Süddeutsche Zeitung

Google-Neuerungen:Datensammelwut im digitalen Wunderland

Google präsentiert einen erweiterten Kartendienst mit besserer Fotosuche - und obendrein gibt es Musik. Wow. Dummerweise ist das alles nicht so richtig spannend. Außer für Google. Denn das Unternehmen sammelt mehr Daten als je zuvor.

Ein Kommentar von Mirjam Hauck

Die Erwartungen waren hoch vor der jährlichen Internetkonferenz I/O von Google. Immerhin hatte Google im vergangenen Jahr bewiesen, dass das Unternehmen durchaus Produkte entwickeln kann, die für einiges Aufsehen sorgen. Google Glass etwa, eine Brille, die Fotos und Videos machen und den Eingang von Nachrichten auf das Brillenglas projizieren kann.

Ein bisschen Brille - das wäre auch in diesem Jahr schön, hofften Experten. Gerüchte kursierten zwar nicht, aber eine Restspannung wollte man schon haben. Schließlich lud Google ins Moscone-Center in San Francisco - dort hatte Steve Jobs seine legendären Apple-Präsentationen gehalten.

Neue Geräte zeigte Google nun allerdings nicht. Der Konzern präsentierte sich vielmehr als digitales Wunderland für alle Lebenslagen der Nutzer. So wurden in diesem Jahr vor allem Verbesserungen der bestehenden und der erfolgreichen Dienste wie Google Maps und der Suche und des weniger erfolgreichen Google Plus vorgestellt. Die funktioniert jetzt auch über Spracheingabe und Maps wird noch besser auf den Nutzer zugeschnitten, die besuchten Orte sowie Empfehlungen von Freunden werden direkt in das Kartenmaterial eingebunden. Über Google Plus kann man jetzt auch Bezahlungen abwickeln - und zwar mit Google Wallet, einem Dienst, den es auch schon längere Zeit gibt. Das sind alles keine großen Neuerungen, das sind lediglich schrittweise Verbesserungen, die auf den ersten Blick hübsch für den User sind.

"Ohne Regeln"

Gut kopiert hat Google für seinen neuen Musikstreamingdienst vom Marktführer Spotify. Für 9,99 Dollar im Monat hat der Kunde einen uneingeschränkten Zugriff auf das Musik-Angebot. Zudem kann man sich Songs, die zum eigenen Musikgeschmack passen könnten, von Google auswählen lassen. Ein Angriff auf Apples iTunes-Store ist der Dienst allerdings nicht - herunterladen können die Nutzer die Songs nicht.

Neu ist aber tatsächlich, dass Google erstmals per Abo Geld von seinen Nutzern verlangt - und damit die alte Google-Regel scheinbar nicht mehr gilt: Bezahlt wird mit den Daten der Nutzer. An den knapp zehn Dollar im Monat dürfte Google nicht ungeheuer viel verdienen - immerhin müssen mit dem Geld die Lizenzen bezahlt werden. Aber es gibt viele neue Daten von den Nutzern. Und die werden natürlich weiterhin mitverfolgt.

Der Konzern spricht vom neuen Angebot als einem "Radio ohne Regeln". Keine Regeln - das ist symptomatisch für den Konzern, der mit seinen Angeboten alle Internetnutzungsszenarien seiner User abdecken kann und abdecken will. Das ist bequem für den User, der sich rundum mit den Google-Diensten versorgen lassen kann. Er sollte aber bei aller Bequemlichkeit nicht vergessen, dass der Internetkonzern erst kürzlich wegen illegalem Sammeln privater Daten zu sieben Millionen Dollar Strafe verdonnert worden war.

Und er sollte sich nicht wundern, wenn der Konzern bald alles über ihn weiß: Was er sucht, wo er surft, wo er hinfährt, welche Straßen er dafür benutzt, was er an wen und warum bezahlt - und welche Musik er hört.

Google begeistert sich in diesem Jahr mehr denn je für das Sammeln von Daten, innovative Neuerungen hatte Google nicht im Gepäck. Der Konzern konzentriert sich eben auf sein Kerngeschäft. Willkommen im digitalen Wunderland.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1673835
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.