Süddeutsche Zeitung

Hoher Stromverbrauch:Klimakiller Internet

Nicht nur Autos tragen mit dem CO2-Ausstoß zum Klimawandel bei. Auch das Internet richtet erheblichen Schaden an - fast so viel wie der Flugverkehr.

Titus Arnu

Mal schnell nach Hawaii jetten? Kein Problem. Einfach "Waikiki Beach'' bei Google Earth eingeben, ganz nah ranzoomen, bis der Pool des Hotels Hale Koa in Sicht kommt, und schon kann man sich der schönen Illusion hingeben, innerhalb von Sekunden um die halbe Welt in die Sonne gereist zu sein, kostenlos und klimaneutral.

Klimaneutral? Das ist leider auch nur eine Illusion. Denn das Internet hat nur scheinbar keine Auswirkungen auf die Umwelt. Das weltweite Datennetz verbraucht gewaltige Mengen an Strom und könnte mitverantwortlich sein für den Klimawandel. Eine einzige Such-Anfrage bei Google verbrauche so viel Strom wie eine 11-Watt-Energiesparlampe pro Stunde, meldet die New York Times. Selbst ein virtuelles Leben ist nicht unbedingt umweltfreundlich: Eine Figur in "Second Life" frisst durchschnittlich 1752 Kilowattstunden pro Jahr - das ist mehr als mancher echte Mensch im Jahr verbraucht, zum Beispiel in Indien.

Solche Vergleiche beruhen auf groben Schätzungen, aber es gibt auch fundierte Prognosen, die nicht weniger alarmierend klingen. Basierend auf Daten des Prognos-Instituts und des Umweltbundesamtes haben Klimaforscher errechnet, dass der Stromverbrauch des Internets einen CO2-Ausstoß von 4 Millionen Tonnen pro Jahr verursacht, allein in Deutschland. Da in Deutschland knapp 80 Prozent des Strombedarfs durch herkömmliche Energie gedeckt werden, sei das Internet für 2 bis 3 Prozent des gesamten Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich - und damit so schädlich wie der Flugverkehr.

Das Wuppertal Institut, eine Klimaforschungseinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen, geht in einem Szenario für das Jahr 2010 davon aus, dass das Internet in Deutschland mehr als 30 Milliarden Kilowattstunden Strom verbrauchen wird. Davon entfällt der größte Teil auf PCs, der Rest verteilt sich auf Server, Provider und Datenleitungen für Onlinehandel und Mailverkehr. Werde der derzeitige auf fossilen Brennstoffen und Atomenergie beruhende Strom-Mix beibehalten, sei das Internet im Jahr 2010 für 18,5 Millionen Tonnen CO2 und mehr als 27 Tonnen hochradioaktiven Atommüll verantwortlich, befürchtet Greenpeace.

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Das Internet - ein Klimakiller? Claus Barthel, Spezialist für Energie-Effizienz am Wuppertal Institut, gibt zu, dass der Stromverbrauch des Internets schwierig einzugrenzen ist. Die Leistung der Server, über den die Datenströme hin- und hergeschickt werden, lässt sich einigermaßen messen, nicht aber, wie viel Strom private Computer im Internet brauchen. Fest steht: Der Energiebedarf wächst permanent. Die Datenmenge des Netzes verdoppelt sich alle vier Monate. Allein das Video-Portal Youtube produziert so viel Datenverkehr wie das gesamte Internet noch vor zwei Jahren. Weltweit würden 20 Eintausend-Megawatt-Großkraftwerke benötigt, um den Strombedarf des Netzes zu decken, schätzt das Freiburger Öko-Institut. Der Energiebedarf des Internets sei "besorgniserregend", sagt Corinna Hölzel vom Ökostrom-Anbieter Greenpeace Energy.

Die IT-Branche arbeitet an Energiespar-Lösungen, nicht nur aus Liebe zur Umwelt, sondern weil der Strom immer teurer wird. Die Stromrechnung von Firmen wie Ebay oder Google beträgt monatlich mehrere Millionen Euro. Das Internet soll deshalb möglichst bald grün werden.

Computerhersteller entwerfen stromsparende Chips, Internet-Anbieter versuchen, die Abwärme ihrer Server zu verwerten. Der deutsche Web-Hoster Strato, über dessen Hochleistungsrechner ein Viertel des deutschen Internets läuft, will seine Server zukünftig nur noch mit Strom aus Wasserkraft betreiben. Der Computerhersteller Dell pflanzt für jeden Kunden, der dafür ein paar Euro mehr zahlt, einen Weltklima-Wiedergutmachungs-Baum. Wer klimamäßig korrekt im Internet surfen will, kann das mit Hilfe von Greenpeace tun: Die Umweltschutzorganisation bietet "CO2-freie E-Mail-Adressen'' und Speicherplatz auf Servern an, die mit Ökostrom betrieben werden (atomstromfreies-internet.de).

Googeln wäre übrigens umweltverträglicher, wenn die Suchseite nicht einen weißen, sondern einen schwarzen Hintergrund hätte. Das würde pro Jahr 3000 Megawattstunden Strom sparen, hat Mark Ontkush ausgerechnet, der Betreiber des Öko-Blogs EcoIron. Die meisten Monitore würden weiß auf schwarz weniger Strom verbrauchen. Schwarzmalerei könnte so ausnahmsweise etwas nützen.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2007
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