IFA 2009:Blick durch die rosarote Brille

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Die TV-Industrie setzt auf 3-D-Technologie. Ein plastisches Fernseherlebnis im Wohnzimmer ist allerdings noch in weiter Ferne.

Thorsten Riedl

Die Bilder wirken verschwommen, lassen sich mit bloßem Auge kaum erkennen. Was da dieses Jahr auf der Funkausstellung in Berlin auf den Schirmen flimmert, soll der letzte technische Schrei sein?

Es sind Flachbildapparate mit 3-D-Technologie, die auf den Ständen vieler TV-Hersteller die Blicke auf sich ziehen. Nur mit einer sogenannten stereoskopischen Brille wirken die Bilder klar und dreidimensional plastisch - dann aber in einer Qualität, als ob der Fußballer durch den Raum stürmt und der Rennwagen im Videospiel aus dem TV-Gerät rast.

"Die Technik wird in der Nische starten, etwa im Sport oder bei Spielen", sagte Hee Won Kwon, Leiter der TV-Sparte von LG Electronics, der Süddeutschen Zeitung. Später werde die Nachfrage aber stark wachsen. Die Branche hofft so auf einen Weg aus der Krise.

Flachbildgeräte um ein Fünftel billiger

Dabei geht es der TV-Industrie beim oberflächlichen Hinschauen blendend. In der ersten Hälfte des Jahres verkauften die Gerätehersteller in Deutschland fast 40 Prozent mehr Flachbildfernseher. Von solchen Zuwächsen träumen Manager anderer Branchen.

Allerdings bleibt vom Absatzplus wenig in den Kassen von Philips, Loewe & Co. hängen, denn dem steht laut Verbandsstatistik ein recht magerer Zuwachs beim Umsatz von zehn Prozent auf 2,4 Milliarden Euro gegenüber. Allein seit Jahresanfang sind Flachbildgeräte um ein Fünftel billiger geworden. Jeder Hersteller hofft deshalb darauf, eine Technologie vor den anderen zu entwickeln - und die Begeisterung der Klientel in klingender Münze lange alleine abzuschöpfen.

Dass dies gelingen kann, hat zuletzt Samsung gezeigt. Die Koreaner hatten nach eigenen Angaben als erste die Idee, in Flachbildapparate LED-Leuchten so einzubauen, dass der Kontrast im Vergleich zu konkurrierenden Geräten mit sogenannten Fluoreszenzlampen deutlich steigt. Seit Vorstellung der Technik Anfang des Jahres habe Samsung eine Million solcher Apparate verkauft, erklärte Boo-Keun Yoon, Chef der Fernsehsparte bei den Koreanern, am Donnerstag. Für 2009 rechnet er mit einem Absatz von zwei Millionen Geräten. Neun von zehn Fernsehern mit LED-Technologie liefert in Europa Samsung. "Diese Technik hilft uns, Nummer eins im TV-Markt weltweit zu bleiben", sagte Yoon.

Lesen Sie auf Seite 2, warum der Zuschauer erst einmal nichts vom neuen 3-D-Fernsehen hat.

Nun also dreidimensionales Fernsehen. Sony, Panasonic und LG Electronics zeigen solche Geräte in Berlin. Die Kunden müssen bei den Apparaten eine 3-D-Brille tragen, um TV zum Anfassen zuhause zu bekommen.

Bei Sony haben die Brillen einen Akku und werden nach Brancheninformationen zusätzlich zum Fernsehen einen hohen zweistelligen Euro-Betrag kosten. LG dagegen zeigt Geräte, bei denen das Bild über Plastikbrillen mit rot-grünen Gläsern zusammengesetzt wird - und die nur wenige Cent teuer sind. "Nächstes Jahr wird sich Fernsehen dramatisch ändern", sagt Yoshiiku Miyata, Verantwortlicher der TV-Gruppe bei Panasonic. Auch Sony und LG wollen dann Geräte liefern. Sie alle sollen höchstens ein Viertel teurer sein als gewöhnliche Flachbildfernseher.

Skepsis überwiegt

Die Zuschauer werden aber von der versprochenen Revolution erst einmal kaum etwas spüren. Die Branche hat wenig gelernt aus den Erfahrungen mit hochauflösendem Fernsehen. Seit mehr als einer Dekade wird das Thema auf der IFA diskutiert - erst von diesem Herbst an strahlen die Fernsehsender in bester Qualität aus.

Auch dem 3-D-TV fehlen die Inhalte: Sender müssen für plastisches Fernsehen ihre Infrastruktur erneuern, von speziellen Kameras bis hin zu den Übertragungswegen des Signals. Die Verbraucher brauchen neben den besonderen Fernsehern auch neue Abspielgeräte wie Blu-Ray-Player, um in den 3-D-Genuss zu kommen. Standards gibt es noch keine, das Thema steht erst am Anfang.

Bei Europas größtem Fernsehhersteller überwiegt daher die Skepsis. "3-D ist zwar der Traum der Ingenieure. Aber die Technik läuft noch nicht stabil", sagte Philips-Manager Andrea Ragnetti. Man selbst habe Pläne in der Schublade, warte aber, wie sich die Nachfrage entwickelt. So sei nicht klar, ob sich jemand zuhause mit 3-D-Brille vor den Fernseher setzen will. 3-D-Geräte ohne Hilfsmittel sind in der Entwicklung. Mit solchen Apparaten rechnet LG-Manager Kwon frühestens 2013.

© SZ vom 04.09.2009/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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