Digital-Fasten:"Viele fühlen sich fremdbestimmt"

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Endlose Social-Media-Feeds, endlose Vergleiche mit anderen: Wissenschaftsautorin Catherine Price will Menschen helfen, das Handy wegzulegen.

Interview von Julia Hippert

Catherine Price ist Wissenschaftsautorin und will Menschen helfen, weniger Zeit mit ihren Smartphones zu verbringen. Sie hat ein Buch darüber geschrieben ("Endlich abschalten", Rowohlt). Auf ihrer Webseite bietet sie auch eine "Beziehungstherapie" an: Beratung für eine bessere Beziehung zwischen Mensch und Handy.

SZ: Frau Price, mit welchen Wünschen kommen die Menschen zu Ihnen?

Catherine Price: Die meisten wollen aufhören, gedankenlos durch Social-Media-Feeds zu scrollen. Sie wollen aufhören, ihre Zeit am Smartphone zu verschwenden. Viele fühlen sich fremdbestimmt, so als seien sie gar nicht im Hier und Jetzt, sondern geistig abwesend. Aber viele wissen nicht, wie sie aufhören sollen. Die Feeds sind so aufgebaut, dass wir weiter scrollen müssen. Es liegt in der menschlichen Natur, dass wir Dinge zu Ende bringen wollen. Aber diese Feeds haben kein Ende.

Warum fesseln uns diese Apps so sehr?

Viele von ihnen wenden dieselben Mechanismen an wie Glücksspielautomaten. Sie lösen die Ausschüttung von Dopamin aus. Dopamin führt dazu, dass wir Dinge, die wir als positiv empfinden, wieder tun. Hinzu kommen die Farben, in denen die Apps designt sind; die Bestätigung durch Likes, dass wir etwas Neues und vielleicht Aufregendes erfahren - all das empfinden wir als positiv. Instagram gewährt uns außerdem Einblick in das Leben anderer Menschen. Das befriedigt unsere Neugier. Menschen sind nun mal soziale Wesen. Wir wollen Bestätigung, uns mit anderen vergleichen. Darauf sind diese Apps ausgelegt.

Warum sind die Apps so gebaut?

Je mehr Zeit wir zum Beispiel auf Instagram verbringen, desto mehr Informationen können über uns gesammelt werden. Umso wahrscheinlicher ist es, dass wir auf unsere Interessen abgestimmte Werbeposts angezeigt bekommen, auf die wir auch klicken und. Wir sind nicht die Kunden, wir sind das Produkt. Am Ende sind die Nutzer - also unsere Daten - die Ware, mit der Facebook Geld verdient. Das Unternehmen vermarktet an Werbekunden, was es über seine Nutzer weiß. So können diese ihre Werbung viel gezielter und effektiver platzieren. Wir sind das, was den Wert von Facebook ausmacht.

Warum nehmen wir das Smartphone so oft zur Hand?

Manchmal nimmt man das Handy ja wirklich zur Hand, weil man in diesem Moment etwas nachschauen will oder muss. Manchmal ist man auch in einer Situation, in der alle anderen Menschen um einen herum auch auf ihr Smartphone starren. Meist sind es aber Gefühle, die uns dazu verleiten, nach dem Telefon zu greifen. Man ist gelangweilt oder macht sich Sorgen, ist frustriert oder fühlt sich einsam.

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Was kann man dagegen tun ?

Ist man müde und braucht eine Pause, kann man einmal um den Block gehen. Wer sich einsam fühlt, kann einen Freund oder eine Freundin anrufen. Wer sich Sorgen macht wegen etwas, muss vielleicht dreimal tief durchatmen und sich überlegen, wie er oder sie die Situation lösen kann. Vielleicht kommt man auch zu dem Schluss, dass man gar nichts machen will. Und das ist auch okay. Denn manchmal muss man sich auch den Raum geben zu denken und neue Ideen zu haben. Wenn wir unser Gehirn konstant mit Informationen vollstopfen, haben wir keine Luft mehr für eigene Ideen.

Solche Tricks helfen vielleicht kurzfristig. Aber wie schafft man es langfristig, weniger Zeit am Smartphone zu verbringen?

Man kann eine schlechte Gewohnheit nur ändern, wenn man sich ihrer bewusst ist. Und man muss eine Alternative haben, die man anstelle der schlechten Gewohnheit lieber tun würde. Wenn man also nach seinem Smartphone greift, sollte man sich fragen, warum man gerade in diesem Moment das Handy in die Hand nehmen will.

Warum gehen die großen Tech-Unternehmen wie Google und Apple zunehmend auf den Wunsch der Menschen ein, weniger Zeit am Handy zu verbringen, obwohl sie je gerade Geld verdienen, wenn Menschen häufiger und länger am Smartphone sind?

Ich glaube es ist ein Zusammenspiel verschiedener Dinge: Der Druck durch die Kunden ist höher und die Unternehmen spüren das. Außerdem haben sie Angst vor einer strengeren Regulierung durch den Gesetzgeber, zum Beispiel Vorgaben, welche Informationen sie über ihre Nutzer sammeln und weitergeben dürfen. Also regulieren sie sich lieber selbst. Sicher wollen die großen Tech-Unternehmen auch vermeiden, dass die Leute ihre Produkte gar nicht mehr nutzen. Also geben sie ihnen lieber Hilfsmittel an die Hand, um ihren Konsum etwas einzuschränken. Mittlerweile sind die Tech-Unternehmen ja in einen regelrechten Wettstreit darum getreten, wer am meisten für das Wohlbefinden seiner Kunden tut.

Soll man das Handy denn jetzt gar nicht mehr in die Hand nehmen?

Nein, natürlich nicht! Man kann ja auch zu dem Schluss kommen, dass man das Handy zur Hand nimmt, weil man gerade einfach nichts anderes machen will. Das ist auch okay. Das Ziel ist nicht, dass man sein Handy gar nicht mehr benutzt, sondern dass wir uns bewusst dafür entscheiden, es zu nutzen.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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