HP-Chef Léo Apotheker:Wolkige Visionen

HP-Chef Léo Apotheker hat eine Strategie: Er will mit Cloud-Diensten wachsen. Auf die Idee waren andere allerdings schon vorher gekommen.

Thorsten Riedl

München - Die Aktionäre hat Léo Apotheker noch nicht für sich einnehmen können. Ein Zehntel des Börsenwertes hat Hewlett-Packard (HP) verloren, seit im Sommer vergangenen Jahres der damalige Chef Mark Hurd gefeuert wurde. Der neue Firmenlenker, gebürtiger Deutscher, ehemaliger SAP-Chef, konnte auch bei seinem ersten Auftritt am späten Montagabend vor Investoren in San Francisco nicht überzeugen. Er will Hewlett-Packard zum führenden Anbieter in einer neuen IT-Ära machen, erklärte er. Die Aktie des weltweit größten IT-Konzerns verlor am Dienstag an Wert.

Cloud Computing heißt das Schlagwort, mit dem Apotheker Hewlett-Packard zu neuem Wachstum führen will. Die Cloud - zu deutsch Wolke - steht bildlich für das Internet. Dort sollen in Zukunft Rechenoperationen als Dienstleistung ausgeführt werden - abgewickelt in den Rechenzentren von Anbietern wie Hewlett-Packard statt wie bislang auf einzelnen Computern am Arbeitsplatz. Es ist der digitale Traum von der IT aus der Steckdose, jederzeit verfügbar, einfach abzurufen.

"Das ist ein riesiger Markt", sagte Apotheker in einer 40-minütigen Rede. Der Branchenverband Bitkom schätzt den hiesigen Umsatz mit Cloud-Computing-Diensten 2011 auf 3,5 Milliarden Euro - ein Plus von 55 Prozent. In vier Jahren soll sich der Markt fast vervierfachen. Kein anderes Segment wächst so schnell. "Alles, was wir in Zukunft machen, wird als Dienstleistung geliefert", sagte der Hewlett-Packard-Chef. Apotheker ist spät dran. Andere Unternehmen der Branche setzen seit Jahren auf Cloud Computing. Amazon.com beispielsweise bot schon vor mehr als fünf Jahren überflüssige Kapazitäten aus seinem Rechenzentrum zur Miete für jedermann. Inzwischen führt das Internetkaufhaus in dem Bereich. "Auf den Marktanteil bei Cloud Computing bezogen ist Amazon im Moment so stark wie Coca Cola - es gibt nur noch kein Pepsi", sagt ein Analyst.

Vorteil für Hewlett-Packard: Das Unternehmen ist in einer guten Ausgangslage, schnell in das neue Segment einzusteigen. Niemand verkauft weltweit mehr Computer und Drucker als der Konzern, der 1935 von zwei Absolventen in einer Garage nahe Palo Alto gegründet wurde. Auch bei Netzcomputern, so genannten Servern, die vornehmlich in Rechenzentren stehen, führt Hewlett-Packard den weltweiten Markt. "Zum ersten Mal versucht HP nun, alle seine Bausteine zusammenzuführen", sagte Apotheker.

Analysten haben den Kurs von Apothekers Vorgänger Hurd geliebt. Er strich radikal die Kosten bei Hewlett-Packard zusammen. Der Neue kann darauf aufbauen. Die Unternehmensbeobachter haben an der Strategie von Apotheker deshalb vor allem den "evolutionären" Kurs gelobt. Eine Revolution wollten sie gar nicht sehen. "Dieses Vorgehen ist genau das richtige", heißt es bei der Bank UBS.

Mit der Strategie will Apotheker vor allem den Software-Bereich ausbauen. In diesem Geschäft kennt sich der 57-Jährige aus. Mit kurzen Pausen war er mehr als 20 Jahre beim Softwarehaus SAP, zuletzt als Vorstandschef, musste den Posten aber auf Druck von SAP-Mitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner räumen. Mit Programmen für Computer erwirtschaftete Hewlett-Packard zuletzt nur zwei Prozent des Umsatzes. In diesem Bereich sind die Gewinnspannen aber besonders hoch, im gerade abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal zum Beispiel 18 Prozent. Die Marge mit dem Verkauf von Computern dagegen lag bei sechs Prozent - dieser Bereich steht aber für fast ein Drittel der Umsätze bei HP. Apotheker denkt auch an Übernahmen, um mit Software zu wachsen. Kaufkandidaten nannte er keine.

Die Börsianer warten ab, wie sich der Kurs von Apotheker in den Zahlen niederschlagen wird. Ein Zuckerl gab es bereits: Um die Investoren wieder für die Aktien zu erwärmen, kündigte der neue Chef eine Dividendenerhöhung an. Die erste seit Ende der neunziger Jahre.

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