Süddeutsche Zeitung

iPhone-Konkurrenz:Das Google Pixel ist das beste Android-Smartphone

  • Mit dem Pixel will Google die Smartphone-Oberklasse erobern.
  • Die Hardware des Pixel ist erstklassig, die Kamera auf dem Niveau des iPhone.
  • Zentraler Bestandteil ist der Google Assistant: Er soll per Spracheingabe alltägliche Aufgaben erledigen und Fragen beantworten.
  • Der Deal heißt: Dienst gegen Daten - wer sich darauf einlässt, erlebt, wie die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion aussehen könnte.

Von Simon Hurtz

Das Smartphone liegt stumm und schwarz auf dem Tisch. "Okay Google". Das Display leuchtet auf. "Wer bist du?" Eine freundliche Frauenstimme stellt sich als Google-Assistant vor. Was sie wohl alles kann? "Ich kann dir helfen, viele verschiedene Dinge zu tun." Eine tatsächlich recht lange Liste mit Sprachbefehlen und Aufgaben erscheint: E-Mails schreiben, Hotels buchen, Restaurants finden oder die Frage beantworten, ob am nächsten Tag ein Regenschirm eine gute Idee wäre - alles per Sprachsteuerung, ohne das Smartphone auch nur in die Hand nehmen zu müssen. Vielleicht ist Googles virtuelle Assistentin ja tatsächlich mehr als eine nette Spielerei?

Die Probe aufs Exempel: "Okay Google, kannst du das Google Pixel für mich testen?" "Ich habe das hier im Internet für dich gefunden." Statt des erwünschten Testberichts folgt ein Link - auf einen Text, der seltsam vertraut wirkt.

Das zeigt drei Dinge: Google versteht Fragen mittlerweile ziemlich gut. Google weiß ganz genau, wer da fragt - es wäre schon großer Zufall, dass angesichts Tausender Berichte über das Pixel ausgerechnet ein Link zu SZ.de die erste Wahl ist. Und als zentrale Erkenntnis bleibt: Wir leben im Jahr 2016, nicht im Jahr 2026, und die meiste Arbeit muss man immer noch selbst erledigen.

"Gute Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen"

Das Pixel ist das edelste Smartphone, das Google bislang hergestellt hat. Genau genommen war es nicht Google selbst, sondern HTC, doch von einem Hinweis auf den Hardware-Partner fehlt jede Spur. Bei der Nexus-Reihe durften die jährlich wechselnden Hersteller wie LG, Motorola oder Huawei noch ihren Namen auf dem Gehäuse platzieren, das Pixel dagegen ist Google durch und durch: Die Rückseite ziert ein dezentes Google-Logo, darunter ein winziger Schriftzug: "Phone by Google". Diese Strategie soll dazu geführt haben, dass Googles Wunsch-Partner Huawei die Zusammenarbeit aufgekündigt hat.

Auffällig ist die optische Ähnlichkeit zum iPhone. Google versichert zwar, dass man sich große Mühe gegeben habe, das Smartphone optisch einzigartig zu machen, doch die Unterschiede sind eher marginal. Die Gehäuseform mit den abgerundeten Ecken, die seitlichen Antennenstreifen und die breiten schwarzen Balken unter- und oberhalb des Displays erinnern stark an Apples Designsprache. iPhone-Fans dürften das spöttisch zur Kenntnis nehmen, doch schon Steve Jobs zitierte vor mehr als 20 Jahren Picasso: "Gute Künstler kopieren, großartige Künstler stehlen." Der frühere Apple-Chef bekannte: "Wir haben gute Ideen schon immer schamlos geklaut."

Das Pixel kostet fast 1000 Euro, doch wenn es neben dem iPhone ein Gerät gibt, das diesen Preis rechtfertigt, dann ist es das Pixel. Aluminium und Gorilla Glas wirken hochwertig, die Verarbeitung des Testgeräts ist makellos. Im Gegensatz zu Apple verzichtet Google auf extravagante Farben wie Roségold und setzt auf bewährtes Silber und Mattschwarz.

Gutes Display, solide Akkulaufzeit, praktische Schnelladefunktion

Mit seinen nach hinten abgeflachten Kanten liegt das Pixel gut in der Hand. Das Modell mit 5-Zoll-AMOLED-Display lässt sich bequem einhändig bedienen, dafür bietet das Pixel XL nicht nur ein halbes Zoll mehr Bildschirmfläche, sondern löst auch mit 2560 x 1440 statt mit 1920 x 1080 Pixel auf. Wie beim iPhone muss man sich also zwischen Portabilität und Lesekomfort entscheiden. Von Display, Abmessungen und Akkugröße (3450 mAh und 2770 mAh) abgesehen sind beide Pixel-Versionen identisch.

Während des Testzeitraums war noch nicht genügend Zeit, um die Akkulaufzeit zuverlässig zu bewerten. Die exakte Dauer hängt ohnehin stark von der individuellen Nutzung ab. Wer das Smartphone nicht ständig aus der Tasche zieht, keine Videos anschaut und auf Spiele verzichtet, könnte sogar zwei Tage mit einer Akkuladung hinkommen. Für einen Arbeitstag reicht die Kapazität aber auf jeden Fall. Praktisch ist auch die Schnelladefunktion: Wenige Minuten an der Steckdose reichen, um den Akku für mehrere Stunden Nutzung zu laden.

Prozessor (Snapdragon 821) und Arbeitsspeicher (4 Gigabyte) reichen für alle Alltagsaufgaben locker aus. Apps starten ohne Verzögerung, auch anspruchsvolle Spiele und hochauflösende Videos liefen im Test ruckelfrei. Google behauptet, auf einem Level mit den bislang unerreichten Reaktionszeiten von Apples iOS zu sein. Dieses Wetteifern um Bruchteile von Millisekunden dürfte den meisten Nutzern herzlich egal sein. Mit dem Pixel erhalten sie ein Smartphone, dem man anmerkt, dass Hard- und Software aus einer Hand kommen.

Während Hersteller wie Samsung, Huawei oder LG oft lange brauchen, bis sie Sicherheitsupdates und neue Android-Versionen verteilen, erhalten Google-Smartphones diese Aktualisierungen als erste. Schon die Nexus-Geräte verzichteten auf angepasste Oberflächen und teilweise nutzlose Zusatzfunktionen, unter anderem deshalb waren sie bei Geeks und Entwicklern beliebt. Diese Tradition setzt das Pixel fort: Es kommt mit der neuesten und unveränderten Android-Version 7.1 und wird noch mindestens zwei Jahre Updates erhalten.

Hobby-Fotografen werden mit dem Pixel glücklich

Viele moderne Smartphones ersetzen mittlerweile Kompaktkameras, die Fotoqualität ist zu einem wichtigen Kriterium bei der Kaufentscheidung geworden. Dementsprechend offensiv betont Google das Testergebnis der Kamera. Glaubt man dem Ergebnis der Untersuchung von DxO-Labs, schießt das Pixel die besten Fotos aller Smartphones auf dem Markt. 89 Punkte bedeuten den bislang höchsten Wert, das iPhone 7 etwa erreichte 86 Punkte.

Drei Punkte hin oder her, beide Smartphones liefern hervorragende Bildqualität - und das nicht nur bei perfekt ausgeleuchteten Motiven, sondern auch bei schwierigen Lichtverhältnissen. Wo Mittelklasse-Smartphone oft rauschende Fotos produzieren, sehen die Bilder des Pixel auch in der Dämmerung noch brauchbar aus. Die Farben wirken natürlich, der automatische Weißabgleich funktioniert gut, und der Autofokus ist schnell und zuverlässig.

Standardmäßig ist der HDR+-Modus aktiviert. Dabei werden bei Bedarf mehrere Fotos mit unterschiedliche Belichtungsdauer zu einem einzelnen Bild zusammengesetzt. So lassen sich selbst Motive mit großen Helligkeitsunterschieden abbilden, ohne dass helle Flächen alles überstrahlen oder Details in dunkle Bereichen verschwinden. Damit hatten Smartphone-Kameras mit kleinen Sensoren bislang häufig Probleme. Diese Funktion bieten auch andere Hersteller, die Ergebnisse des Pixel sind aber besser als die der Konkurrenz. Diese leiden oft darunter, dass sich bei schnellen Bewegungen im Aufnahmebereich Artefakte bilden; der HDR+-Modus des Pixel kann damit gut umgehen, lässt sich auf Wunsch aber auch komplett deaktivieren.

In Sachen Hardware gibt es wenig zu meckern

Leider verzichtet Google auf optische Bildstabilisierung, verspricht aber, dass ein Algorithmus verwackelte Videoaufnahmen retten kann. In der Tat funktioniert diese elektronische Stabilisierung selbst in 4K-Auflösung gut, auch unter schwierigen Bedingungen lassen sich weitestgehend wackelfreie Videos aufnehmen.

Die Kritikpunkte auf der Hardware-Seite bleiben marginal: Im Unterschied zu den neuesten Modellen von Apple (iPhone 7) und Samsung (Galaxy S7) ist das Pixel nicht wasserdicht, sondern lediglich gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Außerdem fehlen Stereo-Lautsprecher und ein SD-Kartenslot. Dafür bietet Google unbegrenzten und kostenlosen Cloud-Speicher für Fotos und Videos an. Die Funktion steht allen Nutzern zu Verfügung, doch während die Dateien dabei normalerweise komprimiert gespeichert werden, landen die Aufnahmen von Pixel-Besitzern in voller Auflösung auf Googles Servern.

Das ist typisch für das Pixel: Software ist wichtiger als Hardware, die Google-Dienste stehen im Vordergrund, allen voran der Google Assistant. Vorerst antwortet er exklusiv auf die Fragen von Pixel-Käufern, andere Smartphones werden offiziell noch nicht unterstützt. Mit Alexa, Cortana und Siri bieten auch Amazon, Microsoft und Apple virtuelle Assistentinnen an, doch Googles namenlose Helferin kann mehr. Sie erkennt komplexere Fragen, versteht den Zusammenhang zwischen mehreren unterschiedlichen Fragen und lernt im Laufe der Zeit dazu.

Google hat 17 Jahre Erfahrung mit Suchanfragen und viele Milliarden Webseiten indexiert, unter anderem die Wikipedia. Dementsprechend bekommt man auf fast jede Frage eine Antwort - auch auf Deutsch, das eine von zwei Sprachen ist, die Googles Helferin momentan spricht. Im Vergleich zur englischen Version fehlen noch ein paar Funktionen, die aber bald nachgeliefert werden sollen.

Die Interaktion mit der smarten Assistentin fühlt sich nicht wie eine bloße Abfolge von Befehlen und Reaktionen an, sondern ähnelt teilweise einer menschlichen Unterhaltung. Richtig gut funktioniert das jedoch nur, wenn man bereit ist, dem Google Assistant umfassenden Zugriff auf alle privaten Daten zu geben. Um Kontakte anzurufen, muss das Telefonbuch ausgelesen werden, für Terminvorschläge ist der Zugriff auf den Kalender nötig, und wer am Morgen personalisierte Nachrichten hören will, muss seinen Suchverlauf offenlegen. Natürlich besitzt und analysiert Google diese Daten ohnehin - doch der Assistent zeigt, wie gut das Unternehmen seine Nutzer tatsächlich kennt.

Ein Premium-Smartphone zum Premium-Preis

So seltsam es klingen mag: Die Daten dürften bei Google vergleichsweise gut aufgehoben sein. Im Gegensatz zu anderen IT-Konzernen ist dort in den letzten Jahren kein erfolgreichen Hacker-Angriff bekannt geworden . Google verkauft auch keine Informationen über einzelne Nutzer, sondern lässt sich von Unternehmen dafür bezahlen, Anzeigen an bestimmte Zielgruppen auszuspielen, ohne dass die Werbekunden dabei etwas über individuelle Nutzer erfahren. Apple dagegen verdient Milliarden mit Hardware und ist nicht auf Anzeigenkunden angewiesen. Wem Googles Geschäftsmodell suspekt ist, der sollte also ein iPhone kaufen - dann aber konsequenterweise auch gleich Facebook- und Whatsapp-Konto löschen.

Unabhängig von Datenschutz-Bedenken bleibt das Pixel eines der besten Smartphones, die man derzeit für Geld kaufen kann - für viel Geld: Die deutschen Preise entsprechen exakt denen des neuen iPhone: 759 Euro für die 5-Zoll-Version mit 32 Gigabyte, 1009 für das Pixel XL mit 128 Gigabyte.

Eine durchaus selbstbewusste Strategie, die aber aufgehen könnte: Das Galaxy Note 7 hat eine Lücke in den Smartphone-Markt gebrannt, die eine Chance für andere Hersteller bietet. Der bekannte Analyst Ming-Chi Kuo rechnet damit, dass rund die Hälfte der zwölf Millionen Note-7-Käufer und -Vorbesteller zu Apple wechseln. Für den Rest sei das Pixel eine mögliche Option. Einige Varianten sind im Google-Store jedenfalls bereits ausverkauft.

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