Ifa 2010: Intelligente Geräte:Das Geheimnis des Popcorns

Was das Popcorn einst fürs Kino, sollen intelligente Zusatzleistungen nun für TV-Hersteller werden. Doch auch andere Geräte lernen denken - und ihre Besitzer immer besser kennen.

Varinia Bernau

Ein Staubsauger, der weiß, wo der Boden schon sauber ist. Eine Waschmaschine, die bei Fehlern eigenständig den Klempner ruft. Ein Fernseher, der die Lieblingsserien kennt. Was daran so toll ist? Eigentlich nichts, sagt ausgerechnet derjenige, der mit schlauer Technik sein Geld verdient. Es gehe nicht darum, dass der Fernseher Vorlieben erkenne und Internetseiten anzeige, sagt Michael Rhodin, es gehe um passgenaue Werbung, es gehe um die Möglichkeit, Kunden im richtigen Moment etwa Gutscheine anzubieten. Rhodin leitet bei IBM den Bereich Software Solutions.

Der Konzern hat sich in den vergangenen Jahren vom Technikhersteller zum Technikdienstleister gewandelt. An diesem Morgen spricht Rhodin auf der Elektronikmesse Ifa in Berlin vom Wandel, vor dem nun die Hersteller von Fernsehern und Haushaltsgeräten stehen. Er spricht vom Popcorn: "Bei der Suche nach neuen Einnahmequellen kamen Kinos plötzlich auf die Idee eines bequemen Snacks. Popcorn sorgte für neue Gewinne - mit einer Marge von mehr als 90 Prozent. Die Kinoindustrie florierte, weil sie die Eintrittspreise niedrig halten konnte. Und Popcorn wurde zum festen Bestandteil des Kinoerlebnisses."

Statt nur ein gutes Gerät müssen die Unternehmen also etwas Besonderes bieten - um angesichts steigenden Konkurrenzdrucks und sinkender Gewinnmargen nicht unterzugehen. Eine Art Popcorn, an dem sie zugleich verdienen. Sony hat das bereits verstanden: Als erster Fernsehhersteller hat der Konzern eine Kooperation mit Google bekanntgegeben. Zukünftig erfährt die geneigte Zuschauerin auf der Mattscheibe dank Internetverbindung nicht nur, wann wieder Sex & the City läuft, sondern auch, wo sie die Highheels kaufen kann, auf denen die Protagonistinnen durch New York stöckeln.

Das vertraute Gerät

Auch Samsung hat etwa zwei Drittel seiner Multimediageräte mit einer Netzwerkverbindung ausgestattet. Je mehr ein Gerät über seine Nutzer lernt, desto besser kann es Bedürfnisse ausmachen, die kein Marktforschungsinstitut erkennt. "Diese Daten sind von unschätzbarem Wert für die Unternehmen", sagt Rhodin.

Ihren Weg zum Massenmarkt, da sind sich Branchenbeobachter einig, werden die klugen Geräte nicht über die Küchen und Keller, sondern über die Wohnzimmer finden. 9,5 Milliarden Euro werden nach Schätzungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) allein in Deutschland in diesem Jahr mit vernetzungsfähiger Unterhaltungselektronik umgesetzt.

Doch das, so hofft die Technikbranche, ist erst der Anfang: IBM-Manager Rhodin verweist auf eine Umfrage, die sein Unternehmen in den USA durchgeführt hat. Demnach wünschen sich die meisten zwar eine vernetzte Unterhaltungswelt. Doch 77 Prozent der Befragten würden die schlauen Geräte noch lieber einsetzen, um die Versorgung älterer oder kranker Menschen zu verbessern, 72 Prozent würden so den Energieverbrauch drosseln.

Verdienen werden daran nicht nur die Gerätehersteller, sondern auch jene, die dafür sorgen, dass die Technik klüger wird: Konstantin Zoggolis leitet in Frankfurt die Softwarefirma Tecnovum, 17 Entwickler, 1,5 Millionen Euro Jahresumsatz. "Software ist nichts zum Anfassen, deswegen war der Verbraucher lange Zeit nicht bereit, dafür etwas zu zahlen", sagt er. Doch das ändere sich gerade. Es gibt immer mehr Geräte zum Vernetzen, mit immer komplizierterer Technik. "Die Verbraucher suchen jemanden, der ihnen hilft, alles zusammenzuführen. Und für dieses Stückchen mehr an Bequemlichkeit sind sie auch bereit zu zahlen."

Auf der Ifa zeigt Zoggolis ein von Tecnovum entwickeltes System, das den Bildschirm eines Taschencomputers oder Handys zur Fernbedienung macht, über die sich der gesamte Haushalt steuern lässt: Vom Messestand in Berlin aus werkelt Zoggolis nun an seinem Haus in Frankfurt. Mit einem Klick öffnet er das Garagentor, drosselt die Heizung, knipst das Licht an. Wenn ein Dieb die Alarmanlage auslöst, erfährt er davon per SMS. Einer Studie des Branchenverbandes Bitkom zufolge würde immerhin jeder dritte Deutsche seinen Haushalt am liebsten übers Handy steuern. Zoggolis will bis zu 8000 seiner Systeme im nächsten Jahr verkaufen - und so den Umsatz seiner Firma auf etwa drei Millionen Euro steigern.

Gewichte verschieben sich, hatte IBM-Manager Rhodin kurz zuvor gesagt. Weg vom Prinzip "The winner takes it all", hin zu einem System, in dem sich viele die Risiken und die Einnahmen teilen. Für einige klang dies wie eine Bedrohung, für andere wie ein Versprechen.

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