iMac:Nach Hause mailen!

2002 - Odyssee im Kinderzimmer: Der neue iMac tarnt sich als kleiner Bruder von E.T.

Andrian Kreye

(SZ vom 9.1.2002) - Die Computerindustrie hat ein Problem. Immer noch sind die heimischen Hochleistungsrechner von der freudlosen Aura des Nutzwerts umgeben. Das führt dazu, dass die meisten Konsumenten froh sind, wenn sie den Monitor aus- und den Fernseher einschalten dürfen. Doch niemand arbeitet so hart und kontinuierlich an den emotionalen Bindungen der Computerbenutzer zu ihrem Gerät wie der Chef von Apple Computers, Steve Jobs. Vor drei Jahren lösten seine bunten, durchsichtigen i-Mac-Blasen erstmals die strengen Geräteformen auf. Zum Jahrtausendwechsel präsentierte er mit dem würfelförmigen Cube den Rechner als Möbelstück. Letztes Jahr lieferte er mit dem MP3-Player iPod das erste Apple-Spielzeug ohne Nutzwert für die Arbeitswelt. Dieses Jahr aber soll dem Apple die Metamorphose vom nüchternen Dienstleistungsgerät zum emotional ansprechenden Maschinenfreund gelingen.

iMac: Als Steve Jobs den neuen iMac enthüllte, ging ein Seufzen durch den Saal, als hätte er einen niedlichen Hund vorgestellt.

Als Steve Jobs den neuen iMac enthüllte, ging ein Seufzen durch den Saal, als hätte er einen niedlichen Hund vorgestellt.

(Foto: Foto: Apple)

Im Moscone Kongresszentrum von San Francisco enthüllte Jobs am Montag den neuen iMac. Ein Seufzen ging da durch den Saal, als hätte er einen niedlichen Hund vorgestellt. Da stand er. Hockte vielmehr. Ein possierliches Kerlchen mit einem bauchigen Sockel, in dem sich die Technik verbirgt und aus dem ein chromglänzender Schwingarm ragt, an dem der Flachbildschirm aufgehängt ist. Eine Mischung aus Satellit und Comicmännchen. Einladend pummelig, freundlich, harmlos.

Statt mit der bisher üblichen Produktmetapher von der leistungsfähigen Maschine spielt der iMac unverhohlen mit dem Kindchenschema. War der Cube noch der kleine Bruder von Hal, dem bösartigen Supercomputer aus "2001- Odyssee im Weltraum", was ihn als Konsumprodukt auch scheitern ließ, wirkt der neue iMac wie das Maskottchen von Dave, dem liebesbedürftigen Kinderroboter aus Steven Spielbergs "A.I.", oder wie E.T., Spielbergs Außerirdischer, der sich ins Daten-All zurück sehnt: nach Hause mailen! Im Werbevideo benutzt Apples 33- jähriger Chefdesigner Jonathan Ive zwar noch so erwachsene Worte wie evolutionär, revolutionär und "digital lifestyle". Doch selbst die angeheuerten Werbestars werden konsequent verniedlicht.

Die Fotografin Annie Leibovitz bastelt sich am neuen Gerät ein Album für ihr Baby. Popsänger Seal lädt sich seine Lieblingslieder auf den iPod. Regisseur Francis Ford Coppola schneidet ein Familienvideo. Vor allem aber wippt der neue Computer immer wieder zu Discoklängen mit seinem Bildschirm auf dem Schwingarm herum, so dass er an einen dieser computergesteuerten Elektrohunde erinnert, die vor ein paar Jahren durch die Spielzimmer tölpelten, und an die tolpatschigen Schreibtischlampen aus dem ersten Computertrickfilm von Pixar. Das putzige Ding will also vor allem eines : unterhalten. Die neuen Hochleistungsprozessoren, der multifunktionale Abspielschacht und der gestochen scharfe Bildschirm sollen endgültig das Ende der Ära traditioneller Unterhaltungsmedien einläuten. Niemand soll daran denken, dass man auf der Maschine ja auch die Buchhaltung erledigen und Geschäftsbriefe schreiben kann. Der neue iMac ist Stereoanlage, Heimkino, Spielekonsole, Fotoalbum und Kommunikationsterminal in einem.

Doch bei aller Niedlichkeit sollte man den neuen Apple nicht unterschätzen. Nach dem Plan seiner Schöpfer ist er zu nichts Geringerem auserkoren,als die Freizeiträume so endgültig zu erobern wie der PC die Büros dieser Welt. Weil das aber nur über die Herzen geht und nicht über die Köpfe, hat Apple seine unterbewusste Botschaft komplett geändert. Nicht "denk anders" heißt nun die Devise, sondern "hab' mich lieb". Versuch' dem einer zu widerstehen.

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