Süddeutsche Zeitung

Hacker veröffentlichen brisantes Dokument:Paktieren Apple und Co. mit dem indischen Geheimdienst?

Nokia, Apple und der Blackberry-Hersteller Research in Motion sollen für den Zugang zum indischen Markt den Geheimdiensten des Landes Überwachungsmöglichkeiten eingeräumt haben - und damit unter anderem die Ausspähung einer US-Regierungsbehörde ermöglicht haben. Doch ist das von Hackern veröffentlichte Beweisdokument echt?

Johannes Kuhn

Sollte sich dieses Dokument als echt erweisen, das die Hackergruppe "Lords of Dharmaraja" veröffentlicht hat, dürften einige IT-Firmen in Erklärungsnot geraten: Um Zugriff auf den indischen Markt zu bekommen, sollen Nokia, Research in Motion (RIM) und Apple dem indischen Geheimdienst CBI in ihren Systemen eine Spionage-Hintertür geöffnet haben.

In dem Dokument mit Namen "Taktisches Netzwerk für Handy-Überwachung", das die Hacker von den Servern indischer Geheimdienste gestohlen haben wollen, ist von einer "technischen Vereinbarung" die Rede, die notwendig sei, um das "Bleiberecht mobiler Gerätehersteller" mit der indischen Datenüberwachung in Einklang zu bringen. Kurz: Die Unternehmen dürfen in Indien weiter ihre Smartphones verkaufen, erlauben aber den Behörden Zugriff auf die Kommunikation ihrer Kunden.

Im Dokument enthalten ist auch ein vermeintlich ergatterter E-Mail-Austausch von Mitgliedern einer amerikanischen Regierungsbehörde, der "U.S.-China Economic and Security Review Commission" (USCC) aus dem Jahr 2011, in dem diese über interne Abläufe der Kommission diskutieren - als Beweis für die Früchte, die der Einsatz der Spionage-Hintertür bringt. Die Wortlaute stammen Stichproben zufolge nicht aus den öffentlichen Anhörungen, die im Netz transkribiert vorliegen. In den kommenden Tagen wollen die Hacker weitere Informationen dazu veröffentlichen.

Noch ist nicht gesichert, ob das veröffentlichte Material echt ist - ein Sprecher des indischen Militärs, dessen Geheimdienst laut Text ebenfalls involviert sein soll, spricht von einer Fälschung mit bösartigen Absichten. Inzwischen wird der Vorfall laut einer ungenannten Quelle aus der US-Regierung untersucht.*

Wir haben bei folgenden Akteuren nachgefragt (die Antworten werden ergänzt, sobald sie vorliegen):

USCC: Einer Sprecherin zufolge steht die USCC mit den Strafverfolgungsbehörden in Verbindung, um die Berichte zu untersuchen.*

Apple: Laut Sprecherin Trudy Muller hat Apple in seinen Produkten der indischen Regierung keinen Hintertür-Zugang gegeben.*

Research In Motion: Keine direkte Antwort, nur ein Hinweis auf die "Regeln zum gesetzmäßigen Zugang". Gegenüber dem Register ließ man verlauten, dass das Unternehmen überhaupt keine Möglichkeit hätte, die Verschlüsselung der Nutzer herauszugeben.*

Nokia: "Wir können keinen Kommentar zur Echtheit des zitierten Berichts abgeben, versichern aber, dass Nokia die Privatsphäre der Nutzer und ihrer Daten sehr ernst nimmt und wir die anwendbaren Datenschutz- und Persönlichkeitsschutzgesetze befolgen."

Wir haben auch kurz mit dem renommierten IT-Experten Christopher Soghoian telefoniert, der sich mit Überwachungstechniken im digitalen Raum beschäftigt und als einer der Ersten auf das veröffentlichte Dokument hinwies. Hier das Interview:

Süddeutsche.de: Was halten Sie vom veröffentlichten Dokument?

Soghoian: Es gibt keine Möglichkeit, es zu verifizieren. Der Sprache zufolge kennt sich der Verfasser mit der Materie aus und verwendet Phrasen aus der Bürokratie. Es könnte echt sein - oder eine ausgefeilte Fälschung.

Süddeutsche.de: Welche Rolle spielen die betroffenen Unternehmen in Indien?

Soghoian: Die indische Regierung drohte RIM ja vor einger Zeit mit dem Ausschluss vom Markt, wenn es den Behörden keinen Einblick in die Nachrichten von Blackberry-Kunden gibt. Man einigte sich schließlich, aber wie genau das aussah, wissen nur die Behörden, RIM und vielleicht noch die indischen Telekomanbieter. Für Nokia ist Indien ein wichtiger Markt, gerade bei den schrumpfenden Marktanteilen weltweit, zudem liefert Nokia-Siemens Überwachungstechnologie. Sollte das Dokument echt sein, wäre die Beteiligung dieser beiden Unternehmen also keine Überraschung.

Süddeutsche.de: Und Apple?

Soghoian: Apple wurde bislang noch nicht öffentlich aufgefordert, iPhones abhörbar zu machen, weder von Indien, noch von anderen äußerst neugierigen Staaten wie Bahrain, Pakistan oder Libanon. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre das eine unglaubliche Nachricht. Stellen Sie sich vor, Apple würde als US-Konzern Indien eine Hintertür öffnen, damit dessen Geheimdienste amerikanische Regierungsbehörden ausspionieren: da würden einige Fragen aus Washington kommen, bei denen ich nicht in den Schuhen von Apple-Anwälten stecken möchte. Zudem benutzen ja nicht nur Amerikaner iPhones - auch deutsche Politiker hätten gute Gründe, von Apple Erklärungen zu verlangen.

Süddeutsche.de: Abseits des aktuellen Falles: Das Argument beim Zugriff auf Daten lautet bislang meist Schutz vor Terrorismus und Verbrechen. Wie sieht das in der Praxis aus?

Soghoian: Das Konzept des "gesetzmäßigen Zugangs", die Einrichtung von Software-Hintertüren zielt im Großteil der Fälle eben nicht darauf, Kinderpornographie zu stoppen oder Terroristen und Drogendealer zu fangen. Es wurde bereits in der Vergangenheit für simple Spionagezwecke angewendet. Die Implikationen dieser Praxis sind weitreichend - bis hin zu der Debatte, ob ich als Politiker noch Handys von ausländischen Herstellern verwenden kann.

*Update 10. Januar, 11 Uhr.

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