Grusel-Adventure "The Park":Hänsel und Gretel im Horror-Park

Grusel-Adventure "The Park": Kein Eingang ohne Taschenlampe: Im "Atlantic Island Park" findet der Spieler allerlei Anspielungen auf Figuren des Multiplayer-Rollenspiels "The Secret World" - so zum Beispiel ein Graffiti über die angebliche Hexe Carrie Killian.

Kein Eingang ohne Taschenlampe: Im "Atlantic Island Park" findet der Spieler allerlei Anspielungen auf Figuren des Multiplayer-Rollenspiels "The Secret World" - so zum Beispiel ein Graffiti über die angebliche Hexe Carrie Killian.

(Foto: Funcom/PR)

Das bedrückende Computerspiel "The Park" hätte das Zeug zum Horror-Klassiker. Wäre da nicht der banale Grusel-Vergnügungspark.

Von Matthias Huber

"Das ist viel zu dunkel", sagt Lorraine, als sie am Eingang des Horror-Hauses steht. "Da gehe ich nicht rein." Tatsächlich enden die wenigen Schritte, die sich die alleinerziehende Mutter durch das weit geöffnete Maul des geisterhaften Papp-Kopfes wagt, in Dunkelheit. Also wieder raus und den langen Weg außenrum, in der Hoffnung, irgendwo eine Lichtquelle zu finden. Und das eine, große Problem des Horror-Adventures "The Park" wird offensichtlich.

Obwohl "The Park" kein langes Spiel ist - länger als zwei Stunden wird kaum jemand brauchen, um das Ende zu sehen -, steckt hier genug Material für zwei Erzählungen drin. Zwei Erzählungen, die zwar beide für sich genommen schöne Horrorgeschichten sind, aber nicht so recht zusammenpassen wollen.

Zuerst handelt das Spiel von einer jungen Frau, die nachts im verlassenen Vergnügungspark "Atlantic Island Park" ihren Sohn Callum sucht. Jede Menge Notizzettel und Dokumente offenbaren nach und nach den Plan des Parkgründers Nathaniel Winter: Mit Hilfe schwarzer Magie sollen die Achterbahnen, Autoscooter und anderen Attraktionen Besuchern Lebenskraft entziehen und ihm so selbst ewiges Leben verleihen. "Was macht es schon", schreibt Winter, "wenn ein paar Besucher am Abend etwas erschöpfter sind, als sie es sonst wären? Oder wenn sie im Geisterhaus und in der Achterbahn noch ein wenig mehr Angst haben als normal?"

Diese erste Hälfte des Spiels ist nicht nur eine klassische Gruselgeschichte. So banal die Achterbahnfahrten und Schießbuden-Schockeffekte auch sein mögen: Sie sind gleichzeitig wunderbare Hommage an "The Secret World", ein Multiplayer-Rollenspiel aus dem Jahr 2012. Es wurde damals zwar von der Kritik für seine großartig erzählten Geschichten gefeiert, vergraulte zahlungswillige Spieler aber zu schnell mit einem hakligen Kampfsystem und einem unzeitgemäßen Abo-Modell. Funcom, die Firma hinter "The Secret World" und "The Park", schlitterte in den vergangen Jahren wegen dieses Misserfolgs knapp an der Pleite vorbei. Auch in "The Secret World" besuchte der Spieler den "Atlantic Island Park". Viele der Figuren, die in "The Park" auftauchen oder erwähnt werden, sind alte Bekannte aus dem fiktiven Ort in New England, der in "Secret World" von Monster-Horden überrannt wurde.

Grusel-Adventure "The Park": Das Kinderzimmer von Callum ist verlassen.

Das Kinderzimmer von Callum ist verlassen.

(Foto: Funcom/PR)

"Ich sollte den kleinen Scheißkerl einfach verrecken lassen"

Diese eigentlich sympathische Idee trägt aber leider kein ganzes Spiel: In der zweiten Hälfte wird der liebevoll erzählte Vergnügungspark-Grusel zu einem beliebig wirkenden Bühnenbild. Die viel interessantere Geschichte von "The Park" könnte fast überall und zu jeder Zeit spielen. Lorraine ist eine junge Mutter, die ihren Mann bei einem Unfall verlor. Mit der Aufgabe, sich allein um ihren Sohn zu kümmern, ist sie überfordert, verbringt wegen ihrer Depressionen sogar eine Zeit in einer psychiatrischen Klinik. In einer Szene des Spiels - der Spieler kann Lorraine per Tastendruck jederzeit nach Callum rufen lassen und erhält dafür manchmal einen Hinweis, in welche Richtung er weitergehen soll - verliert sie ganz die Nerven: "Ich sollte den kleinen Scheißkerl hier einfach verrecken lassen", sagt Lorraine. "Dann wären meine Probleme endlich vorbei." Sekunden später ruft sie wieder nach ihrem Sohn, weinend, entschuldigend, kann nicht fassen, was sie da gerade laut ausgesprochen hat.

Wenn die Psyche verzweifelt

Im Horror-Haus, in das sich Lorraine mit einer Taschenlampe dann doch noch traut, findet die verzweifelte Psyche der Protagonistin das perfekte Bild: Eine Nachbildung ihrer eigenen Wohnung. Verlassen ist das zerwühlte Bett von Callum, ein Zettel liegt daneben, ein Kind hat darauf mit roten Wachsmalkreiden "Ich liebe dich, Mami" gekritzelt. Der Fernseher im Wohnzimmer zeigt nur Schneegestöber, auf dem Tisch liegt noch der Brief des Arztes, der Lorraines Entlassung aus der Psychiatrie bescheinigt.

Grusel-Adventure "The Park": Ein bisschen wie bei Hänsel und Gretel - aber wer ist eigentlich die Hexe?

Ein bisschen wie bei Hänsel und Gretel - aber wer ist eigentlich die Hexe?

(Foto: Funcom/PR)

"The Park" lässt den Spieler tief in die Geisteswelt seiner von Schuldgefühlen zerrissenen Heldin abtauchen. Hinter jeder Tür wartet eine neue Version der immer gleichen verlassenen Wohnung, und mit jeder Version wird der Wahnsinn greifbarer. Erst sind da nur ein paar Blutflecken auf Callums Bett, dann tauchen in Buchtiteln auf den Regalen Fetzen von Lorraines eigener Geschichte auf. Auf einem Rubikswürfel im Kinderzimmer hat jemand die Worte "Let him die" und "See her cry" geschrieben: "Lass ihn sterben", "Sieh ihr beim Weinen zu". Aus der Genesungsbescheinigung des Arztes wurde ein hasserfüllter Brief, der der Patientin nahelegt, "alle Drogen zu nehmen, die sie in die Finger kriegen kann". Sonst könne ihr sowieso nichts mehr helfen.

Was als schön erzählte, aber etwas banale Gruselgeschichte beginnt, wird in der zweiten Spielhälfte zu einer cleveren Horror-Parabel: Der immer wiederkehrende Weg durch die verlassene und allmählich zerfallende Wohnung lässt die Frage offen, ob Lorraine vielleicht doch selbst etwas mit dem Verschwinden ihres Sohnes zu tun hatte. Die Artefakte, die "The Park" seinem Spieler immer wieder vorlegt - zerrissene und beschmierte Dokumente, auf denen Tränen die Schrift unleserlich gemacht haben - treffen dabei immer eine verzweifelte Balance aus Wut und Trauer. Der Besuch im "Atlantic Island Park" mag nicht mehr als oberflächliche Unterhaltung sein. Die Szenen in Lorraines Kopf hätten das Zeug zum Horrorfilm-Klassiker.

"In einer frühen Version des Märchens Hänsel und Gretel", sagt Lorraine einmal, "gab es keine Hexe, sondern es war die Mutter selbst, die ihre Kinder essen wollte." Im Ofen der Küche, durch die sie dabei geht, brennt eine Spielzeugpuppe.

The Park ist seit 23. Oktober für PC erhältlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: