Hatespeech:Mit diesem Gesetz will Maas Hasskommentare bekämpfen

Hatespeech: Justizminister Heiko Maas möchte, dass soziale Netzwerke mehr gegen Hasskommentare und Fake News tun. Notfalls will er sie mit Bußgeldern dazu zwingen.

Justizminister Heiko Maas möchte, dass soziale Netzwerke mehr gegen Hasskommentare und Fake News tun. Notfalls will er sie mit Bußgeldern dazu zwingen.

(Foto: AP)
  • Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf gegen Hasskommentare und Fake News im Kabinett verabschiedet.
  • Netzwerke wie Facebook sollen mit Bußgeldern dazu gebracht werden, rechtswidrige Inhalte schneller und gründlicher zu löschen.
  • Wirtschaftsverbände, Bürgerrechtler und IT-Anwälte kritisieren den Entwurf.

Von Marvin Strathmann

Kommentarspalten zählen meist zu den unangenehmeren Orten im Internet. Unter Facebook-Postings, Youtube-Videos oder Artikeln von Online-Medien sammeln sich Beleidigungen und Drohungen. Wer zur Zielscheibe des Hasses wird, kann sich kaum wehren: Auf Beschwerden reagieren die Plattformbetreiber oft nur langsam oder gleich gar nicht.

Ein weiteres Problem sind die sogenannten "Fake News". Der schwammige Begriff vermischt zwar unterschiedliche Phänomene, dahinter verbirgt sich aber eine reale Gefahr: Insbesondere in sozialen Netzwerken verbreiten sich Nachrichten ohne Faktengrundlage, die manchmal versehentlich, häufig aber mit voller Absicht verbreitet werden.

Die Bundesregierung diskutiert schon länger, wie sich die Flut der Hasskommentare und Falschbehauptungen eindämmen lässt. Justizminister Heiko Maas sieht Plattformbetreiber in der Pflicht und will den Druck auf Unternehmen wie Facebook erhöhen, damit diese strafbare Inhalte schneller löschen. Am Mittwoch hat das Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet.

Was steht im Gesetzentwurf?

An der ersten Version des Gesetzentwurfs (PDF bei Netzpolitik.org) gab es heftige Kritik. Bürgerrechtler und Netzaktivisten sahen die Meinungsfreiheit in Gefahr. Die Bundesregierung reagierte und schickte Ende März eine überarbeitete Fassung des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) an die EU-Kommission (PDF) - die allerdings an entscheidenden Stellen eher verschärft als abgemildert wurde. Im aktuellen Entwurf, den das Kabinett heute beschlossen hat, finden sich nur wenige Änderungen. Lediglich die Löschfristen wurden etwas großzügiger definiert.

Das Gesetz zielt darauf ab, große Netzwerke stärker in die Pflicht zu nehmen und ihnen mehr Verantwortung für die Inhalte zu übertragen, die Nutzer veröffentlichen. Das betrifft alle Plattformen mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland. Darunter fallen etwa Youtube, Facebook oder Xing. Allerdings ist die Definition im Gesetz vage. So könnten auch Whatsapp oder Dropbox von den Regelungen betroffen sein.

Die Netzwerke sollen "offensichtlich rechtswidrige" Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen. Kommentare, bei denen die Strafbarkeit weniger offensichtlich ist, müssen innerhalb von sieben Tagen von den Plattformen verschwinden. Aber was sind rechtswidrige Inhalte? Das Gesetz verweist auf gleich 24 Paragraphen im Strafgesetzbuch, von Beleidigung über die Bildung krimineller Vereinigungen bis zur Volksverhetzung.

Netzwerkbetreiber sollen regelmäßig berichten, wie viele Beschwerden sie erhalten haben, wie viele Inhalte gelöscht wurden und wie viel Zeit zwischen Beschwerde und Löschung vergangen ist. Außerdem müssen sie angeben, wie viele Mitarbeiter sie dafür einsetzen. Dem Entwurf nach wird ein solcher Bericht alle drei Monate fällig.

Wenn eine Plattform strafbare Inhalte nicht schnell genug entfernt, drohen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro. Allerdings strebt die Regierung bei den Bußgeldern ein "behutsames Vorgehen" an, sofern ein Netzwerk glaubt, dass bestimmte Inhalte nicht gegen Gesetz verstoßen. Die Rechtswidrigkeit soll erst eindeutig geklärt werden, bevor die Unternehmen Strafen bezahlen sollen.

Ein weiterer Punkt ist besonders umstritten: Menschen, deren Persönlichkeitsrechte verletzt werden, sollen sich direkt an die Netzwerke wenden und erfahren können, wer die Rechtsverletzung begangen hat. Zwar spricht das Ministerium in diesem Zusammenhang von einem Richtervorbehalt. Im Gesetzentwurf selbst ist aber nicht festgehalten, dass ein Richter die Herausgabe der Daten explizit anordnen muss.

Was sind Fake News?

Seit Trumps Wahlsieg breitet sich der Begriff "Fake News" aus. Häufig werden dabei Lügen und Falschbehauptungen, Propaganda und journalistische Flüchtigkeitsfehler in einen Topf geworfen. Im engeren Sinne beschreibt das Modewort Fake News aber ein altes Problem: absichtlich erstellte Falschmeldungen, meist mit dem Ziel, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und den politischen Gegner zu diskreditieren.

Da wird dann ein syrischer Flüchtling zum Terroristen, erklärt Donald Trump die Republikaner zur dümmsten Wählergruppe in den USA und verteidigt Renate Künast einen mutmaßlichen Mörder - alles frei erfunden. Manchmal bezeichnen Politiker auch missliebige Meinungen und Interpretationen, unabsichtliche Fehler der Medien oder Satire, etwa Meldungen des Postillon oder der Heute Show, als Fake News.

Neben politischer Stimmungsmache kann auch Geld ein Motiv sein, um Lügen in die Welt zu setzen. Im Internet kommt es meist nur darauf an, wie oft eine Seite aufgerufen oder geteilt wird. Unternehmen, die Werbung schalten, erfahren häufig gar nicht, neben welchen Inhalten ihr Name oder Produkt erscheint. Ihnen geht es nur darum, möglichst viele potenzielle Käufer oder Kunden zu erreichen.

Hasskommentare, Reaktionen, der weitere Ablauf

Was sind Hasskommentare?

"Fake News" und Begriffe wie Hasskommentare, Hatespeech oder Hetze haben eines gemeinsam: Sie sind schwammig und juristisch nicht genau definiert. Was der eine als scharfe, aber legitime Kritik empfindet, ist für den anderen schon eine üble Beleidigung, die so nicht stehen bleiben sollte. Auch deshalb ist es so schwer, Plattformen wie Facebook zur Löschung zu verpflichten: Wer soll entscheiden, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Strafbarkeit verläuft, wenn sich oft nicht mal Juristen einig sind?

Natürlich gibt es auch viele Fälle, in denen die Rechtslage eindeutig ist: Manche Tweets oder Facebook-Kommentare sind ohne jeden Zweifel als Beleidigungen, Verleumdungen oder Volksverhetzungen zu werten und daher nach deutschen Gesetzen strafbar. Da spielt es auch keine Rolle, ob diese Äußerungen im Supermarkt oder auf Facebook fallen - denn obwohl manche Politiker gerne vor einem "rechtsfreien Raum" warnen, galten und gelten die Gesetze natürlich auch im Internet.

Doch bis Seitenbetreiber einen eindeutig strafbaren Hasskommentar löschen, dauert es oft lange: Alleine Facebook mit seinen bald zwei Milliarden Nutzern muss täglich viele Millionen Inhalte überprüfen und ist damit überfordert. Mit seinem Gesetz will Maas erreichen, dass die Unternehmen ihre Anstrengungen intensivieren, deutsches Recht achten und sich nicht mehr auf national unterschiedliche Auslegungen von Meinungsfreiheit berufen.

Wie sind die Reaktionen auf den Gesetzentwurf?

Die meisten Verbände, Bürgerrechtsorganisationen und IT-Anwälte sind sich einig: Der Entwurf ist problematisch, beinhaltet handwerkliche Fehler und bedroht Meinungsfreiheit und Anonymität im Internet.

Die beiden Branchenverbände eco und Bitkom kritisieren Maas' Vorschlag scharf. Oliver Süme, bei eco für Politik und Recht zuständig, hält die Löschfrist von 24 Stunden für nicht ausreichend. Viele Fälle seien einfach zu komplex, um in so kurzer Zeit zu entscheiden. "Grundsätzlich sehen wir bei starren Fristen die Gefahr der wahllosen Löschkultur, sogenannte Chilling Effects. Es wird im Zweifel mehr gelöscht, als notwendig wäre", sagt Süme.

Bitkom hält das Gesetz für ungeeignet, um Hasskommentare im Netz einzudämmen. Der Branchenverband kritisiert ebenfalls den Löschzeitraum und bezeichnet es als problematisch, dass nicht genau definiert werde, welche Plattformen als Netzwerke gelten sollten: "Grundsätzlich kann jede Online-Kommunikation von dem Gesetz betroffen sein. Dies beinhaltet große Spieleplattformen, auf denen sich die Nutzer auch in Foren oder Chats austauschen, ebenso wie E-Mail-Kommunikation", sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in einem Statement.

Auch bei der Amadeu Antonio Stiftung, die sich unter anderem gegen Hasskommentare im Netz einsetzt, trifft der Vorstoß auf Widerstand: "Einzelne Teile des Gesetzentwurfs sind sinnvoll. Zum Beispiel, dass soziale Netzwerke einen konkreten Ansprechpartner bestimmen müssen", sagt Johannes Baldauf, der Internetexperte der Stiftung. "Allerdings droht als Konsequenz dieses Gesetzes, dass die Meinungsfreiheit faktisch massiv beschränkt wird. So wird das Problem mit Hetze im Netz nicht gelöst." Es sei sinnvoller, Polizei und Justiz für das Thema zu sensibilisieren und eine eigene Staatsanwaltschaft für Hasskommentare einzurichten, meint Baldauf.

Eine Bedrohung der Meinungsfreiheit fürchtet auch der Deutsche Journalistenverband. Ähnliche Bedenken kommen vom Bürgerrechtsverein Digitale Gesellschaft. Zusätzlich ist für den Verein der rechtssichere Betrieb vieler Online-Diensten in Gefahr. Niko Härting, Fachanwalt für IT-Recht, geht noch einen Schritt weiter und spricht vom Ende der Anonymität im Netz. Seiner Interpretation des Gesetzentwurfs zufolge könnte ein Politiker die Anschrift eines Twitter-Nutzers bald vom Netzwerk selbst einfordern, wenn er sich verunglimpft fühlt.

Das wiederum sieht sein Kollege Thomas Stadler anders: Ein Auskunftsanspruch für Privatpersonen sei so einfach nicht möglich. Dennoch hält auch Stadler das geplante Gesetz für unausgegoren. "Was wir stattdessen sehen, ist nur ein weiterer handwerklicher Mangel eines insgesamt nicht wirklich stimmigen Gesetzesentwurfs", schreibt er.

Nur von Seiten des Deutschen Richterbundes kommt verhaltenes Lob. Er hält es grundsätzlich für sinnvoll, dass der Justizminister gegen Hasskommentare und Fake News vorgehen will. Im Unterschied zu den anderen Kritikern geht den Richtern der Entwurf nicht weit genug. Die Behörden müssten noch mehr Unterstützung erhalten, um die strafbaren Inhalte verfolgen zu können, fordert der Richterbund.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Entwurf der Bundesregierung wird nun vom Bundestag diskutiert. Große Änderungen sind aber nicht mehr zu erwarten, schließlich drängen SPD und Union seit Langem auf ein Gesetz gegen Hasskommentare und Fake News. Auch von der Opposition kam bisher eher verhaltene Kritik. Läuft für Maas alles nach Plan, wird das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im September verabschiedet.

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