Süddeutsche Zeitung

Tech-Konzern:Bringt Google endlich unter Kontrolle!

Der Konzern verfügt zwanzig Jahre nach seiner Gründung über gefährlich viele Daten. Wenn die Staaten Google nicht bändigen, müssen es die Nutzer tun.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Nie schien es so leicht zu sein wie heute, auf das Wissen der Welt zuzugreifen. Es sind nur ein paar Klicks auf einem Smartphone nötig, und die Chancen stehen gut, eine brauchbare Antwort zu erhalten. Natürlich von Google, dem Konzern, der vor 20 Jahren mit zwei großen Versprechen angetreten ist: der Menschheit das Wissen der Welt zu erschließen und dabei nichts Böses zu tun.

Von letzterem Motto will man bei dem Unternehmen allerdings schon lange nichts mehr wissen. Und wenn es um das Wissen der Welt geht, ist zumindest zweifelhaft, ob Google nicht in Wahrheit bestehende Inhalte bloß nutzt, um sein Kerngeschäft voranzutreiben: Zu den vielen Superlativen des Konzerns gehört ja auch, dass er das größte und erfolgreichste Werbeunternehmen im Internet ist.

Das Hauptinteresse von Google als kommerziellem Unternehmen besteht also nicht darin, möglichst gute Antworten zu liefern. Sie müssen nur gut genug sein, damit die Menschen den Dienst verwenden und somit das Anzeigengeschäft erst möglich machen. Um dieses Werbegeschäft wiederum erfolgreich zu betreiben, braucht das Unternehmen Daten, am besten so viele wie möglich. Und hier wird es problematisch. Google sammelt und verwertet Daten in ungeheurem Ausmaß und erlangt damit eine gewaltige Macht. Diese Macht sollte begrenzt werden.

Wenn die Kartellbehörden den Konzern nicht bändigen, müssen es die Nutzer tun

Warum ist das so wichtig? Daten sind der wichtigste Rohstoff des Informationszeitalters. Es lassen sich damit nutzbringende Dienste erschaffen und wichtige Erkenntnisse gewinnen. Die großen Datenbanken können aber auch missbraucht werden für eine staatliche Unterdrückung, so umfassend, dass sie das Treiben der Stasi geradezu niedlich aussehen lassen würde. Die Monopole oder Oligopole können zudem dem Gemeinwohl schaden, wenn sie ihre Macht missbrauchen, um Konkurrenten auszubremsen.

Der Handlungsspielraum demokratischer Staaten, dagegen vorzugehen, ist allerdings begrenzt. Das zeigt sich gerade am Streit zwischen der EU und Google über dessen Betriebssoftware für Smartphones. Das Unternehmen habe seine Position bei Android ausgenutzt, um Wettbewerber unter Druck zu setzen, und damit auch den Verbrauchern geschadet, so der Vorwurf aus Brüssel. Eine gewaltige Strafe von 4,3 Milliarden Euro wurde verhängt. Doch ob Google sie jemals wird zahlen müssen, ist offen. Jahre mit juristischen Auseinandersetzungen werden vergehen, in denen alles mehr oder weniger bleiben wird, wie es ist.

Autoritär regierte Staaten können sich gegen die US-Konzerne abschotten, wie das Beispiel China zeigt. Peking will nicht, dass die Bürger sehen, was sie nicht sehen sollen, deshalb verbietet die Regierung die Dienste von Google und anderen Unternehmen und sperrt den Zugang mit hohem technischen Aufwand. Daten sammeln die Chinesen lieber selbst mittels ihrer staatlich gelenkten Konzerne. Demokratische Staaten tun sich dagegen schwer, die wachsende Macht der Datensammler zu bändigen.

Die Demokratien stehen als Nationalstaaten einem Konzern gegenüber, der zwar seinen Hauptsitz in den USA hat, dessen Geschäft aber überstaatlich ist. Digitale Technik überwindet Grenzen mühelos. Es muss nahezu nichts ein- oder ausgeführt werden, im Wesentlichen fließen nur Daten hin und her. Und wie sie fließen!

Google liest E-Mails mit

Mit den geradezu märchenhaften Gewinnen aus dem Anzeigengeschäft kann Google sein Geschäft auf mehr und mehr Bereiche ausdehnen. Und mit jedem neuen Geschäft sammelt der Konzern noch mehr Daten und noch mehr Macht. Wer will, kann sich mit Googles Diensten das halbe Leben organisieren. Googles Assistant weckt einen auf, verwaltet Termine, erinnert daran, prüft die Verkehrslage, empfiehlt Restaurants - die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Damit das alles funktioniert, liest das System E-Mails mit, hat Zugriff auf die Kalendereinträge, auf die Standortdaten des Nutzers, und es ist einem persönlichen Konto zugeordnet. Einige, aber bei Weitem nicht alle Nutzer sind sich dessen bewusst, dass sie für die scheinbar kostenlos erbrachten Leistungen Googles mit ihren Daten zahlen. Daten, die sie zu gläsernen Werbekunden machen. Daten, aus denen sich aber auch die politische Einstellung, die Religionszugehörigkeit oder die sexuelle Orientierung herauslesen lassen. Man kann diese Daten in einer Art Steuerpult einsehen, auch löschen. In der Praxis aber ist es meist so: Der Konzern herrscht über die gesammelten Daten, nicht die Nutzer.

Soll man also die Zerschlagung von Google fordern? Dass das wirklich geschieht - es müsste ja in den USA passieren - ist unwahrscheinlich. Am effektivsten wäre es, wenn die Nutzer selbst sich genau überlegten, welche Angebote von Google sie wie nutzen wollen. Aber auch der Staat ist gefordert. Er sollte sein Möglichstes tun, damit sichere europäische Datenpools entstehen. Die kämen dann nicht nur einem einzigen, sondern vielen Unternehmen zugute. Und damit auch der Allgemeinheit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4110338
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 31.08.2018/jab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.