Internet- und Techniktrends:Die digitale Agenda 2010

Diese Trends aus Internet und Technik werden im kommenden Jahr eine entscheidende Rolle spielen: Ein Überblick von App bis Zuse.

Dirk von Gehlen

Es ist erst 15 Jahre her, dass mit der Erfindung des World Wide Web das Internet auch für Menschen benutzbar wurde, die keine Computerexperten sind. Mehr und mehr beeinflussen die Entwicklungen der digitalen Welt das Leben der Menschen in der realen Welt. Als wichtigster Trend schält sich heraus, dass die Menschen der Zukunft in weit höherem Maß ständig online sein werden als heute. Mobiltelefone wie das iPhone sind längst Minicomputer, bei denen das Telefonieren zur Nebensache geworden ist. Und es entstehen neue Geräte, die die Lücken zwischen den heute bekannten auffüllen sollen sowie neue Online-Dienste. Dieses ABC erklärt Begriffe und Strömungen, die das digitale Leben zukünftig bestimmen werden.

Internet- und Techniktrends: Verheißungsvolle Zukunft: Tablet PCs sollen die Lücke zwischen Smartphone und Latop schließen

Verheißungsvolle Zukunft: Tablet PCs sollen die Lücke zwischen Smartphone und Latop schließen

(Foto: Foto: iStock)

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Von Apps bis Datenschutz

Apps

Die Bedeutung von Apps (engl. Abkürzung für Anwendung) erkennt man am besten, wenn man den aktuellen iPhone- Werbespot anschaut, der ausschließlich von Apps handelt. Nicht die technische Qualität des Telefons wird beworben, sondern nur die Bandbreite der Anwendungen, die aus dem Telefon Taschenlampe, Stauwarner oder Spiele-Konsole machen; dieses Konzept ist so erfolgreich, dass über den App-Store schon mehr als zwei Milliarden der kleinen Programme vertrieben wurden. Und jetzt greift die App-Idee auch auf andere Branchen über. So hat Ford angekündigt, seinen Bordcomputer für Dritt-Entwickler zu öffnen, die dann auch Apps für das Auto programmieren können.

Bing

Die Klage über Google und dessen sich ständig mehrende Marktmacht wird auch 2010 nicht leiser werden. Wer der Empörung eine Tat folgen lassen will, sollte auf den Rat des Director of Community Development der hinter dem Browser Firefox steckenden Firma Mozilla hören: Asa Dotzler hat vor kurzem zur Nutzung von Microsofts Suchmaschine Bing geraten - um Google nicht alle Daten zu überlassen.

Cloud Computing

Die Zukunft liegt in den Wolken. Denn als Wolken, englisch Clouds, werden Zusammenschlüsse von Computern bezeichnet, die man übers Internet erreicht und die stationäre Server ersetzen sollen. Im Kleinen funktioniert Cloud-Computing wie ein E-Mail-Dienst im Browser. So lässt sich im Großen Geld sparen, loben die Freunde dieser Idee. Skeptiker weisen darauf hin, dass auch die Kontrolle über eigene Daten verlorengeht.

Datenschutz

Es betraf den Buchhändler Libri, das Netzwerk SchülerVZ und die Deutsche Bahn - in den vergangenen zwölf Monaten waren die Nachrichten voll von Datenskandalen und hatten eines alle gemeinsam: Unternehmen waren nicht sachgemäß mit den Daten ihrer Kunden oder Mitarbeiter umgegangen. Da nicht anzunehmen ist, dass sich dies 2010 ändert, bedarf es einer neuen Datenschutz-Sensibilität.

Von Echtzeit-Internet bis HD

Echtzeit-Internet

"Was passiert gerade?" ist die zentrale Frage dessen, was 2010 weiter an Bedeutung gewinnen wird: das Echtzeit-Internet, jene an der minutengenauen Aktualität orientierte Vernetzung von Computern und Menschen. An deren wachsenden Bedeutung wollen die großen Internet-Konzerne teilhaben. Deshalb werden Google und Microsoft die Inhalte des größten Echtzeit-Anbieters Twitter künftig in ihre Suchmaschinen integrieren.

Freunde

Jenseits von der philosophischen Bedeutung von Freundschaften für das menschliche Leben wird die Verbindung von Menschen zu einem entscheidenden Auswahlkriterium für das, was wir als wichtig oder unwichtig ansehen. Das Freundesnetz wird zum glaubwürdigen Hinweisgeber im unübersichtigen digitalen Raum. Der Medienpädagoge Josef Röll spricht deshalb von der "Stärke schwacher Beziehungen", die sich beständig ausweiten wird.

Goggles

Nein, das ist kein Tippfehler. Es geht um den vom englischen Glotzen abgeleiteten Begriff Goggle. Der neue Dienst Goggles will die Idee vom Suchen und Finden verändern: Wer ein Buchcover, eine Sehenswürdigkeit oder auch einen Strichcode fotografiert, soll mittels der neuen Suche fündig werden.

HD

Die Abkürzung für High Definition schmückt jeden akzeptablen Camcorder. Bedeutsam ist das Kürzel allerdings im Namen der Flip-Kameras der zu Cisco gehörenden Pure Digital Technologies. Die kleinen Geräte wollen für das Bewegtbild das werden, was der iPod für die Musik längst ist - der Standard.

Von Internetzeit bis Mobil

Internetzeit

Ende der neunziger Jahre erfand ein Uhrenhersteller diesen Begriff, um damit eine eigene Zeitrechnung zu beschreiben. Heute umschreibt man mit dieser Vokabel die Verweildauer im Netz - und die verbringen immer mehr Menschen in sozialen Netzwerken. Das haben Marktforscher ermittelt.

Journal

In Zukunft lesen wir Magazine auf sogenannten Tablet PCs und E-Readern. Das jedenfalls wünschen sich Sports Illustrated und das schwedische Verlagshaus Bonnier, die Ende 2009 zeigten, wie sich Bewegtbild, Touchscreen-Technologie und herausragende Fotografie im Magazin der Zukunft treffen. So sollen die neuen elektronischen Journale quasi nebenbei die Tür zum sogenannten Paid Content öffnen - und Leser davon überzeugen, für digitalen Inhalt zu bezahlen.

Kurz-Kommunikation

Alles geht schneller, auch das Bloggen. Entweder weil es - wie bei Twitter - weniger Platz gibt (140 Zeichen) oder weil die Dienste einfacher und reduzierter sind als ihre Vorgänger: Posterous, Tumblr oder Soup.io gelten als die bekanntesten Vertreter der neuen Generation.

Light

Feather will YouTube schlanker und schneller machen als die Vollversion des Videoportals. Dafür werden unter anderem Clips nur in geringerer Qualität angezeigt. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch die leichte Version des Netzwerks von Mark Zuckerberg, das auch 2010 weiter wachsen wird: Facebook lite ist somit vermutlich auch Vorbild für andere Webseiten.

Mobil

Das Internet wird mobil und eröffnet so zahlreiche Möglichkeiten der ortsbezogenen Nutzung. Das entsprechende Schlagwort lautet "augmented Reality" (erweiterte Realität) und bezeichnet Dienste, die die Wirklichkeitswahrnehmung mittels Computerprogrammen erweitern. Eines der Beispiele dafür ist Wikitude der österreichischen Firma Mobilty.

Von Nobelpreis bis Rechtsfreier Raum

Nobelpreis

Wenn es nach Chris Anderson geht, soll der Friedensnobelpreis auch im kommenden Jahr Staunen hervorrufen. Der Chefredakteur des Magazins Wired hat die Seite internetforpeace.org ins Leben gerufen und schlägt darin das Internet für die große Auszeichnung vor.

Olivennes

Was tun gegen Internetpiraterie? Mit dieser Frage betraute Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy 2007 den damaligen Chef der Medienkaufhauskette Fnac. Denis Olivennes entwickelte ein besonders restriktives Vorgehen, das Internetpiraten nach dreimaligem Urheberrechtsverstoß den Netzzugang sperren will. Unlängst sprach sich auch der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann für dieses Modell aus.

Post

Früher wurden Informationen per Brief verschickt, es folgten Telegramm, Fax und relativ frisch die E-Mail. All das gilt 2010 als veraltet - das jedenfalls prognostizieren die Menschen, die an Dienste wie Google Wave glauben. Hier werden alle Kommunikationskanäle eines digital vernetzten Menschen zu sogenannten Wellen gebündelt: Mails, Tweets, Statusmeldungen und Blogposts auf einen Blick.

Rechtsfreier Raum

Begriffe und Formulierungen, die das Netz in Aufregung versetzen, bezeichnet man als Internet Meme. Meist sind es kurze Videoclips, Animationen oder Foren-Einträge, die das Interesse der Netz-Gemeinde auf sich ziehen. Zum langlebigsten Aufreger hat sich allerdings die Rede vom rechtsfreien Raum entwickelt. Meist sind es Politiker, die mit dem Satz "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein", gesetzliche Regeln für das Web fordern. Meist übersehen sie dabei, dass das Internet noch nie ein rechtsfreier Raum war und sie mit dem Satz quasi die Beitrittserklärung für den Club der Ahnungslosen unterschreiben. Leider steckt hinter dem Thema ein ernster Hintergrund: Die Frage nämlich, wie wir uns den digitalen Raum in Zukunft vorstellen. Stärker reguliert oder freiheitlich organisiert wie auch der ganz und gar nicht rechtsfreie Raum außerhalb des Netzes?

Von Stream bis Zuse

Stream

Glaubt man einer Studie aus Großbritannien, wird Musik nicht mehr aus dem Internet geladen, sondern gestreamt. Der wichtige Unterschied dabei: Wer Songs streamt, besitzt diese nicht und wird sie vielleicht später kaufen. Auf diese Idee setzen die Portale Spotify und Vevo, die beide als der große Heilsbringer für Musik im Netz gelten. In Deutschland kann man das offiziell noch nicht beurteilen, weil sie bei uns noch nicht funktionieren.

Tablet PC

Die Idee ist nicht so neu, als dass die Aufregung um einen mit Stift oder Berührung zu steuernden, tragbaren Kleincomputer nachvollziehbar wäre. Bereits in den späten achtziger Jahren versuchten sich Hersteller an solchen Modellen. Und doch erwarten alle für das Jahr 2010 den Durchbruch der sogenannten Tablet PCs, die die Lücke zwischen vollwertigen Rechnern (stationär oder Laptop) und Smartphones schließen sollen.

URL-Shortener

Für die einen ist es Unsinn, für die anderen das große Geschäftsfeld der Zukunft: Die Rede ist von auf wenige Stellen verkürzte Zeichenketten, die sehr viel längere Webadressen ersetzen und auf diese weiterleiten. Der Kampf um diese URL-Shortener hat gerade erst begonnen.

Verfassung

Der schwedische Europa-Abgeordnete Christian Engström möchte dem Internet eine Verfassung geben. Gemeinsam mit der grünen Fraktion im Europa-Parlament hat das Mitglied der Piratenpartei einen Vorschlag ausgearbeitet, der die Europäischen Konvention der Menschenrechte aufs Netz übertragen will.

Where 2.0

Tim O'Reilly, der Mann, der den Begriff Web 2.0 erfunden hat, hält 2010 eine Konferenz unter dem Titel Where 2.0 zu ortsbasierten Diensten ab. Der Titel ist ein gut gewähltes Wortspiel: Where 2 spricht sich aus wie where to, also: wohin?

Zuse

Der Geburtstag des Computererfinders Konrad Ernst Otto Zuse jährt sich 2010 zum 100. Mal. Zuse, 1995 gestorben, entwickelte 1941 den ersten funktionsfähigen Digitalrechner.

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