Ifa 2010: Tablet-Computer:Der verärgerte Schnelldenker

Die erste Präsentation seines "WePad" wurde für Helmut Hoffer von Ankershoffen ein blamabler Flop. Aufgegeben hat der Sofware-Entwickler und Schnellredner aber noch lange nicht.

Steffen Uhlmann

Eigentlich hat er Antworten auf alle Fragen, sein Redeschwall scheint unerschöpflich. Dumm nur, dass er seine Zuhörer dabei manchmal ratlos zurücklässt, Journalisten eingeschlossen. Doch Helmut Hoffer von Ankershoffen kann auch das erklären, sogar klar und deutlich. Journalisten seien wie denkfaule Lemminge, einer schreibe vom anderen ab, sagt er. Tiefergehende Recherche falle bei ihnen aus, mangels Kompetenz, Zeit und Lust.

Vorstellung des Tablet-Computers 'WePad'

Der Geschäftsführer der Technologiefirma Neofonie, Helmut Hoffer von Ankershoffen, stellte auf der Ifa seinen Tablet-Computer WeTab der Weltöffentlichkeit vor - schon zum zweiten Mal.

(Foto: ddp)

Dass Ankershoffen einen Berufsstand, den er eigentlich zum Verbündeten machen will, in seiner schroffen, bisweilen arroganten Art so scharf angreift, hat Gründe. Mitte April ging sein Unternehmen Neofonie mit einem Tablet-PC an die Öffentlichkeit. Der Zeitpunkt schien perfekt gewählt, das Interesse der Medien war enorm, die Schlagzeilen hatten die meisten schon im Kopf: Kleines Berliner Softwarehaus fordert den mächtigen US-Konzern Apple und dessen iPad heraus. Doch die Präsentation des flachen, berührungsempfindlichen Computers, der seinem Nutzer einen schnellen Zugang zum Internet verschafft, geriet für den Neofonie-Chef zur Blamage: Das Gerät funktionierte nicht. Schlimmer noch: Ankershoffens Versuch, die anwesenden Journalisten mit ein paar elektronischen Showelementen zu täuschen, flog jämmerlich auf. Dabei hätte er nur zugeben müssen, dass das funktionstüchtige, in Asien gefertigte VorzeigeTablet noch beim Kölner Zoll unter Verschluss lag.

Was folgte, waren hämische Berichte in den Medien, die den bislang guten Ruf des 37-jährigen Schnelldenkers, der sein Mathematik- und Informatikstudium an der Technischen Universität in Berlin 1997 mit Auszeichnung abschloss, nicht nur schwer beschädigt haben. Sie haben ihn offensichtlich auch persönlich tief verletzt. Ankershoffen musste erleben, dass ihm ein Teil der vertrauten Blogger-Gemeinde die Gefolgschaft aufkündigte und mit munteren Sprüchen die Leviten las. Inzwischen räumt Ankershoffen ein, Fehler gemacht zu haben: "Wir hätten die Lieferung besser organisieren müssen." Mit der Reue hält er sich aber nicht lange auf. Fast trotzig schiebt er nach, was ihn an der Geschichte ärgert: dass in dem allgemeinen Gedöns seine unternehmerische Leistung, die er in den vergangenen Jahren abgeliefert habe, fast nicht mehr der Rede wert ist.

Mit dem Fireball nach oben

Da hat er recht. Denn weder der kleine Tablet-PC noch seine Firma Neofonie, die er im Mai 1998 gegründet hat, sind seine ersten unternehmerischen Versuche. Schon ein Jahr vor Abschluss seines Studiums hatte der damals angehende Software-Architekt zusammen mit Kommilitonen innerhalb eines Uni-Projekts und im Auftrag von Gruner+Jahr die erste kommerzielle deutsche Suchmaschine Fireball entwickelt. Kurz nach dem Start 1997 war Fireball die meistbesuchte Website Deutschlands. Auch wenn der große kommerzielle Erfolg für ihn ausblieb, war sein Gründergeist damit geweckt. Der junge Absolvent aus Weinheim bei Heidelberg, der damals noch unverheiratet war und Oertel hieß, blieb in Berlin und gründete das Softwarehaus Neofonie, das sich in der Branche bald einen guten Ruf als Programmierer von Suchmaschinen und Entwickler von Kommunikationssystemen erwarb. "Das Startkapital für die Firma habe ich mir von meiner Mutter geborgt", sagt Ankershoffen. "Schon nach einem halben Jahr habe ich es ihr zurückgezahlt."

Der Magier der elektronischen Zeitung

Mittlerweile beschäftigt er 170 vornehmlich junge Leute in seinem Softwarehaus, das im vergangenen Jahr etwa 13 Millionen Euro umgesetzt hat. Ob es in den nächsten Jahren deutlich mehr werden, hängt auch von der erfolgreichen Markteinführung des Tablet-Rechners ab, der nun nicht mehr, wie ursprünglich geplant, WePad heißt, sondern WeTab. Die große Namensnähe zum iPad des Computergiganten Apple hat die Änderung wohl notwendig gemacht, auch wenn Ankershoffen sich dazu nicht weiter äußern will. Auch bei anderen Fragen versiegt bald sein Redefluss. Weder will er verraten, welcher chinesische Produzent die Geräte liefert, noch wer seine Vertriebspartner sein werden oder welche Verlage an seinem WeTab und der Plattform WeMagazin Interesse zeigen. "Wir sind in Gesprächen", bescheidet er nur kurz. In der Branche wird vor allem Gruner+Jahr als möglicher Neofonie-Partner genannt. Eine E-Version der Illustrierten Stern haben Ankershoffen und Vertreter von Gruner+Jahr schon vorgestellt. Auch der Schweizer Ringier-Verlag, heißt es, werde das WeTab für sich nutzen, zuerst für das Magazin Cicero und für die Schweizer Illustrierte.

Verkaufsstart für das 29 mal 19 Zentimeter große und 800 Gramm schwere WeTab soll nun der 19. September sein. Das schwarz lackierte Gerät geht dann gegen den bereits erhältlichen silberglänzenden iPad von Apple an den Start. Schützenhilfe erhalten die Berliner von den Großkonzernen Intel und Nokia, deren gemeinsam entwickeltes Betriebssystem Meego nach diversen Zeitungsberichten die Basis für das WeTab bilden soll. Zudem, heißt es, liefere der Intel-Konzern einen stromsparenden Prozessor für den Tablet-PC von Neofonie zu, der auf der Berliner Funkausstellung vorgestellt wird. Ankershoffen aber ist inzwischen mit Vergleichen vorsichtiger geworden. "Wir greifen nicht das iPad an", sagt er. "Wir schneiden uns nur ein Stück von dem schnell wachsenden Markt ab, der sich in kürzester Zeit stark fragmentieren wird." Das zeichnet sich bereits ab. Inzwischen haben knapp zwei Dutzend Unternehmen ein eigenes Tablet angekündigt.

Fragt man Ankershoffen nach den Vorzügen des WeTab, kommt der Redefluss schnell wieder in Schwung. Der WePad soll so etwas wie die offene Alternative zum iPad sein. Anders als beim amerikanischen Konkurrenten gibt es für Nutzer, Verlagshäuser und Softwareentwickler mehr Freiheiten und weniger inhaltliche Beschränkungen. Den Nutzern verspricht er "ein neues, komfortables und leicht zugängliches Leseerlebnis". Und das Gerät soll auch über die nötigen Schnittstellen verfügen, um Drucker, USB, Kameras oder auch eine Tastatur anzuschließen.

Ankershoffen wird nicht müde, die neue Magie des elektronischen Zeitungslesens und die damit verbundenen Chancen für die Verlage zu beschwören. Den Zeitungshäusern, die ihre gedruckten Ausgaben digital anbieten wollen, bietet er mit WeMagazin eine Softwareplattform an, mit deren Hilfe die Titel interaktiv nutzbar gemacht werden können. Für ihn steht fest, dass die Verlage auf diese Weise den Leserschwund bei Print-Produkten kompensieren könnten. Zugleich könnten sie durch die hochwertige Präsentation von Inhalten der im Netz noch weit verbreiteten "Kostenlos-Mentalität" begegnen. "Die Verlage können mit diesen neuen Angeboten im Netz deutlich mehr Geld verdienen", ist Ankershoffen überzeugt. In diesem Moment scheint aller Ärger verflogen.

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