Googles Marktmacht:Der Gorilla und die Regeln

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Google zuckersüß: Die Dominanz des Internetriesen erinnert an Microsoft. (Foto: Bloomberg)

Früher war Microsoft der 800-Pfund-Gorilla, der sich einfach dort hinsetzte, wo er wollte. Heute ist es Google, und wie damals wäre es angebracht, über eine Aufteilung in kleinere Einheiten nachzudenken.

Ein Kommentar von Helmut Martin-Jung

Wo setzt sich ein 800 Pfund schwerer Gorilla hin? Mit dieser Scherzfrage wurde noch vor einigen Jahren gerne der Software-Konzern Microsoft charakterisiert. Ein 800-Pfund-Gorilla, das ist derjenige in einer Horde, der die Regeln macht. Microsoft, damals mit Windows und Office ein Quasi-Monopolist, dominierte den Markt für PC-Software in einer Weise, dass die Antwort in all ihrer witzig-lakonischen Kürze doch auch etwas Beunruhigendes hatte. Der Gorilla, er setzt sich hin, wo er will.

Microsoft ist noch immer größter Softwarehersteller der Welt, ist hochprofitabel, doch der Gorilla heißt jetzt anders. Er heißt Google.

Die Firma, gegründet 1998 von zwei Studenten, begann wie alle Start-ups mit einer Idee. Einer richtig guten Idee: Wichtig ist das, was viele wichtige Leute wichtig finden. Google wäre jedoch nie der Konzern geworden, der er heute ist, wäre nicht eine zweite Idee dazu gekommen. Die nämlich, über unaufdringliche Werbung die erste zu finanzieren.

Google sollte zerschlagen werden - so wie einst die Telefongesellschaft AT&T

Damit aber war der Grundstein gelegt für das, was der Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Institutes, Christoph Meinel, kürzlich als Tragik des Internetzeitalters bezeichnet hat. Dass nämlich die Leistungen, die von Firmen wie Google erbracht werden, nicht mit Geld, sondern mit Daten bezahlt werden.

Klar: Inserenten müssen auch bei Google für Anzeigen zahlen. Doch um wie viel wertvoller ist doch so eine Annonce, wenn zum Beispiel Mails zuvor auf zielgruppenrelevante Stichworte geflöht wurden. Wenn man, um es mit anderen Worten zu sagen, seine Pappenheimer kennt.

Und Google kennt seine Pappenheimer gut, also jene 90 Prozent deutscher Internetnutzer, die googeln, wenn sie etwas im Netz suchen. Er kennt sie gut, weil sie die immer besser funktionierende Suche nutzen, er kennt sie aber auch deshalb, weil Google schon lange kein bloßer Suchmaschinenanbieter mehr ist.

Von Google stammt Android, das am weitesten verbreitete Betriebssystem für Smartphones. Google stellt Chrome zur Verfügung, einen der drei großen Browser. Über sein weitverzweigtes Werbenetz wird der Konzern in die Lage versetzt, die Nutzer auf ihrem Weg durchs World Wide Web nicht lückenlos, aber doch sehr umfassend zu verfolgen.

Das alles würde eigentlich schon reichen, um angesichts der Marktmacht und der riesigen Datenschätze, die Google so anhäufen und analysieren kann, Bedenken zu hegen. Datenschützer tun dies schon länger, bisher ist gegen die Praxis des Konzerns, all die Daten zu horten - in, wie man versichert, anonymisierter Form - aber nichts Entscheidendes unternommen worden.

Doch es geht längst um mehr. Die Weltfirma Google hat nicht nur Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt abgelöst und spart sich durch Steuertricks Milliarden an Abgaben. Sie breitet sich auch mit rasender Geschwindigkeit auf eine Vielzahl von Geschäftsfeldern aus, die mit einer Internet-Suchmaschine nichts zu tun haben.

Nun ist es einem Unternehmen zum Glück nicht verboten, erfolgreich zu sein. Doch dass eine Firma Zugriff auf Daten hat vom vernetzten Heim über Autos, Roboter und Computerbrillen, vom Surfverhalten und wer weiß wie vielen anderen Geschäftsfeldern noch, das muss die Alarmglocken schrillen lassen. Und: Eine solche Firma erregt natürlich das Interesse von Datensammlern wie der NSA. Es wäre daher an der Zeit, einige Pflöcke einzuschlagen.

Auch Milliardenkonzerne bewegen sich, wenn man ihnen Strafen auferlegt

Erstens: Die auch von anderen Großkonzernen wie Apple oder Amazon geübte Praxis, in einem Land zu verdienen, die Steuern aber in einem Land mit Niedrigsätzen zu zahlen, muss aufhören.

Zweitens: Google sollte in mehrere Einheiten zerschlagen werden. Auch in den marktliberalen USA ist das bereits geschehen, mit der Telefongesellschaft AT&T, genannt Ma Bell, und ihren Baby Bells; bei Microsoft stand man kurz davor. Das wäre keineswegs ein Schlag gegen das zarte Pflänzchen Netz, es wäre ein Versuch, in einem bereits florierenden Garten eine alles überwuchernde Art zu zähmen.

Drittens: Europa hat beim Vorgehen gegen Microsoft bewiesen, dass auch Milliardenkonzerne sich bewegen, wenn man ihnen Strafen auferlegt, die sogar sie empfindlich spüren. Die EU sollte sich daher durchaus trauen, hart zuzulangen, wenn sich die Vorwürfe der Manipulation von Suchergebnissen zu Googles Gunsten als wahr herausstellen sollten.

Und natürlich bleibt es jedem Verbraucher unbenommen, sich abseits des bequemen Weges nach Alternativen umzusehen. Nicht dass die Konkurrenz weniger Daten sammeln würde. Es würde sich dann aber nicht alles bei einem einzigen Anbieter konzentrieren.

© SZ vom 22.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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