Süddeutsche Zeitung

Illegales Filesharing:Bessere Angebote befördern Gesetzestreue

In Norwegen gilt seit Kurzem ein Gesetz, das härtere Strafen bei Online-Piraterie vorsieht. Wie eine jetzt veröffentlichte Studie zeigt, ist die Zielgruppe dafür aber mittlerweile recht klein: Es wird kaum noch illegal kopiert - weil es Alternativen gibt.

Von Dirk von Gehlen

Das neue Gesetz gegen Online-Piraterie in Norwegen ist erst seit wenigen Tagen in Kraft, und schon vermeldet eine Internet-Studie Erstaunliches: Die Anzahl urheberrechtlich geschützter Werke, die illegal kopiert wurden, ist in dem skandinavischen Land seit 2008 dramatisch eingebrochen. Von 1,2 Milliarden Songs, die vor fünf Jahren ohne Bezahlung geladen wurden, sank die Zahl auf 210 Millionen Lieder im Jahr 2012. Bei Fernsehserien und Filmen ist der Rückgang weniger stark, aber ebenfalls beachtlich: Rund um die Hälfte ging die Zahl der Dateien zurück, die in diesem Bereich unrechtmäßig kopiert wurden.

Die von der norwegischen Zeitung Aftenposten zitierte Studie steht allerdings in keinerlei Zusammenhang zu dem neuen Gesetz gegen Online-Piraterie, das seit dem 1. Juli auch das Sperren einzelner Seiten ermöglicht, wenn ein Bruch des Urheberrechts vorliegt. Die Untersuchung endet im Jahr 2012 und kann die neuen Entwicklungen überhaupt noch nicht erfassen.

Sie legt im Gegenteil sogar den Verdacht nahe, dass die harten Sanktionen sogar unnötig gewesen sind. Urheberrechtsexperten haben eine sehr viel einfachere Erklärung für den Rückgang der Piraterie: das Aufkommen legaler Alternativen. Der Osloer Jura-Professor Olav Torvund wird im Rahmen der Studie mit der Einschätzung zitiert, die sich vermutlich nicht nur auf norwegische Verhältnisse bezieht: "Wenn die Menschen gute legale Angebote haben, nutzen sie diese auch."

Dienste wie Spotify oder Netflix

In Skandinavien verbreiteten sich relativ früh Dienste wie Spotify oder Netflix , die den einfachen, legalen Zugang zu Musik und Filmen ermöglichen. Dabei kauft der Nutzer nicht mehr einzelne Songs, sondern erwirbt durch eine pauschale Zahlung Zugang zu mehr als 20 Millionen Liedern. So verlieren die illegalen oder halblegalen Möglichkeiten des Netzes ihre Attraktivität. Zu diesem Schluss kommen zahlreiche Kommentatoren auch außerhalb Norwegens. Ein amerikanisches Technologie-Magazin geht sogar so weit, die Zahlen aus Skandinavien zum Anlass zu nehmen, den Tod der weltweiten Online-Piraterie auszurufen.

Im Bereich Musik und TV-Serien sind die Angebote erst seit Kurzem in Norwegen verfügbar. In anderen Ländern - wie in Deutschland - gibt es diese Dienste zum Teil noch gar nicht. Deshalb kann man spekulieren, dass sich mit weiterer Verbreitung legaler Angebote ein Trend ebenfalls verstärkt, den die Studie ermittelt hat: dass Menschen Internet-Piraterie zunehmend unattraktiv finden.

Die Frage, ob das eine gute Nachricht für die Film- und Musikindustrie ist, beantwortet die Studie hingegen nicht. Die Einnahmen, die Streaming-Dienste wie Spotify den Künstlern bringen, liegen weit unter dem, was die Musiker sich wünschen würden. Gerade erst hat der Radiohead-Sänger Thom Yorke mit seinem Rückzug aus dem Dienst darauf hingewiesen.

Zudem verändern überall verfügbare legale Angebote die bisher üblichen Verwertungsschleifen der Industrie: Eine in den USA laufende TV-Serie müsste dann zur gleichen Zeit auch in Europa verfügbar sein. Das jedoch widerspricht den gängigen Verwertungsverträgen mit TV-Sendern, nach denen europäische Zuschauer die Serie zum Teil erst Jahre später sehen können.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2013/mri
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