Google und Verizon:Gefährliche Überholspur

Der Vorstoß von Google und Verizon erschafft ein Parallel-Internet, dass die Machtverhältnisse bei den Konzernen ändern und kleine Anbieter benachteiligen würde.

Johannes Kuhn

Erfolg macht süchtig, und kaum einer weckt an der Börse so viel Geld-Phantasien wie Google. Jahr für Jahr stieg der Umsatz, und 2009 fiel bei 23,7 Milliarden Dollar Erlös ein Gewinn von 6,5 Milliarden an. Das ist erstaunlich für ein Unternehmen, das erst 1998 als Suchmaschine gegründet wurde, damals ein Hoffnungswert der hochgejazzten Internet Economy.

Internet Datenautobahn

Eine Überholspur auf der Datenautobahn macht die Telekom-Unternehmen wieder zu mächtigen Mitspielern.

Die Blase platzte, doch Google blieb - und muss immer neue, immer gigantischere Erwartungen erfüllen, um die Sucht der Börsianer zu befriedigen. Als im ersten Quartal 2010 das Nettoergebnis "nur" um 37,4 Prozent stieg, war das den optimistischer gestimmten Anlegern zu wenig, der Aktienkurs der Google Inc. aus dem kalifornischen Mountain View gab nach.

Dieses irrwitzige System aus gigantischen Gewinnen und noch gigantischeren Erwartungen erklärt, warum Google stets neue Strategien liefern muss. Die Geldmaschine muss die Betriebsgeschwindigkeit immer noch mal erhöhen. Der jüngste Deal von Google, gemeinsam mit dem Netzbetreiber Verizon die Regeln des Datenverkehrs neu zu definieren, gilt deshalb als strategische Wende.

Bislang standen die Kalifornier auf Seiten der Open Internet Coalition, einem Zusammenschluss aus Internet-Bürgerrechtlern und großen Unternehmen wie Facebook, Ebay, Sony und eben auch Google. Die Konzerne verdienen ihr Geld durch Dienste im Netz und haben ein Interesse: Möglichst viele Internetnutzer sollen möglichst schnelle Zugänge zum Netz haben.

Die Koalition ist zerbrochen

Nun ist die Koalition offenbar zerbrochen, weil neue Märkte winken: Eine Internet-Überholspur und die Kontrolle über den mobilen Datenverkehr machen vor allem die Telekomunternehmen zu mächtigen Akteuren. Sie hatten in den vergangenen Jahren wenig vom Internet-Boom; die satten Renditen fuhren Google & Co. ein.

Unternehmen aber, die einfach nur Datentransport über Kabelstrippen, Telefonleitungen, Glasfasern oder Satellit anboten, Konzerne wie Verizon, AT&T oder die Deutsche Telekom, wurden mit dem Spottnamen "dumme Röhren" gehänselt.

Über das neue Supernetz werden künftig Angebote wie Videotelefonie, Telemedizin, graphisch opulente Online-Spiele oder hochauflösendes Fernsehen um den Globus geschickt, und die Provider wollen dafür kräftig Maut verlangen.

"Internetanbieter können damit ihre Investitionen in ihr Netzwerk einfacher monetarisieren", sagt der Analyst Nick McQuire vom Marktforschungsunternehmen IDC: "Die Kunden solcher Dienste könnten für ihren Datenverbrauch zahlen oder eine Bandbreitengarantie erhalten."

Wie Google profitieren möchte

Für etablierte Großkonzerne sind solche Zusatzkosten kein Problem, wenn die Endkunden die neuen Dienste annehmen. Weniger finanzkräftige Anbieter hingegen stellt der Kulturbruch vor massive Probleme.

Der Internet-Filmverleih Netflix beispielsweise erlaubt Nutzern, sich aktuelle Filmtitel per Videostream anzusehen. Künftig müsste das Unternehmen zusätzliche Gebühren an die Internetanbieter zahlen, um die notwendige Qualität bieten zu können. Die Mehrkosten müssten an die Kunden weitergegeben werden.

Kritiker befürchten aber noch mehr: Sie sehen ein Oligopol der Telekomunternehmen heraufziehen. Viele von ihnen haben längst selbst Produkte wie hochauflösendes Internet-Fernsehen oder Komplettlösungen für Unternehmen (Cloud-Computing), also genau jene "zusätzlichen Online-Dienste", deren Datenverkehr sie nun nach Belieben steuern können. Der Gedanke liegt nahe, kleineren Konkurrenten die Internet-Überholspur einfach zu verweigern.

Neue Werbeformate winken

Ein Parallel-Internet, für das Unternehmen Eintrittsgeld zahlen müssen, könnte die Innovationskraft des Netzwerks massiv beschädigen, glaubt der New Yorker Internet-Rechtler Tim Wu: Hätte es 1995 ein zweispuriges Internet gegeben, hätte der Buchhändler Barnes & Noble Amazon zerstört, Microsoft Search hätte Google geschlagen, und Skype hätte niemals an den Start gehen können, glaubt er.

Für den Mediengiganten Google bietet die neue Allianz indes zahlreiche Möglichkeiten. Das Fernsehbetriebssystem Google TV, das herkömmliches Fernsehen mit dem World Wide Web verschmelzen soll, profitiert von der Daten-Überholspur - interaktive wie teure Werbeformate winken. Zudem stehen Google-Server weltweit nahe an Netzknotenpunkten und eignen sich deshalb für Anbieter datenschwerer Dienste als Auffahrt zur Internet-Überholspur.

Doch auch Risiken lauern: Bereits jetzt machen YouTube-Videos 36 Prozent des mobilen Internetverkehrs in den USA aus. Sollten die Telekomfirmen den Konzern dafür zur Kasse bitten, könnte dies teurer werden, doch die bessere Bildqualität all der Filmchen dürfte sich gut vermarkten lassen. Und da ist ja noch der neue Großpartner Verizon: Er setzt in seinem Mobilfunkgeschäft erfolgreich auf Handys mit dem Google-Betriebssystem Android.

Da wird man sich beim Geschäft auf dem neuen Datenhighway kaum in die Quere kommen, alles getreu dem Google-Motto: "Don't be evil", sei nicht böse.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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