Internet-Schwarzmarkt Silk Road:Vom Drogenfahnder zum Schwerkriminellen

Internet-Schwarzmarkt Silk Road: Crystal Meth gilt als eine besonders gefährlich Droge. Nun ist der Kripo Erding ein wichtiger Fahndungserfolg gelungen.

Crystal Meth gilt als eine besonders gefährlich Droge. Nun ist der Kripo Erding ein wichtiger Fahndungserfolg gelungen.

(Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)
  • Zwei US-Agenten, die eigentlich den Betreiber der illegalen Drogenbörse Silk Road festsetzen sollten, haben während der Ermittlungen in die eigene Tasche gewirtschaftet.
  • Sie sollen Bitcoins im Wert von über einer Million Dollar gestohlen, erpresst und auf private Konten abgezweigt haben.
  • Einer der Fahnder verkaufte interne Informationen über den Stand der Ermittlungen an den Kriminellen weiter, dem sein Arbeitgeber auf der Spur war.

Von Simon Hurtz

Hunderte Kilogramm illegaler Drogen, Tausende Dealer, Hunderttausende Käufer, 213 Millionen Dollar Umsatz in den letzten vier Jahren. Willkommen in der Silk Road, dem größten Umschlagplatz für so ziemlich alles, was man auf legalem Weg nicht bekommt. Wer Geld in die Krypto-Währung Bitcoin umtauschte und sich in die Tiefen des Dark Webs begab, konnte dort Heroin kaufen und mit Kinderpornografie oder gestohlenen Kreditkarten handeln, man fand Massenvernichtungswaffen, und sogar Auftragsmorde wurden angeboten.

Kein Wunder also, dass die Seite jahrelang im Visier amerikanischer Ermittler stand, bis diese 2013 schließlich den Betreiber Ross Ulbricht festsetzten. Zwar ging kurz nach seiner Verhaftung der Nachfolger Silk Road 2.0 online (dessen Gründer mittlerweile ebenfalls in Haft sitzt), doch Ulbricht nutzte das wenig: Er wurde im Februar 2015 in allen Anklagepunkten für schuldig befunden, jetzt droht ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe.

Eine Anklageschrift voll mit Skurrilitäten

Damit könnte die Geschichte eigentlich vorbei sein, doch was jetzt bekannt wurde, wirft ein neues Licht auf die Arbeit der Behörden. Am Montag wurden in San Francisco zwei ehemalige Ermittler festgenommen - und wenn die Anklageschrift ein Hollywood-Drehbuch gewesen wäre, hätte man es wohl als übertrieben skurril abgelehnt.

Carl Mark Force IV, Ex-Agent der amerikanischen Drogenbehörde und Shaun W. Bridges, ein früherer Geheimdienst-Mitarbeiter, haben offenbar ihr Insiderwissen über die Ermittlungen genutzt, um dabei in die eigene Tasche zu wirtschaften. Während der Vorwurf gegen Bridges noch vergleichsweise gewöhnlich klingt - er soll Bitcoins im Gegenwert von 800 000 Dollar gestohlen und auf sein privates Konto umgeleitet haben, anstatt sie offiziell zu beschlagnahmen - hat Force erstaunliche kriminelle Energie und Kreativität entwickelt.

Ein fiktiver Kokaindealer verspricht einen vermeintlichen Auftragsmord

Der 46-Jährige war seit 2012 Undercover-Agent in einer Task Force, die den Kopf hinter Silk Road identifizieren und dingfest machen sollte. Force gab sich deshalb als fiktiver Kokaindealer "Nob" aus, um mit Ulbricht - damals unter dem Decknamen "Dread Pirate Roberts" unterwegs - in Kontakt zu treten. Er versprach, einen Silk-Road-Mitarbeiter umzubringen, der Ulbricht als potenzieller Zeuge hätte gefährlich werden können.

All das war geplant und diente nur der Beweissammlung; das Honorar, das Ulbricht für den vorgetäuschten Mord zahlte, leitete Force an seine Arbeitgeber weiter. Doch Force war anscheinend auf den Geschmack gekommen: Anstatt die Verbindung zu Ulbricht abzubrechen, arbeitete er auf eigene Rechnung weiter. "Ohne Autorisierung legte sich Force zusätzliche Online-Identitäten zu und versuchte, sich durch zahlreiche illegale Aktivitäten einen persönlichen finanziellen Vorteil zu verschaffen", heißt es in einer Presseerklärung des US-Justizministeriums.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Force, interne Ermittlungsergebnisse verkauft zu haben. Er verschlüsselte seine Nachrichten, sodass seine Arbeitgeber nicht mehr erfuhren, worüber er mit Ulbricht sprach. Force bediente sich dabei unterschiedlicher Pseudonyme, und Ulbricht hatte keine Ahnung, dass hinter allen ein einziger Ermittler steckte.

Ross William Ulbricht

Ross William Ulbricht, 30, wie ihn der Gerichtszeichner bei seiner Verurteilung im Februar 2015 sah.

(Foto: AP)

Hinter drei Pseudonymen steckt ein krimineller Ermittler

In seiner Rolle als Nob - also jener Identität, die Force auch als Fahnder genutzt hatte - nahm er erneut Kontakt zum Silk-Road-Betreiber auf. Er überzeugte Ulbricht, dass er Beziehungen zu einem Maulwurf in Ermittlerkreisen habe, der ihn mit Informationen versorge. Für 525 Bitcoins, damals rund 50 000 Dollar, soll er Ulbricht Interna über die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zugespielt haben.

Für die Information, dass das Verteidigungsministerium Ulbrichts echten Namen erfahren hatte, kassierte Force 100 000 - allerdings zahlte Ulbricht das Geld nicht an Nob, sondern an "French Maid", ein weiterer Decknamen, den sich Force zugelegt hatte. Und noch hinter einem dritten Pseudonym soll Force stecken: Als "Death From Above" soll Force Ulbricht weisgemacht haben, dass er ein Freund von Curtis Green sei, jenem Silk-Road-Mitarbeiter, dessen Ermordung Ulbricht bei Nob in Auftrag gegeben hatte.

"Ich weiß, dass du etwas mit seinem Verschwinden zu tun hast", soll er Ulbricht gedroht haben. "Du bist ein toter Mann. Du entkommst mir nicht." Später forderte Force 250 000 Dollar von Ulbricht, andernfalls werde er dessen wahre Identität verraten. Einziger Schönheitsfehler: Zu diesem Zeitpunkt wussten die Ermittler noch nicht, wer sich hinter dem Pseudonym Dread Pirate Roberts verbarg; der Name, den Force enthüllen wollte, war also gar nicht der von Ulbricht. Der reagierte dementsprechend gelassen und weigerte sich zu zahlen.

Ein Anfängerfehler nach dem anderen

Das war nicht der einzige Fehler, den Force beging, während er als Undercover-Undercover-Agent in eigener Mission mit Ulbricht kommunizierte. Das amerikanische Magazin Vice beschreibt sein Vorgehen treffend als "Lehrstück, wie du es nicht anstellen solltest, wenn du multiple Identitäten im Dark Web nutzen willst, ohne erwischt zu werden". Force vergaß bei einigen seiner Nachrichten die Verschlüsselung; darunter auch ausgerechnet bei dieser, die er als "French Maid" an Ulbricht adressierte: "Ich habe dringende Informationen für dich. Bitte sag mir deinen PGP-Schlüssel." Darunter nicht sein Pseudonym, sondern sein echter Vorname: "Carl."

Wenige Stunden später erkannte er seinen Fehler und schickte eine weitere Nachricht. Der Betreff: "Whoops!" Force behauptete, hinter French Maid stecke in Wahrheit eine Frau namens Carla Sophia. Ob Ulbricht ihm die Erklärung abnahm, ist unklar. Klar ist aber, dass sich die Staatsanwaltschaft über diesen Beweis im Verfahren gegen Force freuen dürfte.

Ein Beweis, den es vermutlich gar nicht gebraucht hätte: Force nutzte als "French Maid" dieselbe, veraltete Verschlüsselungssoftware wie in seiner offiziellen Rolle als "Nob", er verschleierte die Zahlungseingänge der erpressten Bitcoins nur unzureichend, registrierte sich dabei teilweise mit Namen, Geburtsdatum, Bankverbindung und Mailadresse und brachte es sogar fertig, sich an einem Laptop der Drogenbehörde als "Death From Above" einzuloggen - obwohl dort ein Screen Recorder alle Aktivitäten als Video aufzeichnet. Kurzum: Wenn sich alle Agenten der Drogenbehörde bei ihrer offiziellen Ermittlertätigkeit so anstellen wie Force bei seinem Alleingang, muss Ulbrichts Nachfolgern nicht bange sein.

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