Internetfreiheit:Kampf den Hinterzimmern

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Politische Geheimverhandlungen könnten das Internetrecht fundamental verändern und Provider weltweit dazu zwingen, Nutzer auszusperren. Nun beginnt das EU-Parlament, sich zu wehren.

Das Europaparlament hat die EU-Kommission vor Alleingängen beim geplanten internationalen Abkommen gegen Produktpiraterie gewarnt. Die EU-Volksvertretung müsse in die Verhandlungen einbezogen werden, verlangten die Abgeordneten am Mittwoch in einer Entschließung, die mit 633 zu 13 Stimmen angenommen wurde.

Zugleich lehnten sie die in dem Abkommen geplanten Internetkontrollen strikt ab. Das ACTA (Anti Counterfeiting Trade Agreement) genannte Abkommen soll den internationalen Kampf gegen Produktpiraterie und Verletzungen des Urheberrechts verstärken. Bereits seit etwa drei Jahren verhandeln die Industrienationen darüber, die Gespräche finden jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Die Kritik der Abgeordneten entzündete sich an dieser Hinterzimmerpolitik und einem vertraulichen Papier des EU-Ministerrats, in dem die Positionen der EU und der USA für die Verhandlungen über das internationale Abkommen aufgelistet sind. In dem Schriftstück wird auch die Möglichkeit von Internet-Sperren erwähnt, um mutmaßlichen Raubkopierern das Handwerk zu legen.

"Hilfssheriffs wirtschaftlicher Interessen"

Gerichte oder Behörden sollen laut dem Positionspapier das Recht haben, "den Provider aufzufordern, eine Urheberrechtsverletzung zu beenden oder ihr vorzubeugen". Zudem behält sich die EU-Seite vor, "Verfahren zu etablieren, die den Entzug oder die Sperrung des Informationszugangs regeln".

Bei einer solchen Regelung würden Provider "quasi zu Hilfssheriffs von wirtschaftlichen Interessen", warnte der SPD-Abgeordnete Bernd Lange. Gleichzeitig werde in den "Verhandlungen hinter verschlossenen Türen" auch die Durchsuchung von Laptops und anderen technischen Geräten an Grenzen ins Auge gefasst. Dies werde das Parlament nicht hinnehmen, betonte der SPD-Politiker. Der freie Internetzugang sei ein Grundrecht.

"Wir lehnen den Kampf gegen Produktpiraterie keinesfalls ab", betonte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary. Im Jahre 2008 seien 178 Millionen gefälschte Produkte an den EU-Grenzen beschlagnahmt worden, darunter über 20 Millionen wegen Sicherheitsmängeln gefährliche Objekte. Die Kommission müsse dem Parlament aber alle Unterlagen über die ACTA-Verhandlungen vorlegen.

Der belgische EU-Handelskommissar Karel de Gucht hatte die Haltung der Kommission in der Debatte verteidigt: Der Rat habe der Kommission das Verhandlungsmandat gegeben, zudem sei er an eine Stillschweigeklausel gebunden. Den Entwurf des Abkommens könne er dem Parlament erst präsentieren, wenn die anderen Verhandlungspartner ihre Zustimmung dazu erteilt hätten.

Das Europaparlament hatte bereits im November 2009 im Telekommunikationspaket durchgesetzt, dass Internetsperren nur aufgrund eines Gerichtsbeschlusses möglich sind. Seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags Anfang Dezember hat das Straßburger Parlament ein Mitspracherecht bei Abkommen mit Drittländern.

"Wir haben neue Rechte"

"Wir haben neue Rechte und verlangen, dass diese respektiert werden", sagte die französische Konservative Tokia Saifi. Erst im Februar hatte das Parlament das umstrittenes SWIFT-Abkommen der EU mit den USA zum Transfer von Bankkundendaten zu Fall gebracht.

Das ACTA-Abkommen soll den weltweiten Kampf gegen gefälschte Arzneimittel oder Datenklau erleichtern. An den Verhandlungen beteiligen sich außer der EU unter anderem Australien, Mexiko, Japan, die USA und Südkorea. Die nächste Runde ist ab April in Neuseeland geplant.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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