Internet: Regeln für ARD und ZDF:Die Lehre hinter den Leerformeln

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ARD und ZDF sollen bei ihrer Online-Expansion der Presse nicht zu nahe kommen, verfügen die Ministerpräsidenten - und wollen ihre neuen Medienregeln ganz schnell mit der EU-Kommission besprechen. Dabei bräuchte der Qualitätsjournalismus im Netz ganz neue Allianzen.

Hans-Jürgen Jakobs

Alle Wege führen nach Brüssel - an der europäischen Realität kommen auch die deutschen Ministerpräsidenten in ihrer Medienpolitik inzwischen nicht mehr vorbei. In der Vergangenheit war das anders: Für Fragen des Fernsehens und des Radios sahen sie sich ganz und gar zuständig. Solange, bis die EU-Kommission die Landeschefs darauf stieß, dass die verpflichtende allgemeine Rundfunkgebühr doch bitte schön im Grundsatz eine unzulässige staatliche Beihilfe sei und den Wettbewerb verzerre.

ARD und ZDF im Internet: künftig nur "sendungsbezogene" Inhalte. (Foto: Screenshot: ARD/ZDF)

Seitdem muss in Deutschland besser begründet werden, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist. Wofür die Bürger fast acht Milliarden Euro jährlich zahlen. Warum der GEZ-Späher klingeln dürfen. Worin denn der Gemeinnutz eines Bruce Darnell liegt, jenes Model-Experten, der einst Heidi Klum bei Pro Sieben assistierte. Wie denn die Aufsicht besser funktionieren soll. Und wie viel ARD und ZDF künftig im Internet machen dürfen.

Diese große Wiese des digitalen Marktes wollen sie alle mähen: die Intendanten der Anstalten, die alerten Manager der Privatsender, die Verleger von Zeitungen und Zeitschriften sowie die Macher neuer Angebote. Sie kombinieren online Text, Bild und Ton in ganz unterschiedlichem Mischungsverhältnis. Weil ARD und ZDF dabei frei Haus Gebührenmilliarden zur Verfügung stehen, den anderen aber nur jenes Geld, das Werbekunden in Hoffnung auf Kundenkontakte investieren, verlangt das kreative Chaos nach Regeln.

Nur "sendungsbezogene" Angebote

Solche Regeln glauben die Ministerpräsidenten jetzt insofern gefunden zu haben, als dass die Öffentlich-Rechtlichen künftig nur "sendungsbezogene" Angebote ins Netz stellen und keine "elektronische Presse" veranstalten dürfen. Presseähnliches soll es nicht geben. Beiträge über große Sportereignisse wie Olympia dürften nur 24 Stunden bereitgestellt werden, alles andere höchstens sieben Tage. Über die Online-Aufbereitung von Unterhaltung gibt es noch viele Unklarheiten - so viele, wie es bei ARD und ZDF Unterhaltung gibt. Und davon gibt es bekanntlich sehr viel. Mit den EU-Gewaltigen soll darüber bald gesprochen werden.

Alles Wege führen nach Brüssel - ihr jetzt nach manchem Schmerz aufbereitetes Arbeitspapier wollen die Ministerpräsidenten klugerweise zunächst mit der EU-Kommission besprechen, ehe im Oktober dann finalisiert wird. Brüssel erwartet zu Recht, dass gesellschaftlich finanzierter Rundfunk auch gesellschaftlich effektiv kontrolliert wird. Und dass er bei Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung Marksteine setzt und nicht mit neuen Angeboten Private verdrängt.

Was das alles konkret zu bedeuten hat, wird noch das Thema vieler Kaminabende und Hinterzimmergespräche sein. Die Wahrheit hinter den Leerformeln muss noch bestimmt werden. Überhaupt ist die mühsame, oft unfruchtbare Diskussion um neue Regeln für das Internet wie ein Fallbeispiel des grassierenden Lobbyismus. Die Planer beider Seiten ließen in den vergangenen Monaten so ungehemmt ihre Truppen trommeln, dass der geneigte Zeitungsleser oder TV-Zuschauer glauben konnte, das Abendland sei in Gefahr.

Stundenlange "Bambi"-Preisverleihung

Auch journalistisch boten sowohl ARD als auch Organe der privaten Pressewirtschaft reichlich Angriffsflächen. Dass ein anerkannter Verleger wie Hubert Burda einerseits seine "Bambi"-Preisverleihung gerne stundenlang im Ersten Programm ausstrahlen lässt, andererseits aber grundlegende Qualitätsmängel bei ARD und ZDF thematisiert, das verstehe, wer will. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, die "Bambi"-Gala einfach von einem Privatsender zeigen zu lassen, falls sich einer finden lässt.

In Wahrheit geht es doch darum, dass sich im Internet all jene zusammentun müssen, die dem verführerischen Moment des allzu Leichten trotzen. Die jenseits vom Boulevardgetöse die differenzierte Debatte suchen und aufklären wollen über Hintergründe und Kampagnen. Die den Platz für schwierige Stoffe bereithalten.

Niemand im Internet kann alles machen. Erfolg hat, wer strategisch gut verzichtet. Warum sollen qualitätsorientierte Presseportale, die von der Kraft des Worts leben, nicht mit jenen Fernsehportalen kooperieren, die die Welt der Bilder beherrschen?

Genauso wird es kommen. Wenn die Lobbyisten ihre Formulierungen so gut wie möglich durchgedrückt haben, wenn dieser so umkämpfte 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag beschlossen ist, dann kommt womöglich die Idee auf, wie dem Fast-Monopolisten Google zu trotzen sei. Oder dem Riesenkonzern Microsoft, der sich demnächst vielleicht Yahoo einverleibt.

Was Claus Kleber oder die "Sportschau" im Internet machen, wirkt dagegen irgendwie harmlos.

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