Hacker gegen Scientology:Kirchenstürmer.org

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Zunächst hackten anonyme Aktivisten die Website der Scientology-Kirche. Jetzt gehen sie weltweit gegen die Sekte auf die Straße. Ein Mitglied des Netzwerks erklärt warum.

Mirjam Hauck

Nachdem ein Scientology -internes Video mit Tom Cruise den Weg ins Netz gefunden hat, versuchte die Sekte dessen Löschung bei Youtube und auf anderen Internseiten durchzusetzen. Am heutigen Sonntag wollen Scientology-Gegner weltweit dagegen auf die Straße gehen - in Deutschland in Berlin, Hamburg und Düsseldorf.

Demonstrantin vor der Scientology-Zentrale in Berlin: Das Netzwerk "Anonymous" will seinen Protest vom Internet auf die Straße ausweiten. (Foto: Foto: Reuters)

Der Ursprung der dezentral organisierte Protestbewegung liegt im Internet, in dem Wiki "Projekt Chanology". Dahinter steckt ein Netzwerk von Aktivisten mit dem Namen "Anonymous", das bislang mit den drei Videos "Message to Scientology" "Code of Conduct" und "Call to Action" sowie mit Hackangriffen gegen die offizielle Scientology-Website für Aufsehen gesorgt hat.

Sueddeutsche.de sprach mit einem der Aktivisten, der wie die gesamte Gruppe unerkannt bleiben möchte und sich anon002 nennt.

sueddeutsche.de: Was verbirgt sich hinter Anonymous und dem Project Chanology?

anon002: Das Wesen des Projekts ist, dass es dezentral organisiert ist. Es gibt niemanden, der das steuert, sondern es finden sich im Netz langjährige Scientology-Gegner zusammen. Sie stellen Informationen ins Internet und organisieren die weltweit stattfindenden Demos. Jeder von uns macht das, was er am besten kann.

sueddeutsche.de: In die Öffentlichkeit ist "Anonymous" mit dem martialischen Video "Message to Scientology" getreten, das der Organisation den Krieg erklärt. Daraufhin folgten Hackerangriffe gegen deren Website, die nicht nur juristisch illegal sind, sondern teilweise auch Unbeteiligte trafen. Ist das der richtige Weg, um sich zu wehren?

anon002: Die Hackerangriffe sehe ich durchaus ambivalent. Dass Unbeteiligte von des Angriffen betroffen waren, finde ich nicht richtig. Aber unsere Aktionen haben dazu geführt, dass Öffentlichkeit und Medien Scientology kritischer betrachten. Ich sehe diese ersten Aktionen als Startschuss für weitere friedliche Proteste wie Demonstrationen und Informationskampagnen gegen eine totalitäre und menschenverachtende Sekte. Das Project Chanology kam ins Rollen, weil Scientology das Video, in dem Tom Cruise unter anderem davon spricht, dass die Welt frei von Supressive Persons, also Scientology-Gegnern, sein soll, aus dem Netz nehmen wollte. Das ist ihnen nicht geglückt - auch weil es inzwischen einfach zu viele sind, die das entlarvende Video ins Internet gestellt haben.

sueddeutsche.de: Sie verlagern den Protest jetzt vom Netz auf die Straße. Kann man online nicht genügend Menschen mobilisieren?

anon002: Wenn man auf der medialen Ebene den Kampf gegen Scientology gewinnen will, muss man das Netz verlassen und auf die Straße gehen. So erreichen wir deutlich mehr Öffentlichkeit. Der Protest auf der Straße soll auch zeigen, dass es viele sind, für die Scientology eine gefährliche Sekte ist. Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, dass Scientology die Weltherrschaft an sich reißen will. Aber Scientology arbeitet mit Stasi-Methoden. Sie diffamiert Gegner und stellt sie beispielsweise im Internet an den Pranger. Deshalb werden sich einige Demonstranten am Sonntag zwar nicht vermummen, da das verboten ist, aber sicher mit Mütze und Sonnenbrille auf die Straße gehen. Nur so können wir weiter anonym bleiben.

sueddeutsche.de: In Deutschland beobachtet der Verfassungsschutz Scientology. Die Behörde sieht Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Scientology hat gegen diese Praxis geklagt. Das Verfahren wird am Dienstag beim Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Demos am Sonntag und dem Verfahren?

anon002: Nein, es ist purer Zufall. Der Startschuss der Proteste fiel in den USA. Aber wenn der öffentliche Protest dazu führt, dass die Gefährlichkeit der Sekte wieder stärker diskutiert wird und sich so jeder eine eigene Meinung bilden kann, dann kann uns das nur recht sein.

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