Hiroshi Lockheimer:So stellt sich Google die Zukunft von Android vor

Google Android Nougat

Im August brachte Google die aktuelle Android-Version 7 ("Nougat") auf den Markt. Bislang läuft sie auf weniger als einem halben Prozent der Geräte.

(Foto: AP)

Android-Chef Hiroshi Lockheimer spricht über Googles Pixel-Smartphone, das Verhältnis zu Apple und erklärt, warum ihn die langsamen Updates der Hersteller frustrieren.

Von Marvin Strathmann

1,4 Milliarden Geräte, viele hundert Hersteller, acht aktive Versionen und nur ein Betriebssystem: Android. Zwar kommt kein anderes Smartphone auch nur ansatzweise an die Umsätze des iPhone heran, doch zumindest was die Verbreitung angeht, hat Google Apple längst abgehängt: Wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt, wird Android bald auf neun von zehn Smartphones laufen (aktuell: 87,5 Prozent Marktanteil, Tendenz steigend). Nahezu der komplette Rest entfällt auf iOS, andere Betriebssysteme wie Microsofts Windows Phone spielen kaum noch eine Rolle.

Android ist beliebt, aber auch fragmentiert und unübersichtlich - und damit ein erfolgsversprechendes Ziel für Kriminelle. Das Betriebssystem enthält Dutzende Schwachstellen. Google selbst stellt Sicherheitsupdates bereit und versorgt seine eigenen Geräte der Nexus- und Pixel-Reihe recht zuverlässig mit Aktualisierungen. Doch jeder Hersteller muss diese Updates für seine eigenen Geräte anpassen; dementsprechend ist es auch die Aufgabe von Samsung, LG, Sony und Co., ihre Kunden zu schützen.

"Frustrierend, wenn manche Hersteller die Updates langsamer herausbringen"

Doch viele Unternehmen schlampen, wenn es darum geht, ihre Smartphones und Tablets mit aktueller Software zu versorgen: "Es ist natürlich frustrierend, wenn manche Hersteller die Updates langsamer herausbringen, als wir es uns wünschen würden", sagt Hiroshi Lockheimer. Er ist bei Google verantwortlich für Android, Chrome OS (das Betriebssystem von Google Laptops, den Chromebooks) und den Play Store. "Wir arbeiten eng mit den Herstellern zusammen, auch mit Chip-Produzenten wie Qualcomm und Mediatek, damit sie ihre Geräte einfacher updaten können." Sicherheitsupdates und neue Android-Versionen würden so früh wie möglich bereitgestellt. "Es liegt dann bei Samsung, Sony oder dem Pixel-Team von Google, wann sie Sicherheitsupdates installieren."

Während Android auf vielen tausend verschiedenen Geräten läuft, gibt es nur eine Handvoll unterschiedlicher iPhones und iPads. "Ein geschlossenes Ökosystem wie das von Apple aufrecht zu erhalten, ist einfacher", sagt Lockheimer. "Da haben sie mehr Kontrolle und es herrscht im Vergleich zur offenen Plattform von Android eine andere Mentalität", sagt er.

Während die neueste Android-Version 7 ("Nougat") gerade einmal auf 0,4 Prozent der Geräte installiert ist, hat die aktuelle iOS-Version 10 bereits einen Marktanteil von 63 Prozent erreicht. Da Apple die Updates nur für wenige Geräte und Software-Versionen anpassen muss, kann es Sicherheitslücken schneller und umfassender schließen. Zwar sind auch iPhone- und iPad-Nutzer nicht vor Malware sicher, das Risiko ist jedoch geringer.

Mit dem Pixel wird Google zum Apple-Konkurrenten

Im lukrativen Markt der Premium-Smartphones hatte Apple lange Zeit nur einen echten Rivalen: Samsung. Doch die Ambitionen der Koreaner sind mit den brennenden Galaxy-Note-7-Geräten zumindest zwischenzeitlich in Rauch aufgegangen. Während Samsung mehrere Millionen Geräte zurückrufen musste, stellte Google seinen ersten eigenen iPhone-Konkurrenten vor. Das Pixel löste die Nexus-Reihe ab und erhielt überwiegend positive Kritiken - kostet aber auch exakt genauso viel wie das iPhone.

Glaubt man den Analysten von Morgan Stanley, wird Google im kommenden Jahr fünf bis sechs Millionen Pixel-Geräte verkaufen und damit fast drei Milliarden Dollar umsetzen. Apple, das alleine im dritten Quartal 2016 mehr als 45 Millionen iPhones verkaufte, hätte vermutlich Mühe, diesen Posten in seiner Bilanz zu entdecken. Doch das iPhone hatte auch zehn Jahre Zeit, um sich einen guten Ruf und eine treue Käuferschaft zu erarbeiten. Google generiert seine Milliardeneinnahmen bislang fast ausschließlich aus Werbung; da könnte sich der Verkauf von Hardware mit hoher Gewinnmarge zu einem wichtigen zweiten Standbein entwickeln, um unabhängiger vom volatilen Anzeigengeschäft zu werden.

Google will Samsung, Sony und Co. nicht verärgern

Obwohl das Pixel für Google also wichtig ist, beteuert Lockheimer, dass sein Android-Team das Smartphone nicht bevorzugt behandle. "Wir arbeiten getrennt. Das Hardware-Team, geführt von Rick Osterloh, ist für uns ein weiterer Hersteller wie Sony oder Samsung." Solche Worte sollen Unternehmen besänftigen, die Oberklasse-Smartphones mit Android-Betriebssystem anbieten. Denn auch wenn Google mit dem Pixel gegen iPhones antreten will, bleibt das Handy natürlich ebenso eine Konkurrenz für das Samsung Galaxy S7 oder das Sony Xperia XZ - und diese Unternehmen könnten schnell nervös werden, wenn das mächtige Google plötzlich selbst zum Hardware-Hersteller wird.

Gut zu sehen war das am Beispiel von Huawei, das ursprünglich die Bauteile für das Pixel liefern sollte. Doch weil Google ausschließlich sein eigenes Logo auf dem fertigen Smartphone platzieren und Huawei als Hardware-Partner unsichtbar machen wollte, beendete der chinesische Hersteller die Partnerschaft. Stattdessen sprang HTC in die Bresche - trotzdem wird das Pixel ausschließlich als "Google-Smartphone" wahrgenommen.

Endlich: Android-Smartphones mit längerer Akkulaufzeit

Im November waren Gerüchte aufgekommen, dass Google Android und Chrome OS miteinander verschmelzen wolle. Interne Quellen hätten von einem neuen Betriebssystem namens Andromeda berichtet, das ähnlich wie Windows 10 sowohl für Smartphones als auch für Laptops geeignet sei. Lockheimer weist diese Spekulationen zurück: "Wir wollen Android und Chrome OS nicht miteinander verbinden. Chrome OS löst andere Probleme als Android, wir brauchen nicht eine Lösung für zwei Probleme."

Doch Lockheimer betont auch, dass sich die Geräte stärker vermischten und Unterscheidungen zwischen Tablets und Laptops zunehmend schwerfielen. Ist ein Tablet mit einer anschließbaren Tastatur schon ein Laptop? Und welches Betriebssystem wäre am besten dafür geeignet? "Es kommt immer auf das Gerät an", sagt er.

Auch wenn Android und Chrome OS nicht ineinander aufgehen sollen, scheint sich Google also durchaus bewusst zu sein, dass immer mehr hybride Geräteklassen entstehen. Insbesondere für Nutzer von großen Android-Tablets ist das eine gute Nachricht. So reibungslos Android mittlerweile auf Smartphones funktioniert, so sehr hakt es bei Geräten mit neun oder zehn Zoll Displaydiagonale. Hier nutzt das Betriebssystem den zusätzlichen Platz kaum aus und stellt die gleichen Inhalte einfach nur vergrößert dar. Zwar hat Google bei Android Nougat erste sinnvolle Anpassungen vorgenommen und etwa einen Multifenster-Modus eingeführt, dennoch macht iOS auf Tablets den deutlich runderen Eindruck.

Fast alle Nutzer wünschen sich ausdauerndere Smartphones

Für die meisten Nutzer ist aber ein anderes Problem viel drängender: der Akku. Während die alten Nokia-Knochen gefühlt noch wochenlang durchhielten, kennt mittlerweile fast jeder das unangenehme Gefühl, ein nahezu leeres Handy in der Tasche, aber keine Steckdose in Reichweite zu haben. Noch vor drei Jahren sagten 70 Prozent der Smartphone-Nutzer, dass ihnen bei neuen Smartphones die Akkulaufzeit besonders wichtig sei. Seitdem sind Smartphones zwar schneller und dünner geworden, aber nicht unbedingt ausdauernder.

Diese Zahlen kennt auch Lockheimer: "Wir wollen die Akkulaufzeit erhöhen", sagt er. "Dafür möchten wir das Betriebssystem effizienter machen, vor allem wie es mit Anwendungen von Dritten umgeht." Außerdem erhöht Google den Druck auf Anbieter, deren Apps besonders stark am Akku saugen: "Wir wollen den Nutzern zeigen: Die schlechte Akkuleistung liegt an dieser App, oder weil ich speziell das gemacht habe." App-Entwickler werden wohl vermeiden wollen, an diesem Pranger zu landen - und Nutzer müssen künftig seltener Steckdosen suchen.

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