Illegale Downloads:Millionenspiel bei Bier und Wein

In den USA werden Songs immer häufiger nicht mehr nur übers Internet getauscht, sondern auf Partys - das ist überhaupt nicht mehr zu kontrollieren.

Matthias Lüdecke

Hard-Drive-Partys, so heißt das neue Schreckgespenst der Musikindustrie. Hinter diesem Begriff verbergen sich Partys, bei denen die Gäste den Inhalt ihrer mobilen Festplatten austauschen. Und das können ohne weiteres 500 Gigabyte werden, denn so groß sind mittlerweile handliche und kostengünstige Geräte. Zehntausende oder sogar Hundertausende Songs wechseln dann mitunter den Besitzer.

Illegale Downloads: Bei Bier und Wein: Die Musikindustrie steht den feuchtfröhlichen Tauschpartys ohnmächtig entgegen.

Bei Bier und Wein: Die Musikindustrie steht den feuchtfröhlichen Tauschpartys ohnmächtig entgegen.

(Foto: Foto: dpa)

Das Prinzip hinter diesen Partys ist nicht neu. Vielmehr werden illegale Tauschbörsen aus dem Internet in den privaten Raum verlegt und die Rechner nicht mehr über das weltumspannende Netz, sondern direkt miteinander verbunden. Dadurch wird nicht zuletzt die Geschwindigkeit, mit der Daten übertragen werden können, erhöht, und es können in derselben Zeit mehr Daten ausgetauscht werden.

Doch dies ist nicht der einzige Grund für die Blüte solcher Veranstaltungen, die Musikindustrie selbst hat entscheidend zu ihrer Entstehung beigetragen. Immer noch kämpft sie den Kampf gegen die Musikpiraten und versucht verzweifelt, am Status quo des Urheberrechts festzuhalten.

Doch haben all die Versuche, legale Tauschbörsen anstelle der illegalen zu etablieren, bislang wenig gefruchtet. Nur jeder zwanzigste Download ist legal. Und was für die Industrie noch viel schlimmer ist: Trotz aller Kampagnen wird Musikpiraterie von der breiten Öffentlichkeit immer noch als Kavaliersdelikt gesehen, als Verbrechen ohne Opfer.

Rückzug in den Untergrund

Und so reagieren die großen Konzerne und die Angehörigen von Plattenfirmen einerseits mit den stets gleichen moralischen Appellen. Musikproduzent Cliff Jones etwa berichtete in der jüngsten Ausgabe der britischen Sunday Times fassungslos von seinem Nachbarn, einem unbescholtenen Familienvater, der stolz berichtet, er habe 80000 Klassik-Stücke auf einer Festplatte, die er umsonst von einem Freund bekommen habe.

Millionenspiel bei Bier und Wein

Diese Festplatte enthalte Musik im Gegenwert von 75000 Euro, errechnet Cliff, wenn der Nachbar sie regulär im Laden gekauft hätte. Auf der anderen Seite jedoch stehen die zunehmende Zahl von Schadenersatzprozessen sowie die Versuche, mit Internetprovidern und staatlichen Stellen zu kooperieren, um an die Daten der aus ihrer Sicht verbrecherischen Nutzer zu gelangen.

Die Hard-Drive-Partys sind also nichts anderes als eine Reaktion auf diese Bedrohung, ein Rückzug in den Untergrund der privaten Tauschnetzwerke, die nicht weniger effektiv, dafür aber kaum auszuspähen sind. Eine Entwicklung, die Wasser ist auf die Mühlen von Gegnern des klassischen Copyrights wie dem Science-Fiction-Autor Cory Doctorow oder dem Verfassungsrechtler und Vordenker der "Creative commons"-Bewegung, Lawrence Lessig, die seit Jahren eine Novelle des Urheberrechts fordern.

Sie plädieren für eine - erschwingliche - Pauschale, die die Nutzer beispielsweise über ihren Internetprovider entrichten und der sie dazu berechtigt, unbegrenzt Daten, Musik oder Filme aus dem Netz herunterzuladen. Bezahlt werden die Künstler dann aus dieser Pauschale, abhängig davon, wie häufig ihre Titel heruntergeladen worden sind. Wenn man Doctorow Glauben schenkt, ist für die Musikindustrie jetzt der letztmögliche Zeitpunkt gekommen, dieses System umzusetzen und überhaupt noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Sonst sind diejenigen, die sie so erbittert jagt, endgültig offline und in den Untergrund verschwunden.

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