Google Fotos:Googles Gratisversprechen gehen zu Ende

Lesezeit: 3 min

Google will den Gratis-Speicherplatz für Fotos drastisch beschränken. (Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Unbegrenzter Speicherplatz für alle Fotos? Das gab es bei Google. Nun will der Konzern, dass Menschen nicht nur mit Daten und Aufmerksamkeit bezahlen, sondern mit Euro und Dollar.

Von Simon Hurtz, Berlin

Zwischen dem 19. Juni und dem 1. Juli 2019 muss irgendjemand bei Google gedacht haben, dass es eine gute Idee wäre, einen erfolgreichen Werbeclip aus dem Netz zu nehmen. Mitte Juni wurde das Video knapp 31 Millionen Mal auf Youtube angeschaut. In der archivierten Version einige Tage später ist nur noch ein trauriger Smiley zu sehen: "Dieses Video ist nicht verfügbar. Das tut uns leid."

Das sollte Google tatsächlich leidtun, denn der Clip war gelungen. Google machte sich darin über den begrenzten Speicherplatz des iPhones lustig und präsentierte im Abspann die Lösung: den unbegrenzten Speicherplatz von Google Fotos.

Warum Google das Video damals unsichtbar machte, ist unklar. Womöglich verrät ein aktueller Blogeintrag die Antwort: Denn was Google-Manager Shimrit Ben-Yair schreibt, deutet auf einen grundlegenden Strategiewechsel hin: Menschen, die Google-Dienste nutzen, sollen künftig nicht nur mit ihren Daten und ihrer Aufmerksamkeit bezahlen, sondern mit Euro und Dollar.

Google wird den Gratis-Speicherplatz drastisch beschränken. Vom 1. Juni 2021 an sollen alle neu hochgeladenen Fotos und Videos mit dem Kontingent von 15 GB verrechnet werden, das Nutzerinnen und Nutzern quer über Google-Dienste hinweg zur Verfügung steht. Jahrelang war es das wichtigste Alleinstellungsmerkmal von Google Fotos: Wer Medieninhalte geringfügig komprimiert und in "hoher Qualität" statt in "Originalqualität" hochlädt, kann so viel fotografieren, wie er will. Google schluckt alles und archiviert es für immer.

Auch Amazon Prime bietet grenzenlosen Gratis-Speicher für Bilder, doch die App kann nicht mit Google Fotos mithalten. Dort haben mehr als eine Milliarde Menschen insgesamt vier Billionen Fotos hochgeladen. Jeden Tag kommen 28 Milliarden neue Bilder und Videos hinzu. Angesichts solcher Zahlen ist es verständlich, dass die Datenmengen irgendwann selbst Googles gewaltige Rechenzentren an ihre Grenzen bringen werden. Deshalb gilt das neue Limit auch für Googles Dokumentenspeicher Drive. Bislang können dort unbegrenzt Dateien gespeichert werden, die mit Google Docs oder anderen Arbeitsprogrammen des Konzerns erstellt wurden. Künftig sollen diese Dokumente auf das Kontingent angerechnet werden.

Die Kapazität der Server dürfte nicht der einzige Anlass gewesen sein, der Google dazu gebracht hat, eines seiner erfolgreichsten Produkte zu beschneiden. Der andere, womöglich wichtigere Grund heißt Google One. Was vor zwei Jahren als kostenpflichtiger Cloud-Speicher begann, entwickelt sich zu einem immer umfassenderen Abonnement, das Google mit all seiner Macht in den Markt drückt.

Nutzerinnen und Nutzer können sich wie gehabt für zwei Euro im Monat 100 Gigabyte zusätzlichen Speicher kaufen, der sich mit Familienmitgliedern teilen lässt. Außerdem erhalten sie rund um die Uhr technische Beratung von Google-Mitarbeitern und Guthaben im Play-Store. Sie können ihr Android-Smartphone über die Google-One-App in der Cloud absichern, vergünstigt Hotels buchen und künftig wohl auch auf zusätzliche Bearbeitungsfunktionen für Fotos zugreifen. Wer teurere Abos für mehr Speicherplatz abschließt, bekommt bis zu zehn Prozent Rabatt im Google Store und seit Kurzem auch ein Google-VPN, um sicherer und privater zu surfen. Der VPN-Dienst soll in den kommenden Monaten in Deutschland starten.

Google will Menschen mehr Gründe geben, ein kostenpflichtiges Abo abzuschließen. One soll attraktiver werden, zugleich verliert das Gratisangebot seinen Reiz. Das gilt sogar für Googles eigene Pixel-Handys. Besitzerinnen und Besitzer der ersten Generation der Smartphones konnten noch unbegrenzt Fotos in Originalauflösung in der Cloud sichern. Mit jedem Jahr schrumpften die Vorteile, das kommende Pixel 6 wird gar keinen zusätzlichen Speicherplatz mehr bieten. Selbst wenn man Google-Hardware kauft, soll man also für die Google Cloud zahlen.

Google spielt seine Dominanz geschickt aus: Jahrelang subventionierte der Konzern Google Fotos mit den Milliardengewinnen aus seinem Werbegeschäft. Je mehr Menschen Bilder hochladen, desto mehr Daten erhält Google, um seine Algorithmen zu trainieren, die Fotos automatisch sortieren und Personen oder Landschaften erkennen. Start-ups hatten gegen diese Übermacht keine Chance und mussten aufgeben.

Jetzt sind kaum noch ernst zu nehmende Konkurrenten übrig. Also versucht Google, seine Gratiskundschaft zum Zahlen zu drängen. Google verweist darauf, dass 80 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer mehrere Jahre mit 15 GB auskämen, und bietet eine individuelle Vorhersage an, wie lang der Speicherplatz noch reichen wird. Doch selbst dann bleiben Hunderte Millionen Menschen, die sich bald einen neuen Ort für ihre Fotos und Videos suchen müssen - oder eben ein Abo abschließen. Das zeigt, welche Macht die großen Tech-Konzerne besitzen. Auch deshalb ermitteln EU-Kommission und US-Justizministerium, die einen faireren Wettbewerb ermöglichen wollen.

Google Fotos könnte nur der Anfang sein. Schließlich gibt es eine Menge weiterer Google-Dienste, die Milliarden Menschen umsonst nutzen. Youtube bietet schon ein kostenpflichtiges Abo an, außerdem finanziert sich die Plattform durch Werbung. Auch Gmail und Maps blenden Werbung ein, doch Produkte wie Google Docs werden bislang komplett querfinanziert. Kann es also sein, dass Googles Gratisangebot weiter schrumpft?

Auf Anfrage will sich das Unternehmen "zu diesem Zeitpunkt nicht äußern" und verweist nur auf ein Video, das erklärt, warum die Google-Suche Anzeigen enthält. Deshalb könne Google Dienste wie Maps und Docs gratis anbieten. Allzu sicher sollte man sich bei Google aber nie sein. "Wenn wir von allen euren Erinnerungen sprechen, dann meinen wir das auch so", versprach Google vor fünf Jahren. "Mit Google Fotos könnt ihr jetzt kostenlos beliebig viele Fotos und Videos in hoher Auflösung sichern und aufbewahren." Das klang schon damals fast zu schön, um wahr zu sein. Heute ist klar: Das war es auch.

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