Interview: Fotograf Pawel Bownik:"E-Sportler sehen anders aus"

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Pawel Bownik hat professionelle Gamer abgelichtet. Das Bild des typischen Sportlers mit gestähltem Körper gehört für den Fotografen der Vergangenheit an.

T. Schwarzenbach

Ein hastiger Griff in die Tasten, Mausklick, Adrenalinschub - bei den Europa- und Weltmeisterschaften im E-Sport liefern sich junge Computerspieler in Disziplinen wie Counterstrike, Warcraft oder Fifa Wettkämpfe um den Titel. Polnische Teams fanden sich schon mehrfach auf dem Treppchen. Der Fotograf Pawel Bownik hat das Phänomen E-Sport in Polen nun vor die Linse geholt. Er lichtete Spieler und ihre "Übungshallen" ab und stellt damit nicht nur das allgemeine Bild eines Sportlers in Frage, sondern auch den Umgang mit Computerspielen.

sueddeutsche.de: Jung, blass, pickelig - die Jugendlichen in ihren Fotografien wirken etwas ungesund...

Pawel Bownik: Ich habe mich bemüht, sie möglichst wirklichkeitsgetreu darzustellen und sie deswegen mit einer Großbildkamera fotografiert. Ich wollte alle Details sichtbar machen - jede Hautunreinheit, die Mängel der Kleidung, eben alles, was für pubertierende Jugendliche typisch ist. Es sind vor allem Jungs, aber auch ein paar Mädchen, die E-Sport betreiben. Einige Spieler in meinen Fotos haben für Polen mehrmals E-Sport-Meisterschaften gewonnen, andere sind eher unbekannt. Alles in allem sind es ganz normale junge Menschen.

sueddeutsche.de: Trotzdem sehen sie aus, wie sich manche Menschen Jugendliche vorstellen, die die meiste Zeit vor dem Computer verbringen. Glauben Sie nicht, dass Sie damit Vorurteile schüren?

Bownik: Ich habe solche Einwände zu hören bekommen. Mir geht es aber um die Auseinandersetzung der Vorstellung von einem typischen Sportler, die sehr in der altgriechischen Darstellung eines athletischen Körpers verankert ist - und jener von einem E-Sportler. Er ist ein neues Phänomen und verkörpert das heutige, von Elektronik beeinflusste Leben. Wir müssen neue Kriterien anwenden, wenn wir über Sportler sprechen. E-Sportler sind und sehen nun mal anders aus. Der körperliche Gebrauch ist ein anderer, es geht nicht mehr nur um eine hervorragende physische Kondition.

sueddeutsche.de: Worum geht es dann?

Bownik: Auch um Taktik und Koordination. Um eine gute Orientierung in einer virtuellen Welt. Eigentlich um Eigenschaften, die man einem "mathematischen Geiste" zuschreiben könnte - analytische Fähigkeiten, Beherrschung, Geduld, Disziplin. Im E-Sport sind die intellektuellen Fähigkeiten, die man ja nicht einfach erlernen kann, viel wichtiger - und erwünschter als Schnelligkeit und Reflex.

sueddeutsche.de: Aber ist E-Sport dann nicht einfach nur ein Begriff und hat mit Sport, wie wir ihn bislang definiert haben, nichts zu tun?

Bownik: Ich meine, nein. Der Buchstabe "E-" unterscheidet dieses Phänomen zwar vom Sport und weist darauf hin, dass es sich hier um etwas anderes handelt. Andererseits aber hat E-Sport auch viel mit dem traditionellen Sport gemein, nämlich den Wettbewerb, öffentliche Weltmeisterschaften, Fans, Preise, Ruhm, Gewinne und Verluste.

Lesen Sie auf Seite 2, worin Pawel Bownik den Unterschied zwischen normalen Computerspielern und den von ihm poträtierten E-Sportlern sieht.

sueddeutsche.de: Wie viele Stunden in der Woche üben die Spieler für ihre Turniere?

Bownik: Das hängt von der Strategie der Gruppe ab. Manche trainieren fünf Stunden täglich, fünf Tage die Woche. Zu lange darf das Trainingsprogramm allerdings nicht dauern, weil die Spieler sonst zu müde und uneffizient werden.

sueddeutsche.de: Vor einigen Jahren starb ein 24-Jähriger, nachdem er über 80 Stunden am Stück Computer gespielt hatte ohne zu schlafen und zu essen...

Bownik: Vorfälle wie diese sind sehr selten, aber natürlich berichten die Medien gerne darüber. Es geht dann meist um Stereotype - den Nerd und darum, dass Computerspiele gefährlich sind. Dadurch wird das Bild eines E-Sportlers verzerrt. Man muss ja auch differenzieren zwischen einem normalen Computerspieler und einem E-Sportler. Heutzutage spielt fast jeder in seiner Freizeit Computerspiele, ein E-Sportler hingegen nimmt, wie gesagt, auch an Wettbewerben teil.

sueddeutsche.de: Sie haben nicht nur die Spieler fotografiert, sondern auch deren "Übungshallen", die Zimmer. Was war ihr Eindruck?

Bownik: Die Zimmer verbinden tatsächlich die Funktion einer Übungshalle mit der eines Wohn- oder Jugendzimmers. Ich habe darin Spuren des Erwachsenwerdens entdeckt, der täglichen Aktivitäten, des Lernens. Ich kannte die Jugendlichen vorher nicht und hatte das Gefühl, einen sehr privaten Raum zu betreten. Ich wollte in meinen Fotos die Gebrauchsspuren dieser Zimmer zeigen - alte Gegenstände, Kratzer oder Risse hier und dort. Um das zu betonen, habe ich mich für ein Licht entschieden, das dem Blitzlicht auf Polizeifotos ähnelt.

sueddeutsche.de: Wie kam Ihnen die Idee, E-Sport künstlerisch umzusetzen?

Bownik: Ich wurde zufällig Zeuge eines E-Sport-Turniers und habe die Spieler mit meiner Polaroid-Kamera fotografiert. Es wurde mir bewusst, wie unglaublich wenig wir von diesem Phänomen und auch diesen Menschen wissen. Ich habe mich auch immer schon für das Überschreiten zwischen neuer Technologie und Kultur interessiert.

sueddeutsche.de: Inwiefern trifft das auf den E-Sport zu?

Bownik: Halten Sie sich einfach nur mal vor Augen, wie sehr der Sound von Computerspielen, beispielsweise der 8bit Computer oder des GameBoy, die Musik beeinflusst haben. Künstler haben sich zum Teil von Computerspielen inspirieren lassen. Und auch die E-Sportler beginnen nun damit, sich und ihre Welt zur Kunst zu machen. Carmac etwa, zweimaliger Preisträger des eSports-Award für den besten E-Sportjournalisten und Veranstalter der Counterstrike- und World of Warcraft-Weltmeisterschaft, dreht quasi Off-Filme über das Milieu.

sueddeutsche.de: Trotzdem gelten Computerspiele nicht gerade als kulturell wertvoll. Woran, glauben Sie, liegt das?

Bownik: Ich denke, das Phänomen ist immer noch zu jung. Computerspiele werden als Unterhaltung auf niedrigerem Niveau wahrgenommen. Ich bin mir aber sicher, dass sich das ändern wird.

sueddeutsche.de: Welches Computerspiel war denn unter den E-Sportlern, die Sie fotografiert haben, am beliebtesten?

Bownik: Counterstrike. Ich glaube, es ist derzeit auch das populärste Spiel in Polen.

Pawel Bownik, geboren 1977, studierte Philosophie und Fotografie. Seine Werke wurden bereits mehrfach ausgestellt, unter anderem in seinem Heimatland Polen, Österreich, Schweden und Deutschland. Für sein Projekt "Gamers" bekam er 2008 ein Stipendium des polnischen Ministeriums für Kultur und nationales Erbe. Die gleichnamige Ausstellung ist noch bis zum 25. Oktober in der Yours Gallery in Warschau zu sehen.

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