Süddeutsche Zeitung

Interview :"Es geht immer um Verwandlung"

Der Chef für Kreativ-Software bei Adobe, Scott Belsky, spricht im Interview über die Zukunft von Photoshop.

Interview von Helmut Martin-Jung

Wer Bilder digital bearbeitet, photoshoppt sie - glücklich die Firma, die es geschafft hat, dass ihr Produkt stellvertretend für eine ganze Gattung steht. Bei ihrem Hersteller, der US-Firma Adobe, ist Scott Belsky für Photoshop und eine Reihe anderer Programme verantwortlich, die für Kreative im digitalen Zeitalter zu wichtigen Werkzeugen geworden sind. Belsky, 39, hat bereits mehrere Firmen gegründet, hat Start-ups als Investor unterstützt und wurde einst von vom Technikmagazin Fast Company auf die Liste der 100 kreativsten Menschen gesetzt. Mit Photoshop hat der Manager noch eine Menge vor.

SZ: Hat die Möglichkeit, Bilder zu bearbeiten, die Fotografie verändert?

Scott Belsky: Nun, es war schon seit den Anfängen der Fotografie möglich, Bilder zu bearbeiten. Aber klar: Verglichen mit dem, was ein begabter Fotograf in der Dunkelkammer leisten konnte, ist die Fülle an Dingen, die man mit Photoshop machen kann, schon gewaltig. Traditionell war Fotografie ein Mittel zu dokumentieren, was zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geschah. Heute nutzen Künstler Photoshop, um Bilder zu erschaffen, die nur in ihrer Fantasie existieren. Wie sich Bilder, Grafiken, Text und andere Elemente verknüpfen lassen, um eine Idee auszudrücken oder eine Frage zu stellen, ist zu einer eigenen Kunstform geworden.

Besorgt es Sie, dass Ihr Werkzeug auch benutzt wird, um Fake News zu erschaffen oder die Wirklichkeit zu verfälschen, zum Beispiel mit superschlank editierten Models?

In der Kunst und im kreativen Prozess geht es immer um Verwandlung. Man nimmt ein Objekt oder eine Substanz und verändert sie, um seine kreative Vision zum Ausdruck zu bringen. Unsere Mission ist es, kreativen Menschen so viel Fähigkeiten dazu zu geben wie möglich. Wir sehen aber auch, dass es Menschen gibt, die diese Möglichkeiten nutzen, um andere zu täuschen und Falschnachrichten zu verbreiten. Damit umzugehen, ist kompliziert, es sind dabei nicht nur Hersteller von Kreativwerkzeugen wie Adobe gefragt, sondern auch Medien und Plattformen, die Inhalte ausspielen. Wir leisten unseren Beitrag zu diesem Problem mit der Content Authenticity Initiative, die wir zusammen mit Twitter und der New York Times ins Leben gerufen haben.

Was hat man sich darunter vorzustellen?

Vereinfacht gesagt, ist es das Ziel der Initiative, die Produzenten von Inhalten in die Lage zu versetzen, ihre Urheberschaft zu sichern und Nutzer darüber zu informieren, wie der Inhalt verändert wurde, sodass jeder für sich entscheiden kann, welcher Inhalt vertrauenswürdig ist.

Photoshop ist zum Synonym geworden für Bildbearbeitungssoftware - warum?

Die besten Produkte sind solche, die es geben muss. Sie sind unverzichtbar, wenn sie auf den Markt kommen. Als die Bilder digital wurden, war es unvermeidlich, dass Menschen sie gerne verbessern, erweitern und digital verändern würden. Photoshop gab diese Möglichkeit jedem, der einen Computer besaß. Es war das richtige Werkzeug zur richtigen Zeit.

Wie konnte Photoshop so lange technisch führend bleiben?

Photoshop blieb erfolgreich, weil es sich stets an die Evolution der digitalen Fotografie angepasst hat. Das Entwicklerteam verbringt viel Zeit damit zu beobachten, was visuelle Künstler tun, wohin sich die Technologie entwickelt, und damit, neue Fähigkeiten vorherzusehen, die nötig sind, um diese Entwicklung zu unterstützen.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Ja, etwa die Entwicklung von Photoshop auf dem iPad. Darin spiegelt sich das Zusammenwachsen zweier Trends. Erstens, dass Kreativität in modernen Unternehmen sehr wichtig geworden ist. Kreativprofis brauchen heute die Flexibilität, überall zu arbeiten. Gleichzeitig hatte sich die Technologie einer mobilen Plattform wie des iPads so stark verbessert, dass man darauf nun eine ressourcenintensive App wie Photoshop laufen lassen kann.

Und ist das erfolgreich?

Wir haben Photoshop fürs iPad im letzten Herbst eingeführt, und ja, wir registrieren, dass es viel verwendet wird.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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