Internet-Sperren für Kinderpornos:"Ein Anruf genügt"

Die Internet-Sperren für Kinderpornographie kommen schneller als erwartet - dabei könnte man viele Webseiten auch direkt vom Netz nehmen.

Anna Fischhaber

Die Kinderpornographie im Internet boomt, die Opfer werden immer jünger. Das Bundeskriminalamt unterzeichnet deshalb am Freitag mit den fünf großen Internetanbietern, die 75 Prozent des Marktes bedienen, Verträge über Internetsperren für Seiten mit kinderpornographischen Inhalten. Erste Sperren könnten dann schon bald kommen - auch wenn diese unter Experten durchaus umstritten sind.

Internet-Sperren für Kinderpornos: Er gilt als deutscher Pionier für Strafverfolgung von Kinderpornographie im Internet: Der Hallenser Oberstaatsanwalt Peter Vogt.

Er gilt als deutscher Pionier für Strafverfolgung von Kinderpornographie im Internet: Der Hallenser Oberstaatsanwalt Peter Vogt.

(Foto: Foto: dpa)

Datenschützer befürchten, dass die neuen Stopp-Schilder ein Einfallsfallstor für staatliche Kontrollen im privaten Internet-Verkehr schaffen. Eine Reihe von Bloggern hat sich in den vergangenen Wochen die Sperrlisten anderer Länder angesehen und diese ausgewertet. Das gemeinsame Ergebnis ist: Die meisten der dort aufgelisteten Webseiten werden in Ländern gehostet, wo es ein leichtes wäre, strafbare Inhalte direkt vom Netz zu nehmen.

"Eine Verfolgung ist fast überall möglich", schreibt etwa Florian Walther von Scusiblog. Das Argument der Regierung, man bräuchte die Sperren, weil Kinderpornos oft aus Ländern kommen, in denen diese nicht strafbar seien, wäre damit falsch.

Christian Bahls, Gründer des Vereins für Missbrauchsopfer Gegen Internetsperren (Mogis), spricht von einer "schleichenden Internetzensur" - und fühlt sich von der Regierung als Galionsfigur missbraucht. "Anstatt den Usern mit Sperren Scheuklappen aufzusetzen, sollte man lieber mit den bestehenden Gesetzen die Inhalte strafrechtlich verfolgen", erklärt Bahls gegenüber sueddeutsche.de.

Nachdem die deutsche Sperrliste eng an der norwegischen angelehnt werden soll, hat der Mathematiker untersucht, wo die von der norwegischen Polizei gesperrten Seiten ansässig sind. "Die meisten befinden sich in den USA und der Europäischen Union, mit denen Deutschland ein Rechtshilfeabkommen abgeschlossen hat", sagt Bahls. Es sei damit durchaus möglich sie abzuschalten. "Ein Anruf würde genügen, um sie aus dem Netz zu nehmen. Und wenn man gegen die Verbreiter vorgeht, erwischt man vielleicht sogar die Produzenten der Kinderpornos."

"Eklatanter Mangel an internationaler Kooperation"

"Wie kann es eigentlich passieren, dass in einem Land A, in dem Kinderpornographie verboten ist, auf Dauer Angebote weiter existieren können, die in Land B schon polizeibekannt geworden sind und daher dort gesperrt werden?", fragt Rochus Wessels, ein Leser des Scusiblog.

Er hat eine Auswertung mit Tabellen gemacht, seine Folgerungen klingen plausibel: Wenn es sich bei Land A um die USA handelt, in denen Kinderpornographie innerhalb von ein bis drei Tagen entfernt wird, kann man ausschließen, dass die Behörden trotz der Kenntnis solcher Seiten untätig geblieben sind, schreibt er.

"Haben also die Behörden in Land B versäumt die Behörden in Land A in Kenntnis zu setzen?", fragt Wessels und liefert die Antwort gleich mit: "Dann zeugt dies von einem eklatanten Mangel an internationaler Kooperation, der umgehend beseitigt werden sollte. Gilt das Problem mit der Sperre in Land B als erledigt, behindert die Sperre eher den Kampf gegen Kinderpornographie."

Wenn dagegen die Einstufung als kinderpornographisch in Land B zu Unrecht erfolgt wäre, heißt es weiter, waren sämtliche Befürchtungen von Sperrungsgegnern völlig berechtigt

"Wir haben es mit Computer-Laien zu tun"

Die Regierung lässt sich von solchen Einwänden offenbar nicht beirren. Voraussichtlich am Mittwoch kommender Woche will das Bundeskabinett ein neues Gesetz auf den Weg bringen, mit dem langfristig die Sperren im Web für alle Provider geregelt werden. Das schmutzige Geschäft mit sexueller Gewalt gegen kleine Kinder wird damit keineswegs beendet sein. Aber für viele tausend User, die täglich auf der Suche nach Kinderpornos im Internet unterwegs sind, soll der Zugang erschwert werden.

"Zensur wird damit salonfähig"

Peter Vogt hält solche Sperren für überfällig. Der Hallenser Oberstaatsanwalt gilt als deutscher Pionier für Strafverfolgung von Kinderpornographie im Internet. "Die Sperren sind aber nur eine Säule bei der Bekämpfung der Kinderpornographie", sagt allerdings auch Vogt. Hauptanliegen der Ermittler sei es nach wie vor, den Tätern das Handwerk zu legen. "Erst dann kommen die Verbreiter und die Nutzer."

Kritik an den leicht zu umgehenden Sperren, die nur naive Internetnutzer abhalten würden, weist Vogt zurück: "Wir haben es vor allem mit Computer-Laien zu tun." Bei seinen Ermittlungen in den vergangenen zehn Jahren sei er nur auf zwei kryptographierte Rechner gestoßen. "Und wenn man mit den Sperren nur einen User abhalten kann, haben sie sich schon gelohnt."

Das Datenvolumen, um das es bei den Kinderpornos im Internet geht, ist enorm: Allein in Sachsen-Anhalt warten 41 Terabyte mit 364.000.000 Bildern auf eine Auswertung. Schätzungen zufolge gibt es bis zu 450.000 Seiten mit kinderpornographischem Inhalt in Deutschland, die täglich angeklickt werden. In nur zehn Tagen habe eine Seite mit Kinderpornos mehr als 49.000 Klicks gemacht, erzählt Vogt.

Ihm gehen die Sperren deshalb nicht weit genug: "Die User werden darauf hingewiesen, dass das Herunterladen kinderpornographischer Bilder illegal ist", erklärt Vogt. "Muss dann der Provider nicht solche Straftaten auch melden?" Doch dagegen wehren sich die Internetanbieter bislang.

Im Bundestag hat das Gesetz gute Chancen

Mit dem Vertrag verpflichten sich die Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und Telefonica/O2 nun, die vom BKA täglich aktualisierten Listen mit etwa 1000 Internet-Seiten mit Kinderpornos zu sperren. Wer auf diese Seiten kommt, soll künftig ein standardisiertes Stopp-Schild sehen.

Technisch ist das kein Problem. Die Provider selbst sorgen dafür, dass die Seiten gesperrt werden. Die Kosten sind überschaubar. Die Haftung für Fehlsperren - wenn also keine Porno-Seite, sondern aus Versehen ein völlig legaler Internet-Anbieter blockiert wird - übernimmt das BKA.

Für Familienministerien Ursula von der Leyen von der CDU ist die Bekämpfung der Gewalt gegen kleine Kinder im Internet die letzte große Reform aus ihrem Haus vor der Bundestagswahl. Der Widerstand, den es dagegen aus der SPD gab, ist inzwischen weitgehend verstummt. Grüne, FDP und Linke sind skeptisch, ob von der Leyens Initiative wirksam ist. Ob sie dagegen votieren, ist noch offen.

Und so stehen die Chancen inzwischen gut, dass das Gesetz gegen die Datenautobahn für Kinderpornographie bis zum Herbst in Kraft tritt.

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