Herman Van Rompuy im Internet:Twittern auf Chinesisch

EU-Ratschef Herman Van Rompuy hat viele Fans. Allerdings nicht in Europa, sondern in China: Dort hat er mehr als 185.000 Anhänger bei Weibo, dem chinesischen Twitter-Pendant. Im Gegensatz zu anderen Politikern textet er hier wirklich selbst - und geht damit auf Konfrontation zur chinesischen Regierung, die den Einfluss der Mikroblogs fürchtet.

Christoph Giesen

Herman Van Rompuy hat viele Fans. Allerdings weniger in Europa. Hier wird der Präsident des Europäischen Rats als trockener Aktenverwalter empfunden, obwohl ihn ein Hobby von solchen Artgenossen unterscheidet: Er schreibt Haikus, japanische Gedichte also, die mit ihren drei Zeilen schon aufhören, wenn das ordentliche deutsche Gedicht erst anfängt. Es könnte deren Faszination sein, die dem soliden Belgier in China so viele Freunde verschafft: Fan Long Pei, wie Herman Van Rompuy auf Chinesisch heißt, hat mehr als 185.000 Anhänger in der Volksrepublik.

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"Unser Arbeitsessen geht gleich los": Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rats, nutzt das chinesische Mikroblog Weibo.

(Foto: REUTERS)

Wahrscheinlicher ist aber, dass seine Beliebtheit einen anderen Grund hat: Van Rompuy ist der bislang einzige namhafte europäische Politiker, der in Chinas sozialen Netzwerken unterwegs ist. Seit Mai stellen seine Mitarbeiter nicht bloß Statusmeldungen bei Twitter ins Internet, sondern auch beim chinesischen Portal Sina Weibo. "Der Europäische Rat hat gerade angefangen, wir machen weiter mit unseren Diskussionen über wirtschaftliche Themen", heißt es dort auf Englisch oder "Unser Arbeitsessen geht gleich los."

Weibo, das übersetzt Mikroblog bedeutet, funktioniert genauso wie das in China gesperrte Kurznachrichtenportal Twitter. Mit ein, zwei Klicks ist man Anhänger oder sogenannter Follower und bekommt die Statutsmeldungen des anderen angezeigt.

"Internetgerüchte sind wie Drogen"

Andere europäische Politiker haben sich offenbar noch nicht ins chinesische Internet gewagt. Es gibt zwar von Angela Merkel und David Cameron Weibo-Profile, aber hinter beiden stecken Spaßvögel. So verkündet Merkels Online-Alter-Ego nachts um 3.24 Uhr deutscher Zeit: "Ich bin schon wieder im Fernsehen. Möchte mal wissen, wer die Gerüchte verbreitet hat, dass Sarko und ich eine Kern-Eurozone einrichten wollen. Ich muss also mal wieder alles richtigstellen." Und der falsche Cameron textet: "Ich bin der britische Premierminister und ich habe angefangen Chinesisch zu lernen."

Gut zwei Jahre nach Gründung von Sina Weibo haben mehr als 250 Millionen Chinesen einen eigenen Weibo-Account. Welche Wirkung die Mikroblogs in China haben, zeigte sich im Sommer. Am 23. Juli prallte in der Nähe von Wenzhou ein Schnellzug auf einen anderen Zug. 40 Menschen starben. Der Ausbau von Chinas Hochgeschwindigkeitsnetz ist ein Prestigeprojekt der Regierung, ohne die Mikroblogs hätte es womöglich Tage gedauert, bis die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua die Öffentlichkeit mit ein, zwei, dürren Meldungen über den Unfall informiert hätte. Doch über Weibo gab es schon die ersten Bilder und Kommentare, bevor der Crash überhaupt passierte, weil Fahrgäste aus dem liegengebliebenen Zug mit ihren Handys online gegangen waren.

Dass die Pekinger Zentralregierung die Mikroblogs sehr ernst nimmt, belegen die regelmäßigen Kommentare in der Staatspresse: "Internetgerüchte sind wie Drogen, bitte haltet euch fern davon", schulmeistert Xinhua, und die Volkszeitung ergänzt: "Gerüchte sind Gift für die soziale Umwelt und beeinträchtigen die gesellschaftliche Ordnung." Die Betreiberfirma Sina hat schon angekündigt, eine rund um die Uhr operierende "Gerüchte-Streife" einzusetzen. Außerdem fordert Sina Chinas Internetnutzer auf, sich unter dem richtigen Namen und am besten mit Ausweis- und Handynummer registrieren zu lassen.

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