Süddeutsche Zeitung

Internet in der EU:Kontinent der lahmen Downloads

Gratis-Wlan im Park, schnelles Netz auf allen wichtigen Strecken, mehr Mediatheken-Inhalte im Ausland: Was die EU den Europäern in Sachen Internet verspricht.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Beim schnellen Internet hinkt die EU hinterher. In Brüssel sieht man das mit Sorge. Vor allem, weil sich einige Mitgliedstaaten schwertun mit dem Ausbau der Netze - auch Deutschland, wo die Telekom versucht, wenigstens durch die Aufrüstung von Kupferleitungen etwas mehr Geschwindigkeit zu liefern. Anders dagegen Schweden, das konsequent auf leistungsfähige Glasfaser-Leitungen gesetzt hat. Europaweit haben trotzdem nur 28 Prozent der Haushalte in ländlichen Gebieten Zugang zu Leitungen, die Downloads von mindestens 30 Megabit pro Sekunde ermöglichen.

"Wir müssen vernetzt sein", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in seiner Rede zur Lage der EU. "Unsere Wirtschaft ist darauf angewiesen, und die Bürgerinnen und Bürger sind es auch." Mit Investitionen in diesem Bereich ließen sich im kommenden Jahrzehnt 1,3 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Einige Reformen sollen deshalb nun Bewegung in den Markt bringen.

Bis 2020 soll es möglichst überall schnelles öffentliches W-Lan geben

Für Verbraucher relevant ist zunächst das Versprechen, bis 2020 überall kostenloses öffentliches Internet bereitzustellen: auf Plätzen, in Parks, öffentlichen Gebäuden oder Krankenhäusern. 120 Millionen Euro will die EU ausgeben, um die Behörden in 6000 bis 8000 Dörfern und Städten zur Schaffung von Hotspots zu motivieren.

Und die Kommission gibt weitere ehrgeizige Ziele vor. Bis 2025 sollen alle Haushalte in der EU einen Anschluss mit Übertragungsraten von mindestens 100 Megabit pro Sekunde haben. Er muss zudem auf ein Gigabit pro Sekunde aufgestockt werden können, eine Geschwindigkeit, die Schulen, Forschungseinrichtungen, Flughäfen und anderen wichtigen Dienstleistern standardmäßig zur Verfügung stehen soll.

Alle größeren Städte und Verkehrswege sollen bis 2025 mit 5-G-Mobilfunk ausgerüstet sein, der neuesten Generation der drahtlosen Kommunikation. 2018 will die EU dafür mit den Vorbereitungen beginnen, schon 2020 soll das superschnelle Funknetz dann in mindestens einer Großstadt je Mitgliedstaat bereit stehen.

Damit das alles gelingt, will Digitalkommissar Günther Oettinger Investitionsanreize setzen. Und zwar nicht vornehmlich für ehemalige Staatsunternehmen wie die Telekom, die bisher einen großen Teil des Netzausbaus geleistet haben, aber wegen ihrer dominanten Stellung auch starken Regulierungen unterworfen sind. Vielmehr beabsichtigt die EU, kleinere Marktteilnehmer zu ermuntern, sich am Aufbau von Glasfasernetzen auch in weniger besiedelten Regionen zu beteiligen. Die Betreiber sollen sich dabei in gemeinsamen Investitionsmodellen zusammenschließen und einander Zugang garantieren.

In Portugal und Spanien werde das schon erfolgreich praktiziert und habe den Ausbau vorangebracht, heißt es in der Kommission. Auf diese Weise werde der Wettbewerb gestärkt. Die nationalen Regulierer will Oettinger ermächtigen, gegen Unternehmen vorzugehen, die sich um einmal gemachte Zusagen zum Netzausbau in ländlichen Gegenden drücken wollen.

Mit einem neuen Leistungsschutzrecht hofft die Kommission zudem Europas Presseverlage gegen Internetkonzerne zu stärken. Um ihre Verhandlungsposition zu verbessern, sollen Verlage ein EU-weit geltendes Urheberrecht erhalten, mit dem Artikel 20 Jahre lang geschützt würden. Bisher konnten sich die Verlage mit ihrem Wunsch nicht durchsetzen, auch für Teile von Artikeln Geld von Suchmaschinen-Betreibern und anderen Plattformen zu verlangen.

Google reagierte erwartbar skeptisch: Der Schlüssel für eine erfolgreiche, nachhaltige und vielfältige Nachrichtenbranche liege in der Innovation und Partnerschaft, nicht in Vorschriften, teilte der Suchmaschinen-Konzern mit.

Ausländisches Fernsehen soll auch über das Netz leichter empfangbar werden

Zudem schlägt die Kommission vor, das sogenannte Geoblocking zumindest einzuschränken. Verbraucher sollen so leichter Zugriff auf Online-Mediatheken aus dem Ausland erhalten und Internet-Fernsehen aus anderen EU-Staaten besser nutzen können. Bisher wird die Ausstrahlung von Nachrichten, Filmen oder Musik über Grenzen hinweg dadurch erschwert, dass Rechte, die bei jeder Sendung anfallen, nur national und nicht EU-weit vergeben werden. Bei der Ausstrahlung über Satellit oder Kabel existiert schon jetzt ein vereinfachtes Verfahren, um die Erlaubnis der Rechteinhaber einzuholen. Dies soll nun auf die Verbreitung im Internet ausgeweitet werden. Das soll unter anderem Angehörigen von Minderheiten nützen, die in einem anderen EU-Staat leben.

Angebote wie Whatsapp und Skype sollen künftig einer Regulierung unterzogen werden. Die Kommission will sie verpflichten, Schutz gegen Hacker zu garantieren und unter anderem eine Notfallnummer anzubieten. Die Vorschläge können vom EU-Parlament und vom Rat der Mitgliedstaaten noch verändert werden.

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SZ vom 15.09.2016/jab
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