Süddeutsche Zeitung

iPhone:Apples einziger Gegner ist die Langweile

Besonders spannend ist das neue 1649-Euro-iPhone nicht. Apple sollte es sich in seiner Hightech-Lifestyle-Nische nicht bequem machen.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Wenn es so etwas gäbe wie einen Hype-o-Meter, es hätte beim diesjährigen "Special Event" des Apple-Konzerns erheblich geringer ausgeschlagen als noch vor Jahren. Was war damals alles los, wenn ein Blog einen winzigen Blick auf das Gehäuse eines neuen iPhones erhaschte! Oder wenn gar ein Apple-Mitarbeiter einen Prototypen in einer Bar vergaß!

Mittlerweile sind die Apple-Präsentationen ein Ritual geworden: erst wird spekuliert, dann berichtet, was es Neues gibt. Ja, die Produktshows sind um Klassen besser durchgestylt als die oft hanebüchenen Vorstellungen der Konkurrenz. Aber special sind sie nicht mehr, auch weil sich das Muster immer wiederholt. Wenn Apple so weitermacht, wird irgendwann gefährliche Langeweile aufkommen.

Der große Hype lebte noch einmal auf, als im vergangen Jahr das iPhone X präsentiert wurde, das erste mit einer neuen Bildschirmtechnik (Oled statt LCD). Am Ende fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf zwei Dinge: auf die Gesichtserkennung, die den Fingerabdrucksensor ersetzte, und den Preis. Ein weiteres Mal legte Apple die Latte höher und hatte Erfolg mit dieser Strategie. Am veränderten Design und der eigentlich recht hässlichen Einbuchtung am oberen Bildschirmrand ist das iPhone X gut erkennbar - solche Details sind hilfreich, um zum Statussymbol zu werden.

Jenseits des Marketing-Getöses

Wer aber realistisch bleibt, stellt fest: Auch ein zwei Jahre altes iPhone kann schon alles, was im Alltag anfällt. Der technische Fortschritt beim Bau von Smartphones rast bei weitem nicht mehr wie zu Beginn der Ära. Zwar sind die neuen Geräte wirklich schneller und besser als die Vorgänger, nur macht sich das im täglichen Einsatz nur selten bemerkbar. Gleiches gilt seit längerem für Computer: Ein Laptop kann heute durchaus sechs, sieben Jahre alt sein - und trotzdem seine alltäglichen Aufgaben wie Schreiben, Surfen und Mailen erfüllen. Nur wer Spezialaufgaben zu erledigen hat oder extrem viel Wert auf genau diese eine neue Funktion legt, hat einen wirklichen Anreiz sich ein neues Gerät zu kaufen. Alles andere ist Marketing-Getöse.

Den interessantesten Fortschritt bringt in diesem Jahr Apples neue Computer-Uhr. Wenn die zugehörige Software erst einmal freigegeben ist, wird die Apple Watch 4 ein Elektrokardiogramm erstellen und vor gefährlichem Vorhofflimmern warnen können. Wie zuverlässig das funktioniert und wie nutzbringend es ist, wird die Praxis zeigen. Eine Menge Potenzial steckt auf jeden Fall darin. Kritische Nutzer werden sich dann noch intensiver als bisher damit beschäftigen müssen, was mit den erfassten Gesundheits-Daten passiert.

Und sonst? Fährt Apple ganz beherzt den Kurs des "Weiter so". Das mag man kritisieren, doch der Konzern ist weder Heilsbringer noch in der Pflicht, alle paar Jahre das berühmte "nächste große Ding" rauszuhauen. Apple ist ein börsennotiertes Unternehmen, das vor allem Geld verdienen will. Das schaffen Tim Cook und seine Leute nach wie vor sehr gut.

Sie haben es mit Bravour verstanden, ihr Image als das Unternehmen, das Technik erst wirklich benutzbar macht, in den Köpfen der Kunden zu verfestigen. Auch wenn sie natürlich längst nicht mehr die einzigen sind. Was aber gegen den Angreifer Google spricht, ist mittlerweile nicht mehr Bedienbarkeit oder technische Ausstattung. Dabei liegen die Android-Flaggschiffe gleichauf oder sogar vorn. Apple hat einfach weniger Interesse an Daten als Google, weil sein Geschäft nicht so sehr darauf angewiesen ist wie das des Suchmaschinen-Konzerns.

Wer sonst kann noch Hightech und Lifestyle vereinen?

Solange Apples Geschäftsmodell trägt, wird der Konzern also versuchen weiterzumachen und dabei die finanziellen Grenzen der Kundschaft immer ein wenig weiter austesten. Die neueste liegt seit Mittwoch bei 1649 - in Worten: eintausendsechshundertneunundvierzig - Euro. Für ein iPhone.

Nun ist es allerdings so, dass Smartphones für die meisten Menschen zu einem unverzichtbaren Begleiter in ihrem Leben geworden sind. Auch wenn es also keine sensationellen Neuerungen mehr gibt, sondern nur evolutionäre Weiterentwicklung, werden die Geräte weiter gekauft werden und Apple hält erfolgreich eine Nische besetzt, in die bis jetzt kein Mitbewerber so richtig vordringen konnte. Für die Mischung aus Hightech, Lifestyle und Design scheint einzig der Konzern das funktionierende Rezept zu besitzen.

Somit kann sich das Unternehmen eigentlich nur selbst gefährlich werden. Wenn es sich der Konzern mit seinem Billionen-Börsenwert zu bequem macht, wenn die Designsprache sich nicht irgendwann auch mal wieder ändert, wenn die Menschen irgendwann das Gefühl haben, außer dem ewigen "Weiter so" biete Apple auch nicht mehr als die anderen. Wenn es den Fans also einfach langweilig wird.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4128563
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/jab/mri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.