Google, Blackberry & Co.:Digitaler Machtkampf

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Im Krieg um Informationen versuchen Internetkonzerne, das Machtvakuum zu besetzen. Abhilfe kann nur die Politik schaffen - wenn sie international zusammenwirkt.

Karl-Heinz Büschemann

Deutschland hat einen neuen Lieblingsfeind: Google. Bürger und Politiker schreien auf, weil der Internet-Konzern Wohnstraßen fotografiert und die Bilder ins Netz stellt. Sie fürchten um ihre Privatsphäre, wenn die Fassaden ihrer Häuser, die ohnehin jeder sieht, im World Wide Web erscheinen. Der US-Konzern, der mit seiner Internet-Suchmaschine zum Fast-Monopolisten im Netz wurde, hat auch am anderen Ende der Welt Ärger mit Politikern. Die kommunistische Regierung Chinas zwingt Google, seine Leistungen im Land einzuschränken und praktisch Zensur auszuüben. Starker Tobak für ein Unternehmen, das vom freien Zugang zu Informationen lebt.

Google is watching you: Doch nicht nur der aktuelle Lieblingsfeind der Deutschen erlangt eine besorgniserregende Machtposition. (Foto: AP)

Das Internet verändert Wirtschaft und Politik. Das weltweite Netz schafft Unternehmen, die erfolgreich sind und Börsenwerte erzielen, die für Konzerne herkömmlicher Branchen nie erreichbar sind. Es eröffnet den digitalen Konzernen blitzschnell den weltweiten Markt, weil die globale Expansion in Computernetzwerken technisch so einfach ist. Und es sorgt für neue Konflikte.

Viele Internet-Firmen provozieren. Oft sind sie Monopole die versuchen, dem Markt ihre eigenen Regeln aufzuzwingen. Das ärgert Kunden und Politiker. Aber die modernen Digitalkonzerne sorgen auch für Konfliktstoff, weil sie Informationen besitzen wie niemand sonst. Kein Geheimdienst der Welt weiß so viel wie die Internet-Firmen. Im digitalen Machtkampf werden Konzerne zu direkten Konkurrenten der Staaten.

Orwells Vision: ein Wicht

Facebook weiß von Millionen Menschen, wo sie am Abend vorher waren und mit wem. Google sieht, wer im Netz welche Fragen stellt. Apple kennt den Musikgeschmack der Kunden. E-Mail-Anbieter haben Einblick in den modernen Postverkehr. Der bedrohliche große Bruder Staat, den George Orwell in seinem Roman 1984 malte, ist ein Wicht im Vergleich zu den Datenkraken der digitalen Welt. Die können sich durch elektronische Verknüpfung vieler scheinbar harmloser Informationen vom Einzelnen ein völlig neues Bild machen.

Deshalb machen Länder wie die arabischen Emirate oder Indien massiv Druck auf den kanadischen Konzern Research in Motion (RIM), der den Blackberry-Dienst anbietet. Sie wollen Einblick in die E-Mails, die über diesen Anbieter ausgetauscht werden. Der wehrt sich noch und wird wohl teilweise nachgeben müssen. Kurios ist daran nur, dass dies wiederum die amerikanische Regierung stört. Der US-Präsident Barack Obama und die amerikanischen Diplomaten nutzen Blackberrys, weil sie als so sicher gelten. Nicht einmal der Betreiber selbst kann die Mails seiner Kunden lesen. Das macht den Dienst so erfolgreich.

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Die Internet-Firmen sind nicht nur ein Segen für die Menschen. Sie sind auch eine Gefahr. Ihre Datensammlungen können von den Managern missbraucht werden. Im April wurde der Apple-Konzern, der sich so gern auf Schmusekurs zu seinen Kunden begibt und dessen Chef Steve Jobs sich bei Produktvorstellungen als Menschenbeglücker feiern lässt, von US-Politikern massiv gerüffelt: Apple hatte unerlaubt den Aufenthaltsort von Kunden über Mobilfunkdaten ermittelt und weitergegeben.

Google is watching you: Doch nicht nur der aktuelle Lieblingsfeind der Deutschen erlangt eine besorgniserregende Machtposition. (Foto: Getty Images)

Der Markt reicht nicht aus, um Firmen, die zu weit gehen und Grenzen von Gesetz oder Moral überschreiten, auf den rechten Weg zurückzuführen. Das zeigt auf erschütternde Weise wieder einmal der Internet-Riese Google. Dessen Chef Eric Schmidt warnt im Grunde vor den eigenen Geschäften. Er sagte kürzlich voraus, dass eines Tages die Menschen das Recht haben würden, als Erwachsene ihren Namen zu ändern, wenn sie als Jugendliche in Internet-Plattformen zu viele Dummheiten über sich selbst verbreitet hätten. Zynischer geht es kaum noch. Google bietet höchst erfolgreich den Video-Dienst Youtube an, mit dem sich Menschen auf bewegten Bildern weltweit zum Affen machen können. "Tue nichts Böses" ist eines der Grundprinzipien der Firma Google. Sie kann dem Prinzip offenbar selbst nicht genügen.

Gut und Böse sind im Geschäftsleben nicht immer scharf voneinander zu trennen, und wo kein Gesetz ist, machen sich Manager gern selbst zu Richtern in eigener Sache. Oft machen sie sich sogar zu Anwälten von Moral und Anstand. So empfiehlt Eric Schmidt von Google den Menschen wie eine Art Moses des 21. Jahrhunderts, am besten sündenfrei zu leben, wenn sie mit der Transparenz des Internets ein Problem hätten. "Wer nicht möchte, dass andere von etwas erfahren, der sollte es vielleicht am besten erst gar nicht tun." Das ist anmaßend. Auch Apple-Chef Steve Jobs versucht sich gelegentlich als Zensor und Retter der Moral des Abendlandes, indem er Inhalte und Bilder aus den Diensten seiner iPhones verbannt, die er für unmoralisch hält. Dazu hat er kein Recht.

Hilfloses Herumzappeln

Deshalb ist Kontrolle durch die Staaten notwendig. Gesetze und Gerichte sind die einzig legitimen Kontrollinstanzen der zivilisierten Welt. Aber die Politiker müssen sich darüber klar sein, dass ihre Mittel gegenüber den Internet-Riesen beschränkt sind, solange sie im nationalen Rahmen handeln. Das Problem ist aus der Umweltgesetzgebung oder dem Kampf gegen krumme Finanzgeschäfte bekannt. Den europäischen Regierungen muss bewusst sein, dass sie nur auf EU-Ebene eine Chance haben, die Digitalkonzerne einigermaßen zu zügeln. Das hilflose Herumgezappel der Bundesregierung gegenüber der Google-Straßenfoto-Aktion vermittelt allerdings nicht den Eindruck von kompetenter Arbeit an der Kontrolle der Datenmoloche.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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