Süddeutsche Zeitung

Google Chrome OS:Die beschleunigte Browser-Revolution

Google macht seinen Webbrowser Chrome zum Betriebssystem und spendiert ihm gleich einen App-Store dazu. Doch die entscheidende Frage kann der Konzern nicht beantworten.

Johannes Kuhn

Es war eine Präsentation, die sich nur um eine einzige Frage drehte: Warum Chrome OS?

Das Rätsel der Google-Firmenpolitik, neben einem erfolgreichen Betriebssystem für Handys und Tablets (Android) auch ein browserbasiertes Betriebssystem für Netbooks (Chrome OS) zu entwickeln, wollten die Konzernverantwortlichen bei ihrer Präsentation in San Francisco an diesem Dienstag lösen.

Es gelang ihnen allerdings nur zum Teil.

Chrome OS, so wurden die Verantwortlichen nicht müde zu betonen, sei Googles Aufbruch in das Cloud Computing. Die erste detaillierte Vorstellung des Betriebssystems, das noch in der Testphase ist, sollte deshalb auch einen Blick auf die Vision Googles von der Zukunft der Computernutzung vermitteln. "Stellen Sie es sich wie eine Reise vor", schwärmte da auch entsprechend blumig Konzernchef Eric Schmidt.

Cloud Computing beschreibt die Auslagerung von Programmen ins Internet. Der Vorteil hierbei: Daten und Anwendungen können unabhängig von einzelnen Geräten gespeichert und aufgerufen werden, Rechner kommen mit weniger Speicher aus.

Googles Betriebssystem baut deshalb folgerichtig auf dem Browser Chrome auf, der inzwischen 120 Millionen Mal heruntergeladen wurde. In seinen Fenstern wird das komplette System verwaltet, da die Programme sowieso im Internet lagern. "Nichts als das Web" lautet der Google-Slogan - und damit Nutzer im Web auf der Suche nach Anwendungen fündig werden, eröffnet der Konzern einen Webstore.

Der Traum vom mobilen Menschen

Ähnlich wie beim App-Store für Apple-Geräte oder Android-Handys sind hier Programme von der Textverarbeitung bis zum Spiel zu finden. Auch die Anmutung der Anwendungen ist, der neue Webstandard html 5 macht es möglich, deutlich näher an der einer App als an einem Browser-Programm.

Zum Start stehen 500 Web-Apps zum Herunterladen zur Verfügung, zu ihnen gehören der Kindle-Reader von Amazon, diverse Spiele und eine Chrome-App der New York Times. Teilweise funktionieren die Apps auch ohne Internetverbindung, da mit Hilfe von html 5 komplexe Datensätze zwischengespeichert und offline aufgerufen werden können.

Der Traum von Google sieht in etwa so aus: Menschen arbeiten künftig von verschiedenen mobilen Geräten aus, die Programme und Daten rufen sie im Browser auf. Im Idealfall nutzen sie dabei Googles Betriebssysteme und Dienste wie die Office-Software Google Docs. Unternehmen könnten dabei ihre Daten kostenpflichtig komplett auf von Google gemieteten Servern lagern, auf die einzelne Mitarbeitern mit ihren Computern direkt zugreifen.

Die komplette Verschlüsselung von Nutzerdaten, die Chrome OS standardmäßig anbietet, macht den PC zum reinen Werkzeug: Bei Diebstahl enthält er keine Programme oder Informationen, die von Belang wären - alles Wichtige ist im Internet gespeichert.

Allerdings ist unklar, wie viele Nutzer der Google-Vision folgen möchten. Die Idee, sämtliche sensiblen Daten im Internet zu lagern, mag manchem noch fremd erscheinen - zumal, wenn die Informationen bei einem Konzern wie Google lagern, der wegen seiner Datensammelwut umstritten ist.

Hinzu kommt, dass das Marktsegment der speicherschlanken Netbooks, für die das System vor allem gedacht ist, derzeit kaum noch wächst - Tablets erobern sich gerade in diesem Bereich wichtige Anteile. Diese wiederum werden aufgrund des Touchscreens häufig mit Googles Handybetriebssystem Android ausgestattet.

Ein Notebook nur für Tester

Beobachter hatten deshalb im Vorfeld damit gerechnet, dass Google einen eigenen Laptop auf den Markt bringen würde, um Chrome OS Schwung zu verleihen. Diese Vermutung bestätigte sich nicht ganz: Zwar gibt es ein Google-Notebook mit der Bezeichnung "Cr-48", das zum Beispiel ohne Festplatte auskommt und sich standardmäßig für nicht-autorisierte Applikationen öffnen lässt.

Dieses wird vom Unternehmen allerdings nur für ausgewählte Tester von Chrome OS angeboten, dafür allerdings kostenlos. Mitte 2011 sollen Acer und Samsung dann erste echte Chrome-OS-Notebooks auf den Markt bringen. Diese sollen dann in den USA mit einem kostenlosen UMTS-Datenvolumen von 100 Megabyte pro Monat beim Mobilfunkanbieter Verizon erhältlich sein.

Dennoch bleibt die Frage, ob sich Chrome und Android nicht gegenseitig kannibalisieren werden. Fragen nach dem Handy-Betriebssystem wichen die Chrome-Entwickler am Dienstag aus: "Es sind zwei verschiedene Teams", hieß es schmallippig. Es scheint, als sei die Route der Google-Reise in die Zukunft den Verantwortlichen derzeit selber noch nicht ganz klar.

Anmerkung: Der Artikel enthält ein Update, in dem nicht mehr von Kompatibilität die Rede ist.

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