Hip-Hop-Analysen von Rap Genius:Schallmauer des Internets

Schon wieder macht sich ein Häuflein gelangweilter Studenten daran, das Internet mit ihrer Hobbyseite ein für allemal zu verändern - die Hip-Hop-Analysen der Seite Rap Genius zeigen, wie man das Netz dazu bringt, Kontexte zu schaffen.

Von Andrian Kreye

Millionen-Investment in Rap Genius

Die Internetunternehmer Marc Andreessen (l) und Ben Horowitz haben Millionen in Rap Geniua investiert.

(Foto: REUTERS)

Die Tellerwäschergeschichten des 21. Jahrhunderts verlaufen nach einem schlichten Muster: Ein paar privilegierte Jungs (eher seltener - Mädels) langweilen sich während ihres Studiums an einer amerikanischen Elite-Uni und entwickeln auf ihren Studentenbuden eine Internetanwendung für ihr Hobby. Das können Mädchen sein, Videospiele, Telefonfreundschaften oder Hip-Hop-Songs. Ein Investor schaltet sich ein. Bald darauf ist das Internet nicht mehr, wie es vorher war, und die gelangweilten Studenten sind Milliardäre.

Wer die drei Gründer der Webseite Rap Genius bei der diesjährigen DLD-Konferenz erlebte, der traf drei gut aussehende, ex-Yale-Studenten mit ausgeprägtem Modegeschmack, die genau wussten, dass sie von den Mächten im Silicon Valley als Helden der nächsten Tellerwäschergeschichte auserkoren wurden. Den Beweis lieferte allein schon die Präsenz ihres Investors, der ihren Auftritt moderierte - Ben Horowitz.

Der hat vor acht Jahren gemeinsam mit Marc Andreessen, dem Erfinder der ersten Webbrowser für die Massen Mosaic und Netscape, einen Fonds aufgesetzt, dem Midas-Qualitäten nachgesagt werden. Horowitz und Andreessen investierten Mitte der Nullerjahre früh in Firmen wie Twitter, Skype, Facebook und Airbnb, die allesamt ganze Industrien veränderten. Und nun eben in Rap Genius. Wobei es Horowitz und Andreessen ganz sicher nicht um den Inhalt der Seite geht.

Großteil des Rap-Kanons

Rap Genius funktioniert ganz einfach. Auf der Webseite finden sich Hip-Hop-Texte, die mittels einer Fußnotenfunktion mit Interpretationen und Querverweisen ausgestattet werden können. Was mit einem Song von Cam'ron begann, umfasst inzwischen nicht nur einen Großteil des Rap-Kanons, sondern auch Rock und Country, deutsche und französische Literatur, Lyrik, politische Reden, philosophische Texte, die Bibel und den Talmud.

Die Webseite und ihre Ableger machen dabei nicht den Eindruck bahnbrechender Technologie. Mit den weißen und orangefarbenen Textzeilen, den kruden Annotationsfenstern und beliebigen Bildern erinnert Rap Genius eher an ein frühes Onlineforum aus den Neunzigerjahren. Und doch nähert sich Rap Genius gerade der neuen Schallmauer des Internets an: dem Kontext.

Die Kontextualisierung bleibt im Internet immer noch eine Herausforderung, weil die meisten Funktionen des Netzes weiterhin der Sprache der Mathematik folgen. Weil die Mathematik aber immer noch eine weitgehend lineare Erzählform ist, und weil diese in der digitalen Welt auf einer Syntax basiert, die als Grundregel die Formel Eins ist nicht gleich Null beinhaltet, sind die Kontexte im Internet immer noch eine Simulation.

Wie schnell das Internet an die Grenzen des Kontexts stößt, zeigen gerade die Schwierigkeiten der neuen Musikwebseiten wie Spotify, Pandora oder last.fm. Die basieren auf Algorithmen, die vermeintlich den Musikgeschmack ihrer Nutzer treffen. Die Algorithmen dieser Seiten berechnen dabei die mathematisch erfassbaren Seiten der Musik - Tempo, Rhythmus, harmonischer Aufbau, eben alles, was man auch in einer Partitur finden würde -, und kombinieren das mit Genre-Etiketten wie "Soft Rock" oder "Gangsta Rap".

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