Industrie und erwirtschaften jährlich einen Umsatz von 140 Milliarden Euro. Dresden wurde ausgewählt, weil die sächsische Landeshauptstadt seit fast 50 Jahren wichtiger Standort für Mikroelektronik ist. Der nächste IT-Gipfel findet im kommenden Jahr in München statt, kündigte Merkel in Dresden an.

Debatte um Persönlichkeitsrechte

Im Vorfeld des Gipfels hatte August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbandes Bitkom, eine Debatte über den Schutz von persönlichen Daten im Internet angestoßen. Der IT-Verband hatte dazu eine Selbstverpflichtung vorgestellt, mit der die Interessen von Nutzern bei Online-Bilddiensten wie Street View besser gewahrt werden soll. Bei dem Google-Dienst sind Straßenansichten im Internet zu sehen.

Die Politik hatte die IT-Anbieter zu diesem Schritt gedrängt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zugleich einen besseren Schutz der Persönlichkeitsrechte im Internet gefordert. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) brachte die Idee eines "Verfallsdatums" für private Daten im Netz ein.

Zum IT-Gipfel stimmte Brüderle in den Kanon ein. Die Veröffentlichung von vertraulichen Regierungsdokumenten zeige, dass im Internet Sicherheitslücken bestünden. "Es geht nicht nur um Datenschutz", sagte er. "Manche sprechen schon von Cyberwar."

Die neu zu gründete Arbeitsgruppe im Wirtschaftsministerium solle zum einen das Thema für den nächsten IT-Gipfel vorbereiten. Zudem sollen die Experten für ein Funktionieren der technischen Infrastrukturen sorgen. Der Aufgabenbereich überschneidet sich damit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das dem Innenministerium unterstellt ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1033357
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.12.2010/joku
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.