iPhone: Verleger hoffen:App in die Zukunft!

Goldgräberstimmung im Online-Journalismus: Bezahl-Apps für das iPhone sind ein Verkaufsschlager. Damit könnten Nachrichten im Netz endlich profitabel werden.

Michael König

Spötter sagen, Fans des amerikanischen Apple-Konzerns werden vor Dankbarkeit auf die Knie fallen und ihre Geldbörsen zücken, sobald wieder ein neues Produkt kommt. Ende Januar wird Apple-Chef Steve Jobs offenbar den "iSlate" präsentieren. Das könnte ein iPhone im XL-Format sein - und auch den Journalismus im Internet zu einem profitableren Geschäft machen.

iPhone Apps; oH

Hoffnungsträger der deutschen Verleger: iPhone-Apps sollen die Tür zum Online-Bezahljournalismus öffnen.

(Foto: Foto: oH)

Schon die aktuelle Version des Wundertelefons iPhone hat für Goldgräberstimmung in der krisengeschüttelten Medienlandschaft gesorgt. Dank des Geräts haben Verleger erstmals eine einfache Möglichkeit, von ihren Lesern Geld für Online-Inhalte zu kassieren.

"Nur ein paar lausige Pennies"

Bislang finanzierten sich die Online-Nachrichtenportale allein durch Werbung - ein Geschäft, von dem der Münchner Verleger Hubert Burda ein wenig zu despektierlich sagt, es ließen sich damit "nur ein paar lausige Pennies" verdienen. Der Medienforscher Stephan Ruß-Mohl spricht der Werbefinanzierung sogar jede Zukunftschance ab: "Auch wenn die Hoffnung zuletzt stirbt: Das alte Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr", sagte er dem Tagesspiegel.

Die Zukunft des Qualitätsjournalismus im Internet liege bei Bezahlinhalten, dem sogenannten Paid Content, sagt der Professor an der Universität der italienischen Schweiz in Lugano. Versuche, den Leser für einzelne Artikel zahlen zu lassen ("Micropayment"), haben sich aber als nutzerunfreundlich und damit unattraktiv erwiesen - Attribute, die bei Apple-Produkten äußerst selten genannt werden.

Auch andere Smartphones ermöglichen es ihren Besitzern, Nachrichten im Internet zu lesen. Beim iPhone des Apple-Konzerns geht das aber besonders einfach und schön. Zudem bietet Apple seinen Kunden den "App-Store", einen Markt, auf dem iPhone-Nutzer kleine Programme von Drittanbietern kaufen und auf ihrem Telefon installieren können.

Der Laden floriert

Diese Applications oder kurz "Apps" können Autorennspiele für 79 Cent sein. Aber auch Nützliches wie eine Navigations-Software für 80 Euro ist erhältlich. Und neuerdings kommen immer mehr Angebote von Nachrichtenportalen hinzu. Das Geschäft floriert: Jede Woche werden 10.000 neue Apps eingereicht. Im September 2009 verkündete Apple, dass seit der Gründung im Juli 2008 zwei Milliarden Apps geladen wurden.

Wurde den Verlegern bislang vorgeworfen, bei der Überwindung ihrer Krise die Innovationskraft eines Topflappenherstellers an den Tag zu legen, so beeilen sie sich nun, den neuen Absatzmarkt nicht zu verpassen.

Erst für Nutzer ab 17 geeignet

In der aktuellen Hitparade der meistgekauften Apps liegt der Axel-Springer-Verlag mit dem App für seine Boulevardmischung Bild weit vorne. "Unsere Erwartungen sind deutlich übertroffen worden", sagt ein Sprecher des Verlags zu sueddeutsche.de. Derzeit kostet die Bild-App 79 Cent im Monat. Nach einer "Einführungsphase" sollen es 1,59 Euro sein. Diese Phase sollte 30 Tage dauern, wurde aber erst kürzlich verlängert. Wer 3,99 Euro für die Premium-Version investiert, bekommt zusätzlich die PDF-Ausgabe der aktuellen Druckausgabe auf sein Handy.

Apple warnt im App-Store jedoch, die Bild-App sei wegen "stark ausgeprägter Szenen mit erotischen Anspielungen" erst für Nutzer ab 17 Jahren geeignet. Neben Nachrichten bietet Springer auch Gimmicks wie das Seite-1-Girl, dass sich auf dem iPhone-Bildschirm entkleidet und dabei "Uuuuuh" macht, sobald das Telefon geschüttelt wird. Für Apple ist das hart an der Grenze - der amerikanische Konzern lässt im App-Store nur das erscheinen, was seinen Wertvorstellungen entspricht.

Auf der nächsten Seite: Die Hitliste der Bezahl-Apps zeigt einen positiven Trend auf - Verleger sind auf einen Erfolg angewiesen.

Wie ein Tropfen im Ozean

Die Nummer zwei der meistgekauften Nachrichtenangebote ist die Gold-App von sueddeutsche.de. Sie bietet für 1,59 Euro 30 Tage lang den Zugriff auf Inhalte von sueddeutsche.de und der Süddeutschen Zeitung. Die App bietet außerdem die Möglichkeit, die Artikel im heimischen Netzwerk zu laden und unterwegs offline zu lesen - eine Internetverbindung ist dann nicht nötig.

Es gibt auch eine kostenlose Basic-Version der Apps mit geringerem Funktionsumfang - sie ist derzeit die Nummer eins unter den kostenlosen Nachrichten-Apps. Für beide Varianten, Gold und Basic, gilt laut Apple eine Altersbeschränkung von vier Jahren.

Eine Heft-App aus Hamburg

In der Warteschleife des App-Stores befindet sich auch die App des Nachrichtenmagazins Spiegel. Es soll das aktuelle Heft aufs iPhone bringen - nicht aber den Zugriff auf die Online-Ausgabe ermöglichen. Die sei weiterhin über den Internetbrowser zu erreichen, heißt es aus der Verlagszentrale. Die Spiegel-App sei zunächst kostenlos, der Nutzer zahle dann jedoch pro Heft, das er auf sein iPhone lädt.

In der Hitliste aller schon veröffentlichten Bezahl-Apps rangiert Bild derzeit auf Rang sieben, sueddeutsche.de auf Rang 13. Auch wenn beide Programme noch nicht lange auf dem Markt sind, scheint sich ein positiver Trend abzuzeichnen - der den Erkenntnissen der Marktforschung widerspricht.

Noch im Dezember verwiesen Skeptiker auf eine Umfrage, wonach nur neun Prozent der Online-Leserschaft bereit sei, für Nachrichten Geld zu bezahlen. Dabei geht es nicht um Laufband-News, sondern um anregende Informationen. In Anbetracht der App-Verkäufe müssen mehr als eine Million deutsche iPhone-Nutzer folglich besonders konsumfreudig sein - was angesichts der hohen Kosten, die Apples Telefon dank teurer Mobilfunkverträge verursachen kann, nicht ausgeschlossen ist.

Die Lage ist ernst

Womöglich geben die Verkaufszahlen aber auch Medienforscher Ruß-Mohl recht, der sagt: "Auch ich würde gerne weiterhin gratis online meine Lieblingszeitungen lesen. In Umfragen behauptet jeder, dass er für Online-Content niemals bezahlen würde. Kluge Marktforscher stellen solch blöde Fragen erst gar nicht."

Die Verleger sind auf die Zahlungsbereitschaft angewiesen. Die Lage ist ernst, da bei Werbe- und Stellenanzeigen große Verluste zu verzeichnen sind. Redaktionen werden zusammengelegt oder verkleinert. Als "überlebensnotwendig" hat Wolfgang Fürstner vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) einen Erfolg des Online-Bezahljournalismus bezeichnet.

Auch der Ärger um eine kostenlose Tagesschau-App verdeutlicht, wie hoch der Druck ist, der auf der Branche lastet. Alleine die Ankündigung der ARD, eine App auf den Markt zu bringen, mit dem Nachrichten und Videos von tagesschau.de kostenlos auf das iPhone kommen, hat scharfe Reaktionen hervorgerufen. Der Springer-Verlag sprach in einer Pressemitteilung von "nicht tolerierbarer Marktverzerrung".

Problematisch verzerrt

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) schaltete sich ein und sagte, der Markt drohe durch die öffentlich-rechtliche App "auf problematische Art und Weise verzerrt" zu werden. NDR-Intendant Lutz Marmor gab sich von der Debatte überrascht: "Eine App ist wie ein Tropfen Wasser im Ozean des Internets", sagte er der Zeit.

Medienforscher Ruß-Mohl hält diese Einschätzung für falsch. Er empfehle den Anbietern von Qualitätsjournalismus "nachhaltig", auf den neuen Markt zu setzen. Der könnte noch attraktiver werden, wenn Apple Ende Januar tatsächlich sein Riesen-iPhone präsentiert. Der Lesekomfort dürfte sich damit noch einmal deutlich erhöhen - und in Verlagen neue Phantasie auslösen.

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