Google vs. Datenschutz:Herr Guidotti und der Fluch der Vergangenheit

Ein spanischer Arzt legt sich mit Google an, weil die Suchmaschine ihn als Pfuscher listet. Nun soll der Fall vor den Europäischen Gerichtshof.

V. Bernau und J. Cáceres

Anders als das menschliche Hirn vergisst das Internet nichts. Es kennt kein Pardon. Der in Madrid ansässige Chirurg Hugo Daniel Guidotti Russo weiß dies nur zu gut: Vor 20 Jahren erschien in der Zeitung El País ein Artikel, der ihn bis heute verfolgt. Das Blatt hatte über einen Rechtsstreit berichtet, in dem eine seinerzeit 21-Jährige über einen angeblichen Kunstfehler Guidottis klagte und eine Entschädigung von umgerechnet drei Millionen Euro forderte. Sie wollte sich ihren Busen anheben lassen, die Operation misslang. Guidotti sagt, die Geschichte sei längst ausgeräumt, Entschädigung nie gezahlt worden.

Seit das Archiv von El País digitalisiert wurde, muss Guidotti dennoch mit dem Stigma des Pfuschers leben: Wer seinen Namen bei der Internet-Suchmaschine Google eingibt, wird auch auf diesen Artikel verwiesen. Für Guidotti ist das geschäftsschädigend: Er betreibt bis heute eine Privatklinik für Schönheitsoperationen.

Der Fall Guidotti beschäftigt Spaniens Nationalen Gerichtshof - und könnte bald europaweit Wellen schlagen. Demnächst sollen sich die Richter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg mit Guidotti und ähnlichen Beschwerden beschäftigen. Ein heikler Zeitpunkt, denn auch die Europäische Kommission versucht derzeit, veraltete Datenschutzrichtlinien an die neuen Anforderungen des Internets anzupassen. Konkrete Vorschläge sollen im Sommer vorliegen.

Offen ist, ob es verbindliche Regeln für die Mitgliedsstaaten gibt oder lediglich Empfehlungen. Die zuständige Justiz-Kommissarin Viviane Reding hat sich dafür ausgesprochen, es Bürgern zu ermöglichen, persönliche Daten aus dem Internet zu löschen. "Privatsphäre muss auch das Recht einschließen, wieder vergessen zu werden", erklärt sie.

Der Fall Guidotti zeigt aber, wie schwierig es ist, im Internet Verstreutes vergessen zu machen. Google wehrt sich gegen die Anordnung der spanischen Datenschutzbehörde, den Link zum El-País-Artikel zu löschen. Das Unternehmen hält solch einen Eingriff für Zensur und betont, zum Löschen der umstrittenen Web-Seite gar nicht befugt zu sein.

Derjenige, so die Argumentation, müsse für Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht zur Verantwortung gezogen werden, der einen Artikel verfasst - nicht derjenige, der diesen verbreitet. Das Dilemma: Die Berichterstattung von El País ist vom Grundrecht auf Pressefreiheit gedeckt. Das, so argumentieren wiederum die spanischen Datenschützer, könne Google nicht für sich in Anspruch nehmen.

Dass Internetunternehmen wie Google so erbittert mit Datenschützern streiten, hat seinen Grund: Ihre kostenlosen Dienste finanzieren diese Firmen mit Werbung im Netz.

Je besser Google die Nutzer seiner Suchmaschine oder E-Mail kennt, desto wertvoller werden die Anzeigenplätze auf den Web-Seiten: Allzu strengen Einschränkungen könnten sinkende Werbeeinnahmen folgen.

Immer wieder verweist Google aber auch auf den freien Zugang zur Informationen im Internet, den der Suchmaschinenbetreiber seinen Nutzern auch im Fall Guidotti ermöglichen wolle. Schließlich sei der Zeitungsartikel selbst von den Behörden nicht als ehrverletzend beanstandet worden.

Der Fall Guidotti zeigt auch, wie schwer sich europäische Datenschützer mit amerikanischen Internetfirmen tun: Die spanischen Richter wollen von ihren Luxemburger Kollegen nämlich auch die Zuständigkeiten geklärt wissen. Der Anwalt von Googles spanischer Niederlassung beteuert, dass diese lediglich die Platzierung von Werbebannern regle; die Speicherung und Verlinkung von Daten und Web-Seiten obliege der Zentrale in den USA.

Zwar gibt es längst ein Abkommen, in dem sich Internetfirmen wie auch Google dazu verpflichtet haben, europäische Regeln zu beachten, wenn sie personenbezogene Daten nach Amerika übermitteln. Bei Verstößen kann die US-Handelskommission eingreifen.

Kritiker halten sie allerdings für zu ehrerbietig gegenüber der IT-Industrie.

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