iPhone 4:Runderneuerung fast gelungen

Lesezeit: 4 min

Apple hat sein iPhone einer Generalüberholung unterzogen. Display, Tastatur und Ordnerverwaltung überzeugen - doch nicht alles ist perfekt.

Christopher Schrader

Nein, Nägel könne man damit nicht in die Wand schlagen, sagt ein Apple-Mitarbeiter. Er tourt zurzeit durch Europa und erklärt Journalisten die neuen Funktionen im iPhone4.

Unter Apple-Fans begehrt: Das iPhone 4 hat sich nach Apple-Angaben seit 24. Juni mehrals 1,7 Millionen mal verkauft. (Foto: afp)

Das fängt mit dem Aussehen an: Gehärtetes Glas oben und unten, eine besondere Stahl-Legierung entlang der Kanten, fünfmal so hart wie gewöhnlicher Edelstahl. Trotzdem kein Hammer, sagt er fast bedauernd, aber man könne mit dem Handy auf die Tischkante klopfen, um Aufmerksamkeit einzufordern, oder das Gerät auf den Boden werfen.

Und zum Beweis schleudert der Apple-Mann eines der raren, weil noch nicht lieferbaren weißen iPhones mit Schwung auf den (Teppich-)Boden. Danach zeigt es keine Ausfälle.

Kantig statt sanft

Apple hat sich beim vierten Modell seines Erfolgshandys entschieden, keinen Handschmeichler mehr anzubieten. Statt gerundet und aus Plastik ist das iPhone nun kantig und aus kühlen Materialien. Oben und unten findet der Fingernagel eine Rille, die er bei Nervosität entlang fahren kann - vielleicht auch um Dreck zu entfernen, der sich dort sammeln könnte.

Aber das Gerät hat so einen technischeren Look bekommen, der den Kunden offenbar gefällt (sie kannten ihn ja auch schon, weil einige Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart ein Apple-Ingenieur ein Vorserienmodell verloren hatte, das dann seinen Weg in ein Blog fand): Innerhalb weniger Tage hat Apple 1,7 Millionen Exemplare des neuen Modells abgesetzt.

Das Handy ist nun nicht einmal einen Zentimeter dick, und hat dennoch eine bessere Batterie bekommen - mit der man "bis zu 40 Prozent länger telefonieren kann", sagt Apple. Zur neuen Ausdauer trägt auch der neue Prozessor bei, der Gleiche wie im iPad, schnell und sparsam.

Apples Smartphone
:Das steckt im iPhone 4

Das iPhone 4 ist keine Revolution, bietet dafür ein schickes Design, eingeschränktes Multitasking und endlich einen besseren Akku. Die wichtigsten Neuerungen in Bildern.

Das Display ist außerdem aus einem sehr großen Winkel gut abzulesen. Die hohe Pixelzahl (960 mal 640) sorgt dafür, dass selbst beim gnadenlosen Vergrößern einzelner Buchstaben etwa im Logo der Süddeutschen Zeitung alle Rundungen wirklich rund erscheinen.

Das hat Vor- und Nachteile: der Sitznachbar kann gut erkennen, was man da macht, aber beim Vorführen eines Youtube-Videos im Freundeskreis sieht jeder was.

Der Film kann natürlich auch direkt vom iPhone stammen. Es besitzt nämlich eine verbesserte Kamera, die bewegte Bilder in hoher Auflösung (HD, 1280 mal 720) aufnimmt. Mit dem Zusatzprogramm iMovie kann man sie auch direkt auf dem Gerät schneiden, allerdings bietet Google inzwischen eine solche Funktion für YouTube-Videos im Webbrowser an.

Videotelefonie mit Schwächen

Bei Fotos kann der Nutzer jetzt auch einen digitalen Fünffach-Zoom betätigen und einen LED-Blitz zuschalten. Allerdings mag das Lichtlein drinnen helfen, die Szene einzufangen (deutlich zulasten der Auslösegeschwindigkeit), mit Aufgaben wie dem Aufhellen des Vordergrunds bei einer Gegenlichtaufnahme draußen ist es überfordert. Immerhin: Auch beim Filmen lässt sich das Lämpchen einschalten, um etwas in unmittelbarer Nähe zu erhellen. Der iPhone-Fotograf oder -Filmer kann mit einem Tipp auf die zweite Kamera umschalten, die auf der Vorderseite neben dem Telefon-Lautsprecher angebracht ist. Apple glaubt, damit der Videotelefonie zum Durchbruch verhelfen zu können - indem es die Technik zwar vereinfacht, aber zugleich einschränkt.

Telefonate mit Bild funktionieren nur zwischen iPhones und auch nur zwischen solchen, die sich gerade im Funkbereich einer Wlan-Antenne befinden. Nicht einmal den Zugang zu dem eigenen Programm iChat finden die Geräte; wenn Apple wirklich einen neuen Standard setzen wollte, wie seine Vertreter sagen, hätte die Firma doch im eigenen Haus anfangen können.

Videotelefonie mit Schwächen

Fremde Software-Entwickler werden die Facetime genannte Funktion auch nicht so bald zugreifen können, um die Anwendungsmoglichkeiten zu verbreitern. Vielleicht aber doch, und vielleicht klappt das Ganze demnächst auch direkt im Mobilfunknetz - die Gerüchte schwirren.

Ein Videotelefonat funktioniert über die gegenseitige Einladung.Beide Partner können ihr Gerät drehen, wie sie lustig sind, und zwischen beiden Kameras hin- und herschalten, um einander zu zeigen, was sie selbst gerade sehen oder wer ihnen gegenüber am Tisch sitzt. Unberührt davon ist natürlich die Frage, ob man das mit den Videotelefonaten wirklich für eine gute Idee halten muss.

Weitere Funktionen des neuen iPhones können auch Besitzer älterer Geräte aktivieren - weil sie in dem neuen Betriebssystem stecken, das Apple fast gleichzeitig veröffentlicht. Nur das erste iPhone und ältere iPod-Touch-Modelle können den kostenlosen Download nicht aktivieren. Die wichtigste Neuerung ist Apples Version von Multitasking.

Auf dem kleinen Bildschirm verbietet es sich von selbst, mehrere Fenster übereinander legen zu wollen. Sie liegen aber auch nicht nebeneinander wie beim Palm Pre. Stattdessen frieren die Apps einfach das Stadium der Datenverarbeitung ein, das sie erreicht haben, und verschwinden, wenn ein anderes gestartet wird. Sie verbrauchen keine Ressourcen, sind aber sofort wieder da, wenn ihr Erscheinen angeordnet wird.

Dazu hat Apple einen Verschiebebahnhof eingerichtet: Ein doppelter Druck auf den Homeknopf unter dem Display öffnet unten eine Leiste mit kürzlich benutzten Programmen, das es ermöglicht, von Anwendung zu Anwendung zu springen.

Nun ist das im engeren Sinne kein Multitasking. Die Programme laufen ja nicht parallel. Das gibt es aber auch. Im Hintergrund kann zum Beispiel eine Navigation-Software oder ein Internetradio oder Facebook oder Skype arbeiten, während der Nutzer vorn ein Spiel spielt oder eine E-Mail schreibt (im Fall der Navigation hoffentlich auf dem Beifahrersitz).

Bessere E-Mail-Verwaltung

Dabei sind einige weitere Neuerungen des Betriebssystems zu entdecken. Apps lassen sich jetzt in Ordnern sammeln. Man muss nur eine App auf eine andere ziehen, schon landen beide in einem Ordner, der auch noch automatisch einen Namen bekommt. Also "Spiele" bei Trivial Pursuit und Paper Toss, und "Reisen" bei Google Earth und einer Nasa-App (das ist wohl etwas optimistisch benannt).

Die E-Mails verschiedener Accounts wiederum kann das iPhone jetzt in einer gemeinsamen Ansicht sammeln. Das klingt banal, ist aber eine große Verbesserung und erspart viele Berührungen und Gesten auf dem Touchdisplay.

Was an dem iPhone zu kritisieren ist, hat es von seinen Vorgängern übernommen: Warum zum Beispiel ist es im Kalender nicht möglich, die Tage so umzublättern wie in einem der neuen iBook-Bücher? Oder so weiterzuschieben wie Fotos? Und zu Zeiten der Fußball-WM ein voll Internetfähiges Gerät auszuliefern, das kein Tor live zeigen kann, ist eigentlich eine Zumutung.

Eine Tastatur, die zu denken scheint

Sicher, wir haben alle über den Streit von Steve Jobs und Adobe unter anderem wegen Flash gehört, aber eine Lösung kann Apple auch in der vierten Generation seines iPhones nicht bieten.

Loben muss man schließlich die Tastatur. Sie scheint noch besser mitzudenken als früher. Aus den wildesten Tastendrücken rekonstruiert das Handy brauchbare Wörter, meist sogar die gemeinten. Man muss der Tastatur nur vertrauen so wie einer Wellblech-Piste in der Wüste, über die man auch mit 60 brausen kann, wenn man sich mal traut.

Vor allem mit Umlauten hat das iPhone seine Probleme. Bleiben doch irgendwelche Fantasiewörter stehen, werden sie rot markiert. Beim Tippen macht das Handy allerdings oft brauchbare Korrekturvorschläge. Dieser ganze Text wurde zum Beispiel auf dem iPhone 4 geschrieben, ohne dass es der Autor zwischendurch als Hammer benutzen wollte.

© sueddeutsche.de/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: