Islamdiskussion:Korrekt, unkorrekt, daneben

Nach dem Schweizer Volksentscheid kochen die Debatten im Netz hoch. Doch was unterscheidet, was eint islamkritische Gruppierungen? Eine Spurensuche.

Johannes Boie

Das "Ja" der schweizerischen Mehrheit zur Anti-Minarett-Initiative provoziert Erklärungen und Antworten auf grundlegende Fragen: Sind mehr als die Hälfte aller Schweizer ausländerfeindlich? Ist die Religionsfreiheit in der Schweiz bedroht? Sind Moslems in Europa strukureller Diskriminierung ausgesetzt?

Islamdiskussion: Die Anti-Minarett-Kampagne in der Schweiz erhielt viel Zustimmung vom rechten Rand

Die Anti-Minarett-Kampagne in der Schweiz erhielt viel Zustimmung vom rechten Rand

(Foto: Foto: Reuters)

Die Bandbreite der Fragen verlockt dazu, schnelle, schlichte Antworten zu suchen. Wer gegen die Minarette gestimmt hat, ist demnach xenophob, schließlich sind ja viele Moslems, die in der Schweiz leben, Ausländer. Und wer keine Minarette möchte, muss darüber hinaus kulturfeindlich sein, denn die Türmchen sehen doch so schön aus.

Die Wirklichkeit - man ahnt es - ist komplexer. Weltweit und im deutschen Sprachraum im Speziellen wachsen Gruppierungen zusammen, die sich noch vor wenigen Jahren grundsätzlich spinnefeind waren und die sich bis heute in allen Fragen jenseits der nach dem Islam und der Integration seiner Anhänger in die westliche Gesellschaft, unterscheiden. Gemeinsam haben sie nur eines: Alle kritisieren sie den Islam, die einen pauschal, die anderen bedächtig. Die einen mit Grund, die anderen aus purem Hass.

Politisch inkorrekt und rechtsaußen

Zu den einflussreichsten Aktivisten, die in Deutschland Stimmung gegen Muslime und deren Religion machen, gehören die Autoren der Internetseite Politically Incorrect. Die Nachrichten-Agenda rund um die schweizerische Anti-Minarett-Initiative bescherte der Webseite, die seit Februar 2006 regelmäßig aktualisiert wird, nach eigenen Angaben einen kräftigen Zuwachs in den Leserzahlen: Bis zu 65.000 Zugriffe verzeichnet PI derzeit täglich.

Insbesondere im Kommentarbereich der Webseite, in dem nach kurzer Registrierung jeder Leser seine Meinung kundtun darf, sind die Texte radikal anti-muslimisch, gelegentlich grundsätzlich ausländerfeindlich und fast immer von simplen, stereotypen Denkkategorien gekennzeichnet. "Liebe Musels!", schreibt einer mit dem Pseudonym r2d2, "Was wäre wenn wir eure Frauen und Töchter sexuell belästigen würden? Hättet ihr das gerne?"

Politically Incorrect ist dem Verfassungsschutz bekannt, wird dort aber nicht als verfassungsfeindlich eingeschätzt. Denn so harsch auf der Webseite Moslems angegangen werden, so radikal ihre Autoren gegen die Europäische Union, die arabische Welt und den Islam wettern, so eindeutig beziehen sie Stellung für das, was ihre Leser als "pro-westliche Werte" bezeichnen würden: Die amerikanischen Republikaner, Israel und das Christentum.

Liberal bis libertär

Und das ist nicht verfassungsfeindlich, sondern eher ein rechtsaußen angesiedeltes, aber eben nicht rechtsradikales Gegengewicht im sonst einseitig gegen andere ausgerichteten Verbalkampf. Dass ausgerechnet die Unterstützung durch die Radikalen von PI-News dem Image Israels in Deutschland helfen dürfte, darf allerdings bezweifelt werden.

Diese Zweifel hegen zum Beispiel die selbsternannten "Freunde der Offenen Gesellschaft", einer mittlerweile eher lose verbundenen Berliner Gruppe liberaler bis libertärer Geister, deren kluge Mitglieder und assoziierten Freundeskreise sich einerseits in der Nähe der wirtschaftspolitischen Ideen Ludwig von Mises verorten, andererseits durch eine besondere Treue zu Israel auffallen. Und die als logische Konsequenz dieses Bündnisses ein besonders kritisches Augenmerk auf die Entwicklungen islamischer Aktivitäten in Deutschland und der gesamten Welt legen, zum Beispiel auf der seit 2008 stattfindenden Konferenz "Stop the Bomb", die unter anderem von dem Politikwissenschaftler Matthias Küntzel unterstützt wird.

Ihre Kritik ist durchdacht und fundiert, sie konzentriert sich viel mehr auf wirtschaftliche und politische Gegebenheiten - zum Beispiel auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran - als auf das marktschreierische Anprangern von "Ehrenmorden", wie es auf der Webseite PI-News gepflegt wird.

Wie Islamkritik entfremdete Konservative anspricht

Nur einzelne der Berliner Denker können auch anders: Man sieht sie alljährlich beim Al-Quds-Tag in Berlin, wo sie radikalen Islamisten mit Mut und Witz den Weg abzuschneiden versuchen. Als Marktradikale und auch aufgrund ihrer Intelligenz können die Berliner von nichts weiter entfernt sein als vom konservativen Denken einer nach rechtsaußen orientierten Gruppierung.

Und doch trifft man sich ungewollt bei der Beurteilung des Islam auf einer sehr grundsätzlichen inhaltlichen Ebene. Nicht nur mit den rechtsorientierten, geistigen Krawallmachern von PI-News, sondern sogar mit der stark umstrittenen Pro-Bewegung, die vor allem in Nordrhein-Westfalen um Einfluss auf kommunaler Ebene kämpft. Sie ist ein Auffangbecken für enttäuschte Konservative, denen der Kurs der CDU zu sanft geworden ist. "Wir alle sind Schweizer!", schreiben die Aktiven der Pro-Bewegung derzeit auf ihrer Webseite. Wer ihren Mitgliedern zuhört, hört einen Mix aus dem Stumpfsinn der Stammtische und uraltem xenophobem Denken.

Einer, dem die CDU ebenfalls zu nachgiebig im Umgang mit dem Islam ist, ist René Stadtkewitz. Der auf PI-News gefeierte Volksvertreter im Abgeordnetenhaus Berlin kämpfte energisch gegen die Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Heinersdorf und erklärte wegen interner Streitigkeiten über den Umgang mit dem Islam im November seinen Austritt aus der CDU.

"Entwicklungshilfe für islamische Länder beenden"

Stadtkewitz, der weiterhin in der CDU-Fraktion mitarbeitet, ist seit September 2008 Landesvorsitzender beim Verein "Pax Europa", dessen Zweck es nach eigenen Angaben ist, "das demokratische Staatswesen dadurch zu fördern, dass er die Öffentlichkeit wertneutral über die Ausbreitung des Islam in Europa und die damit verbundenen Folgen für das Staatswesen unterrichtet." Etwas konkreter wird das Ziel im Weblog der Organisation, in dem qua Manifest gefordert wird, "Entwicklungshilfe und sonstige wirtschaftliche Unterstützung für islamische Länder" zu beenden.

Da ist es dann nicht mehr weit zu den Republikanern, die unter ihrem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer in letzter Zeit versuchen, eine neue Positionierung als rechtskonservative, bürgerliche Kraft darzustellen. Damit haben sie sich einerseits von einem Teil ihrer bisherigen Stammwähler - knallharten Nazis - verabschiedet, konnten bislang aber kaum neue gewinnen. "Bravo Schweiz: Minarettverbot ist ein Vorbild für ganz Europa", schreiben die Republikaner derzeit auf ihrer Webseite als wichtigste Nachricht. Eine Freude, die sie auch mit ihrer verlorenen Klientel teilen.

Die richtig harten Nazis freuen sich nämlich auch über das Schweizer "Nein" zu den Minaretten. Die Bürgerintiative Ausländerstopp wird für ihre nach der Schweizer Entscheidung öffentlich in München gestellte Frage "Wie viel Islam brauchen wir?" auf dem rechtsradikalen Internetportal Altermedia gefeiert. Das ist dann jener Teil der Islam-"Kritik", der mit Denken nichts mehr zu tun - hier wird nur noch gehasst, ganz gleich ob Moschee oder Synagoge, Amerikaner oder Türke.

Was würden sich die Nazis ärgern, wenn sie wüssten, dass sie sich in ihrer Ablehnung der Minarette mit einer aktiven Feministin einig sind: Die politisch gewiss nichts rechts denkende Feministin Julia Onken hält Vorträge zu Themen wie "Wechseljahre, Lust statt Frust". Im Vorfeld der Anti-Minarett-Initiative sprach sie sich aber klar gegen die Türme aus: "Moscheen sind Männerhäuser, Minarette sind männliche Machtsymbole."

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