Internetunternehmen und US-Regierung:Die Party ist vorbei

Internetunternehmen und US-Regierung: Dinner mit Obama 2011: Die Distanz zwischen Regierung und Silicon Valley wächst. Im Bild: Der US-Präsident im Gespräch mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg

Dinner mit Obama 2011: Die Distanz zwischen Regierung und Silicon Valley wächst. Im Bild: Der US-Präsident im Gespräch mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg

(Foto: The White House)

Vor zwei Jahren feierte die Elite des Silicon Valley noch gemeinsam mit Barack Obama. Die Zeiten sind vorbei: Die Technikkonzerne sind erzürnt über die Geheimhaltung im Prism-Überwachungsskandal. Eine Allianz aus 63 Firmen und Bürgerrechtsgruppen wendet sich nun in einem Appell an die Regierung. Sie soll endlich mehr Transparenz schaffen.

Von Pascal Paukner

Vor zweieinhalb Jahren, an einem Donnerstag im Februar 2011, schien die Welt noch in Ordnung. Der Präsident feierte mit der amerikanischen Technologie-Elite. Es gab Weißwein, Häppchen und nette Fotos. Die Anliegen amerikanischer Technikunternehmen, so schien es, waren nun in der Machtzentrale der Vereinigten Staaten von Amerika angekommen.

Jetzt, Jahre und einen Spionageskandal später, ist von der allgemeinen Weinseligkeit nur noch wenig übrig. Die Party ist vorbei. Stattdessen unterhält man sich zwischen Washington und dem Silicon Valley jetzt wieder recht distanziert - per Brief. Viele sind in den vergangenen Wochen bereits verschickt worden. Und es dürfte noch eine Weile so weitergehen.

Am Donnerstag nun kommt das bislang wichtigste Schriftstück bei der Regierung in Washington an. Eine Bittschrift von 63 Unterzeichnern. Darunter sind nicht wenige Vertreter der Unternehmen, die vor einiger Zeit bei Barack Obama zu Abend speisten: Apple, Google, Microsoft, Facebook, Yahoo und Twitter haben nicht nur unterschrieben. Der Brief, aus dem das Technologieblog All Things D vorab zitiert, ist Zeugnis einer ohnmächtigen Wut.

Details über Prism sind weiter unklar

Seit Wochen stehen die Internetunternehmen wegen den Prism-Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden am Pranger. Ihnen wird vorgeworfen, allzu bereitwillig mit dem Militärnachrichtendienst NSA kooperiert zu haben. Doch wie genau die Kooperation im Einzelfall abgelaufen ist, in welchem Umfang und in welcher Form die Behörden auf die Daten von Internetnutzern zugreifen konnten, darüber gibt es noch immer widersprüchliche Angaben. Schuld an der mangelnden Transparenz, sagen die Unternehmen, seien aber nicht sie, sondern die amerikanische Regierung, die mit ihren Geheimgesetzen die Wirtschaft zum Schweigen verpflichtet.

Und genau damit soll Schluss sein. In dem neuen Brief fordert eine Allianz aus Unternehmen, Investoren, Non-Profit- und Handelsorganisationen die Regierung und den Kongress auf, Technikfirmen von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Internet-, Telefon- und Webunternehmen sollen Informationen über Regierungsanfangen künftig detailliert und regelmäßig veröffentlichen dürfen. Selbst dann, wenn es sich um Anfragen handelt, welche die "nationale Sicherheit" der USA betreffen.

Internetunternehmen erhöhen den Druck weiter

Der Brief markiert eine weitere Eskalationsstufe im zunehmenden Zerwürfnis zwischen Regierung und Technikindustrie. Am für die Überwachungsaktionen der Geheimdienste zuständigen Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) sind mehrere Klagen gegen Prism anhängig. Eine erste Entscheidung in einem von Yahoo beantragten Verfahren fiel am Montag bereits zu Ungunsten der Regierung aus. Justizminister Eric Holder muss auf Anordnung des Gerichts bis Monatsende prüfen, welche Informationen über ein Geheimverfahren aus dem Jahr 2008 er veröffentlichen lässt. Yahoo soll sich damals gegen staatliche Überwachungsexszesse gewehrt haben.

Internetunternehmen und US-Regierung: Hoch die Gläser! Der Dinner mit Obama vor zwei Jahren

Hoch die Gläser! Der Dinner mit Obama vor zwei Jahren

(Foto: The White House)

Es ist eine erste juristische Niederlage für die US-Regierung im Prism-Skandal, wahrscheinlich aber nicht die letzte. Auch Microsoft und Google haben neben einer ganzen Reihe von Bürgerrechtsorganisationen vor dem FISC Klage eingereicht. Sie wollen erreichen, dass sie ihren Nutzern über das Ausmaß der Überwachung detailliert Auskunft geben dürfen. Um dem Anliegen an Nachdruck zu verleihen, hat Microsofts Chefjustiziar am Dienstag einen Brief an Justizminister Holder veröffentlicht. Darin fordert er ihn auf, Microsoft die Datenfreigabe zu ermöglichen. Eine Reaktion steht noch aus, wie so oft in diesen Tagen.

Spannend dürfte auch sein, was sich hinter den Kulissen abspielt. So machtlos, wie es derzeit wirkt, sind die Konzerne freilich nicht. Allein Google hat im vergangenen Jahr seine Ausgaben für Lobbyismus in den Vereinigten Staaten um sieben auf 16 Millionen US-Dollar gesteigert. Ein Trend, der laut einer Studie des Mercatus Zentrums für die gesamte Branche gilt. Neben Anliegen wie einer unternehmensfreundlicheren Steuer- oder Einwanderungspolitik engagieren sich die Konzerne in Washington dem Vernehmen nach auch in netzpolitischen Fragen. Facebook etwa versucht laut eigenen Angaben in der Politik mitzumischen, wenn es um Gesetzgebung zu Sicherheit und Privatsphäre im Netz geht. Auch kämpft das soziale Netzwerk gegen das unter Netzaktivisten verhasste Urheberrechtsabkommen CISPA, engagierte sich auch gegen die verwandten Vertragsvorhaben SOPA und PIPA.

Beim Vorgehen gegen die US-Regierung können die Unternehmen auf die Unterstützung mehrerer Bürgerrechtsorganisationen zählen. Neben zahlreichen Internetunternehmen fordern auch die Electronic Frontier Foundation, Human Rights Watch oder Reporter ohne Grenzen die Regierung auf, die Geheimhaltungspflicht zu lockern. Sie hatten sich auch schon früher gegen eine bürgerrechtsfeindliche Netzpolitik ausgesprochen. Jetzt kämpfen sie mit den Konzernen gegen die Politik der Regierung. Die Allianz kommt spät. Wenn alles in der Geschwindigkeit wie bisher läuft, wird es ein langer Kampf werden. Da hilft wahrscheinlich auch kein Abendessen mehr.

Linktipp: Wer den Überblick über die zahlreichen Verfahren behalten will, welche rund um die NSA-Überwachung stattfinden, kann dies mit dem NSA Surveillance Lawsuit Tracker von ProPublica tun.

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