Smartphones:Wie Reparatur-Profis an Handys rumschrauben

Einmal nicht aufgepasst, schon splittert das Display. Aber sogar einen Akku zu tauschen, ist bei modernen Smartphones schwierig. Manchmal muss die Saugglocke ran.

Von Helmut Martin-Jung, Potsdam

Die Vorrichtung wirkt, nun ja, experimentell. Viel nackter Stahl, ein großes Gewinde, eine Gummi-Saugglocke und ein Hebel - so sehen Geräte aus, die nicht für den Endverbraucher gedacht sind. Sondern die in einer Werkstatt stehen, wo es einen Job zu erledigen gibt. In das Präzisionswerkzeug jedoch wird etwas eingespannt, das ganz und gar für den Konsumenten gestaltet wurde. Es ist ein mit Hightech vollpfropftes Designerstück aus hochfestem Glas, Metall, Kunststoffen und einer Vielzahl seltener Metalle. Es ist ein teures Smartphone, und es ist kaputt.

Früher konnte man Handys aufschrauben, der Akku war ohnehin fast immer wechselbar, und wer mehr Speicher wollte, steckte für kleines Geld ein kleines Kärtchen in das Gerät. Zumindest in der Smartphone-Oberklasse wird das aber mehr und mehr zur Seltenheit. "Aktuell ermöglicht die Politik, dass für die Mülltonne produziert wird", klagt die Umweltorganisation Germanwatch. Die Hersteller kontern, produziert werde, was der Markt verlange. Superschlanke Handys mit großem Bildschirm und trotzdem noch vernünftig dimensioniertem Akku müssten eben so sein: Verklebt, nicht verschraubt. Akku selber wechseln? Unmöglich.

"Wasserschäden sind das Schlimmste", sagt der Experte

Also braucht es, um sie aufzukriegen, Spezialgeräte wie das mit der Saugglocke. Vorsichtig trägt der junge Mann in der Werkstatt der Firma Let me repair in Potsdam Alkohol auf das vor ihm liegende Handy auf. Er soll den Kleber lösen, mit dem das Glas des Bildschirms am Rest des Gehäuses befestigt ist. Nun kommt die Saugglocke zum Einsatz. Vorsichtig hebt der Reparaturspezialist mithilfe des Hebels das hauchdünne Glas an, trägt noch einmal Alkohol auf, hebt das Glas wieder ein Stück - bis er es schließlich in der Hand hält. Nun kann er sich daran machen, mit einem speziellen Elektroschrauber winzige Schrauben zu lösen, Flachkabel von empfindlichen Platinen zu zupfen - kein Job für Ungeduldige oder Menschen, die zum Zittern neigen.

Smartphones: Nicht für Amateure: In Spezialwerkstätten wie hier bei "Let me repair" in Potsdam werden reparierte Geräte mit hochpräzisen Instrumenten überprüft.

Nicht für Amateure: In Spezialwerkstätten wie hier bei "Let me repair" in Potsdam werden reparierte Geräte mit hochpräzisen Instrumenten überprüft.

(Foto: OH)

Es passiert so schnell: Einmal nicht aufgepasst, zack, liegt das teure Handy auf dem Boden, und das Bildschirmglas ist zersplittert. Oder das Gerät fällt - noch übler - ins Wasser. "Wasserschäden sind das Schlimmste", sagt Dirk Müller von Let me repair, "die kann man nicht reparieren." Andreas Beck, gelernter Ingenieur und Leiter des Bereichs Service bei Samsung Deutschland, sagt: "Wir versuchen schon, auf Board-Ebene zu reparieren, wir tauschen also nicht bloß Platinen aus." Aber bei einem Wasserschaden geht das nicht.

Denn die Platinen, nur wenige Zentimeter große, aus Leiterbahnen, Chips und anderen Bauteilen bestehende Elemente, sind aus Platzgründen aus bis zu acht Schichten aufgebaut. Wenn dort erst einmal Wasser eingedrungen ist, kann es immer wieder zu Fehlern kommen - auch Wochen oder Monate nach dem Wasserbad. Und knicken darf man sie auch nicht, "sonst sind sie Schrott", sagt Beck.

Ist aber nur ein bestimmtes Bauteil defekt, etwa ein Kondensator oder eine aufgelötete Buchse, werfen die Reparateure nicht gleich die ganze Platine weg, sondern löten das defekte Teil aus und ein neues ein. Das gilt auch für Großgeräte wie Fernseher. Zwar setzen die Techniker, wenn sie beim Kunden sind, oft eine neue oder wiederaufgearbeitete Platine ein. Die defekte nehmen sie aber mit und versuchen, sie zu reparieren - weil es sich auch finanziell lohnt, wie Samsung-Service-Chef Beck sagt.

Fachwissen und Vorsicht sind dafür gleichermaßen vonnöten, die Platinen sind zum Beispiel sehr empfindlich gegen elektrische Schläge. Was Menschen als unangenehmes Knistern spüren, wenn sich eine statische Aufladung entlädt, liegt schon weit über der Schwelle, die elektronische Bauteile beschädigen kann. Jeder, der sich hier im Reparaturbetrieb aufhält und den Geräten nahekommt, muss daher spezielle Kleidung tragen und mit einem Bändchen an jedem Schuh geerdet sein. Bevor man die mit einem gelben Streifen am Boden markierten Bereiche betreten darf, wird das auch mit einem Messgerät überprüft.

Smartphones: In den Spezialwerkstätten wird auch an den Platinen gelötet.

In den Spezialwerkstätten wird auch an den Platinen gelötet.

(Foto: OH)

Bei Apple wird oft das Gerät ganz ausgetauscht

Auch die reparierten Platinen kommen nicht ohne Prüfung wieder in den Verkehr. Damit die Spannungsverhältnisse wieder genau stimmen, müssen sie vermessen und gegebenenfalls neu kalibriert werden, erklärt Reparatur-Experte Müller. Tut man das nicht, kann es zu ähnlich rätselhaften Ausfallerscheinungen kommen wie nach einem unentdeckten Wasserschaden. Eine solche Prüfung kann der Bahnhofs-Reparaturshop natürlich nicht leisten. Schon das Gerät, mit dem die Messungen der Platinen vorgenommen werden, kostet zwischen 50 000 und 70 000 Euro. Und der Messplatz, an dem geprüft wird, ob das reparierte Handy auch auf allen Kanälen richtig funkt, kostet noch einmal gut 80 000 Euro.

Doch wenn es um einfachere Aufgaben geht, etwa den Austausch einer gebrochenen Scheibe vor dem eigentlichen LCD-oder Oled-Bildschirm oder einen Akkuwechsel, bieten solche Shops Reparaturen oft günstiger an. Große Hersteller wie Samsung sind darüber nicht sonderlich glücklich. Sie arbeiten lieber mit zertifizierten Betrieben wie dem in Potsdam zusammen.

Diese werden dann auch ausgestattet mit speziellen Werkzeugen. Die freien Reparateure dagegen müssen improvisieren.

Samsung hat in den vergangenen Jahren in deutschen Großstädten auch insgesamt neun eigene Service-Zentren eröffnet, aber nicht wie Apple in den Stadtzentren, sondern meist in Randlagen. Viele Reparaturen können dort binnen einer Stunde gleich an Ort und Stelle ausgeführt werden, etwa 20 000 Kunden sprechen pro Monat vor - die meisten übrigens nicht wegen eines Defektes an der Hardware, sondern weil sie zum Beispiel mit einem Software-Update nicht zurechtkommen.

Smartphones: Für Smartphones mit verklebten Bauteilen gibt es Spezialwerkzeuge zum Öffnen.

Für Smartphones mit verklebten Bauteilen gibt es Spezialwerkzeuge zum Öffnen.

(Foto: OH)

Apple und Sony verfolgen eine andere Politik, sie tauschen bei Hardware-Problemen oft gleich das ganze Gerät aus, auch bei Reparaturen außerhalb der Garantiezeit. So bekommt der Kunde schneller wieder ein funktionierendes Handy. Bei der Zufriedenheit der Kunden mit dem Service führt Apple das Feld an, wie unabhängig voneinander das Verbraucherportal Verivox und die Fachzeitschrift c't in Umfragen ermittelt haben. Apple tauscht der c't-Umfrage zufolge in 69 Prozent der Fälle aus, Sony in 29, bei Samsung sind es demnach nur neun Prozent, 91 Prozent werden repariert. Einen Sonderweg geht Google: Wer sein Handy bei dem Internetkonzern gekauft hat, bekommt schon vor der Reparatur ein Austauschgerät. Erst wenn der Kunde das in Händen hält, muss er das defekte Gerät einschicken.

Entgegen der sonstigen Preispolitik der Firma sind Reparaturen bei Apple vergleichsweise günstig. Ein Displaytausch kostet etwa für das iPhone 6 moderate 127 Euro, für das jüngste Spitzenmodell 6s sind es 147 Euro. Für Geräte anderer Hersteller werden dagegen meist um die 200 Euro oder mehr fällig. Apple liefert übrigens an freie Reparateure keine Ersatzteile. Alles, was einem beim Handy-Doktor in ein Apple-Gerät eingebaut wird, ist also ein Nachbau. Die Qualität kann daher unterschiedlich sein.

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