Hacker-Kollektiv:Anonymous braucht die Grundsatzdebatte

Der Angriff auf die US-Firma Stratfor war unnötig und sorgt selbst bei Anonymous-Sympathisanten für Kritik. Die lose Organisationsform erschwert eine Debatte über Ethos und Ziele der Cyber-Aktivisten - doch das darf kein Grund für die Anonymous-Mitglieder sein, dieser Diskussion auszuweichen.

Johannes Kuhn

Es ist charmant, sich den Robin Hood der Gegenwart als Hacker aus dem Anonymous-Kollektiv vorzustellen: Mit ein paar Code-Schnipseln steigt er in das System eines Schurken-Unternehmens ein und findet dort einen Schatz an Kreditkarten-Daten, mit deren Hilfe er Millionensummen an die Bedürftigen verteilt.

Hacker-Kollektiv: Die Aktivisten von Anonymous (Symbolbild) sind inzwischen durchaus mächtige politische Akteure - und müssen genau deshalb klarer definieren, für was das Kollektiv steht.

Die Aktivisten von Anonymous (Symbolbild) sind inzwischen durchaus mächtige politische Akteure - und müssen genau deshalb klarer definieren, für was das Kollektiv steht.

(Foto: AFP)

Allerdings entpuppt sich die schlagzeilenträchtige Wohltäteraktion der Hacker aus dem Anonymous-Umfeld bei genauerem Hinsehen als schlechte Idee.

Die attackierte Sicherheitsberatung Stratfor hat zwar Kunden aus dem Militärbereich. Doch sie arbeitet auch für Hilfsorganisationen und Privatpersonen. Zudem bietet sie offensichtlich keinen Zugang zu Geheimwissen, mit dessen Hilfe Kriege geführt werden können, sondern sie erstellt Dossiers zu außenpolitischen Themen.

Doch nicht nur das Ziel, sondern auch der Zweck war schlecht gewählt: Die Organisationen, die Spenden erhalten, werden diese auf Geheiß der Kreditkartenfirmen unter großem bürokratischen Aufwand zurückbuchen müssen. Kein einziger Dollar dürfte für den guten Zweck fließen.

Wofür steht Anonymous?

2011 sind die anonymen Hacker zum politischen Akteur geworden: Die Aktivisten unterstützten die Protestierenden in der arabischen Welt, machten die Occupy-Bewegung bekannt und legten sich mit einem mexikanischen Drogenkartell an. Doch die lose Organisation der Gruppe, ein hierarchieloses Kollektiv, erschwert Debatten über Ziele und Ethos - prinzipiell kann jeder im Namen von Anonymous agieren.

Dass Mitglieder die jüngste Aktion klar als sinnlosen Datendiebstahl benennen, zeigt, dass Diskussionsbedarf herrscht. Auch wenn die Organisationsform die Entscheidungsfindung erschwert - es ist nicht unmöglich, einen Rahmen festzulegen, in dem die Gruppe agiert. Im kommenden Jahr sollte Anonymous deshalb klarmachen, für was das Kollektiv steht.

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