Google TV kommt nach Deutschland:Finale Verbindung von Web und Glotze

Noch in diesem Jahr will Google TV den deutschen Fernsehmarkt erobern. Aber was bietet der Internetkonzern wirklich auf dem großen Bildschirm im Wohnzimmer?

Simon Feldmer

Nein, so richtig aufgeregt ist im Fernsehmarkt natürlich niemand. Ein bisschen besorgt vielleicht. Aber Angst vor Google? Nein, wirklich nicht. Und man muss ja auch sagen, dafür, dass dem Fernsehen angesichts drohender Attacken von mächtigen Konzernen wie Google oder Apple nun schon einige Jahre das Ende prophezeit wird, sendet es erstaunlich vital vor sich hin.

Während das Internet etwa für Zeitungen und Zeitschriften längst dramatische Umwälzungen in Gang gesetzt hat, ist die Fernsehwelt rein wirtschaftlich betrachtet weitgehend in Ordnung. Die Deutschen verbringen statistisch immer mehr Zeit vor dem TV. Auch Werbeerlöse lassen sich wieder einigermaßen zuverlässig erzielen. Mit immerhin ein bis zwei Prozent Plus im TV-Netto-Werbevolumen rechnet man im Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) für 2011.

"Eine Unterhaltungsform, die Menschen lieben"

Kein Wunder also, dass Fernsehen eine große Faszination ausübt, seit Jahren auch auf den Internetriesen Google. Im Mai 2010 informierte Google auf einem Blog der eigenen Homepage: "Wenn es eine Unterhaltungsform gibt, die Menschen kennen und lieben, dann ist es das Fernsehen." Damit wurde das nächste strategische Ziel klar formuliert. Doch bis heute, und das ist eigentlich erstaunlich, haben nicht sehr viele Menschen Erfahrung mit Google TV, in Europa ist das, ja, Programm bisher noch nicht einmal zu sehen. Doch das soll sich jetzt ändern. Angeblich.

Mit dem Versuch, Web und TV zu verschmelzen und Fernsehen zu zeigen, kam Google auf dem wichtigen US-Markt nicht voran. Die großen Sender und Studios geben bislang ihre Serien, Shows und Filme nicht dafür her, blocken dadurch recht erfolgreich die Ambitionen. Die Dominanz des Internetkonzerns im Onlinewerbemarkt schreckt auch die Fernsehmacher. Ihre ureigenste Einnahmequelle, die TV-Werbung, wollen sie ungern mit Google teilen. Doch die rüsten weiter auf. Das letzte Update, das sogenannte Google TV 2.0, läuft in Amerika erst seit ein paar Monaten. Schon ist von einer dritten Version die Rede.

Aber was bietet Google wirklich auf dem großen Bildschirm im Wohnzimmer? Bislang ist Google TV als eine weitere Plattform für Smart-TV angelegt, ähnlich wie das mittlerweile nahezu alle TV-Gerätehersteller bieten. Man kann sich Google TV aber einfach auch als eine Art App-Store, wie man das bisher für Smartphones kennt, für den Fernseher vorstellen. Das Portal lässt sich über die Fernbedienung ansteuern. Die Software legt sich über das Programm und öffnet eine Menüleiste mit Apps - von Youtube über Wetterdienste bis Karaoke.

Über das Suchfenster soll man nach Links, Filmen, Serien, Clips suchen können. Doch dahinter steckt natürlich mehr: Denn eigentlich will Google sein Betriebssystem Android und seinen Browser Chrome auch als Betriebssystem in der neuen Fernsehwelt installieren. Die finale Verbindung von Web und TV auf Google-Basis? Gibt man irgendwann einfach in die Google-Suchmaske auf dem Fernseher Clint Eastwood ein und kann dann alle Filme von und mit ihm gegen Bezahlung oder aus dem Free-TV-Programm abrufen? Und dazu nachlesen, wie alt Eastwood mittlerweile ist und wie viele Kinder aus wie vielen Beziehungen er hat?

Im Frühjahr 2012 werde das Angebot auch in Europa starten, vermeldete Google im vergangenen Herbst offiziell. Frühjahr ist es nun langsam. Zu sehen ist nach wie vor nichts. Mittlerweile spricht man zumindest von einem Start im Sommer auf dem deutschen Markt - inoffiziell. Fragt man bei Google-Deutschland nach, bekommt man als Antwort: keine.

Der Elektronikkonzern Sony, der im Januar auf der Elektronik-Messe CES in Las Vegas eine Mediabox und einen Blu-ray-Player mit Google-TV-Funktionalität vorgestellt hat, erklärt immerhin, beide Produkte in der zweiten Jahreshälfte in Europa einführen zu wollen. "Ob und wann die Produkte nach Deutschland kommen, ist noch offen", sagt Stefan Holländer, Marketing-Director bei Sony Deutschland. Eine selbstbewusste Ansage klingt anders.

Alle reden darüber

Doch die Erwartung der Google-Ankunft beschäftigt den TV-Markt. Genaues wissen wenige, doch alle reden darüber. Und einige Sender-Manager haben mittlerweile zumindest gesehen, wie der Versuch auf dem deutschen Markt aussehen könnte: Seit ein paar Wochen tourt Christian Witt als Strategic Partner Development Manager für Google TV durchs Land und demonstriert, was die neue Box angeblich kann, wenn man sie zwischen Receiver und Fernseher schaltet.

Mit Witt hat Google eine Lücke geschlossen: Ein Manager, der in der deutschen TV-Branche Erfahrung hat, fehlte dort lange. Zuletzt war Witt bei der RTL-Produktionstochter CBC für Plattformmanagement und Programmverbreitung zuständig. Nun soll er die Senderverantwortlichen und Produktionsgesellschaften überzeugen.

Mittlerweile zeige sich Google beinahe kooperativ, ist zu hören. Allerdings ist den meisten Programmanbietern noch immer nicht klar, warum sie sich bei Google TV einbringen sollten. Was der Schweizer Internet-Dienst Zattoo geschafft hat, liegt für Google TV in weiter Ferne. Über Zattoo strahlen in Deutschland mittlerweile mehr als 50 Sender ihr Programm aus. Die Plattform finanziert sich vor allem über Werbung. Abgerechnet wird mit den Sendern auf unterschiedliche Weise: über Abgaben und über Lizenzgebühren. Für 2012 werde Zattoo erstmals schwarze Zahlen auf Gruppenebene bilanzieren, sagt Jörg Meyer, Vizechef des Unternehmens.

Wo ist der große Wurf?

Google TV ist sich bis heute noch mit keinem wichtigen Sender einig. "Der große Wurf dürfte Google im Lizenz- und Rechtegeschäft mit Fernsehinhalten weiter schwer fallen", sagt Conrad Albert, Vorstandsmitglied bei Pro Sieben Sat 1. Albert ist für Distribution und Medienpolitik im TV-Konzern aus München zuständig: "Google TV wird nur so gut, wie es der Content ist, der dahinter steckt", sagt er. Dass der Web-Konzern diesen vielleicht in Teilen auch selbst produzieren könnte, halten Experten zwar grundsätzlich für möglich, aber eher für unrealistisch.

Wie viele Wettbewerber (auch über einen Start von Apple mit TV-Geräten und -Diensten wird spekuliert) will auch Google die Startseite für das Fernsehen der Zukunft liefern. In einem ersten Schritt will man alles, was an Abruffernsehen und Video-on-Demand-Plattformen bekannt ist, integrieren. Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Catch-up-TV-Plattformen der Privaten, Videoseiten wie RTLs Clipfish oder myvideo.tv von Pro Sieben Sat 1, oder Web-TV-Portale.

Fragt man sich durch die Sender, wie groß die Bereitschaft ist, sich mit Mediatheken-Apps einzubringen, bekommt man unterschiedliche Antworten. In der ARD heißt es, die "Prüfung sei noch nicht abgeschlossen". Der zuständige RTL-Manager Marc Schröder, Geschäftsführer von RTL interactive, sagt: "Natürlich muss man sich damit beschäftigen, denn Google will eine Nutzung von Inhalten auf den großen Bildschirm im Wohnzimmer bringen, die mit der klassisch-linearen Verbreitung konkurriert." Allerdings: "Wir sehen keine Veranlassung, spezifische Anwendungen für Google TV zu entwickeln oder unsere bestehenden Android-Apps anzupassen." Mit anderen Worten: Mit dem Marktführer im Privat-TV kommt Google wohl so schnell nicht ins Geschäft. Bei Pro Sieben ist man ebenfalls zurückhaltend.

Auch die Produktionsfirma UFA (Bella Block, DSDS) spricht seit Längerem mit Google. Es geht jedoch nicht darum, Serien und Filme zu verkaufen - da die Rechte hierzulande meist bei den TV-Anstalten liegen, wäre das auch nicht möglich. "Wir wollen verstehen, wie Bewegtbildinhalte in Zukunft gesucht und gefunden werden", sagt Jens-Uwe Bornemann, Vice President Digital Ventures und Innovation sowie Gründer der Digitaltochter Ufa Lab. Es gehe darum: Wie müssten Metadaten aufbereitet sein? Was sei an programmbegleitenden Apps möglich?

Viele Fragen stehen offen, auch kurz vor einem möglichen Start von Google TV in Deutschland. Doch das muss ja nicht bedeuten, dass der Internetkonzern nicht doch irgendwann den Fernsehmarkt beherrscht.

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