Google, Apple, Microsoft:Die Krake im Netz

Immer mehr Daten werden auf den riesigen Servern von Google, Apple oder Microsoft gespeichert. Doch das birgt Gefahren.

Bernd Graff

Die nahe Zukunft unserer Computernutzung, so prophezeien die Auguren des Internets, wird in der Wolke liegen. "Wolke" ist hier synonym gebraucht für das Internet. Das Bild hat sich eingebürgert, weil Hinz und Kunz immer eine Wolke in ihre lustigen Powerpoint-Präsentationen malen, wenn sie das weite Außen der vernetzten Computer im Web bezeichnen, also alles, was nicht den eigenen Rechner meint.

Google, Apple, Microsoft: Die Idee ist bestechend: Unsere Rechner können bald auf installierte Software verzichten. Denn E-Mail oder Textverarbeitung werden immer mehr auf zentralen Servern angeboten. Doch wer schützt die Daten vor unbefugtem Gebrauch.

Die Idee ist bestechend: Unsere Rechner können bald auf installierte Software verzichten. Denn E-Mail oder Textverarbeitung werden immer mehr auf zentralen Servern angeboten. Doch wer schützt die Daten vor unbefugtem Gebrauch.

(Foto: Foto: reuters)

Irgendwo da draußen werden wir soziale Aktivitäten entfalten, Dokumente, Nachrichten, Bilder, Videos, Musik produzieren, empfangen und speichern. Und eben nicht mehr an unseren Einzelarbeitsplätzen in den Büros oder an den Bespaßungsmaschinen daheim. Denn all die Desktop-Computer und Notebooks, die heute noch mehr oder weniger isoliert im stillen Kämmerlein vor sich hinrattern, werden dann kaum mehr als elektronische Fenster sein, von denen aus wir auf unsere eigenen Daten schauen.

Das Bild der Wolke eignet sich ganz gut, um diese Zukunft zu beschreiben. Denn die ist in der Tat wolkig - und alle großen Firmen, die einem einfallen, wenn es ums Digitale geht, ertüchtigen sich gerade als Wolkenjäger. Google, Apple, Microsoft, aber auch noch relativ unbekannte Firmen wie Salesforce.com. Sie rüsten ihre Server auf, programmieren webbasierte Software, damit wir unsere PCs abrüsten können. Es wird ein Riesengeschäft werden, so viel ist schon mal sicher. Alles andere steht in den Sternen.

Lizensierte Kopien für jede Software installieren

Die Idee ist aber auch bestechend: Unsere jetzigen Rechner-Architekturen sind dezentral angelegt, auch wenn die Rechner untereinander vernetzt sind. Das heißt, auf jedem einzelnen Computer müssen lizensierte Kopien für jede Software installiert sein, die benutzt wird: Office-Pakete, Bildbearbeitungen, Mail-Programme, Spiele. Diese Programme müssen jeweils gekauft und installiert werden, auch wenn man sie nur selten tatsächlich anwendet und dann auch nur einen Bruchteil ihrer Funktionen gebraucht.

Wie viel kostengünstiger könnte es also gerade für Unternehmen sein, wenn die Software "on demand", also nur im Bedarfsfall, gemietet würde und auch gar nicht mehr auf dem Arbeitsplatzrechner laufen würde, sondern im Netz? "Software als Service" lautet die Devise, etwa von "Google Apps", die jetzt bereits Textverarbeitung und Tabellenkalkulation online anbieten.

Hier setzt der Gebrauch der Software schon keine umständliche und hakelige Installation mehr voraus, sondern kann aus Browsern heraus aufgerufen werden - so einfach, wie man eine Seite im Internet aufruft. Und das geschieht völlig unabhängig vom Betriebssystem, das den Computer antreibt, völlig unabhängig vom Gerät, das diese Dienste in Anspruch nimmt. Internetfähige Handys können es genauso wie abgespeckte Kinder-PCs. Alle haben Zugriff auf diese Software und die damit produzierten Daten.

Die Festplattenspeicher am Arbeitsplatzrechner können reduziert werden. Auch die Angst vor Datenverlust bei Beschädigung eines PCs oder vor dem Diebstahl eines Notebooks wäre verflogen. Denn für Datenpflege, Backups, selbst für ständig aktualisierte Spamfilter, die unerwünschte Mails ausfiltern, sorgt der Datenprovider - da draußen in der Wolke.

Wer hat Zugang zu den Daten?

Doch die zentralisierte Speicherung wirft auch Probleme auf: Wer hat Zugang zu den Daten? Wie sichert man die Verbindung zwischen Server und den Computern der Anwender? Zu welchen Zwecken wird das Nutzerverhalten, werden die debattierten Themen aufgezeichnet, indiziert und ausgewertet? Wem ist Zugriff auf die Daten erlaubt beziehungsweise: Wer gestattet ihn sich, sei es aus wirtschaftlichem Kalkül, aus juristischen Zwängen oder aus politischen Interessen?

Vor wenigen Wochen erschraken die Käufer des bei Amazon für das Lesegerät Kindle aufbereiteten Orwell-Romans "1984", weil ihnen der Buchhändler wegen ungeklärter Urheberrechtsfragen ungefragt das Buch aus dem Speicher gelöscht hatte. Die Geräte sind ständig mit der Händlerseite verbunden, was für den Internet-Buchverkäufer offenbar Legitimation genug war, mit Krakenarmen darauf zuzugreifen.

Im Februar des Jahres ging eine Panikwelle durch die Gemeinschaft des sozialen Netzwerks Facebook, weil dessen Betreiber der Auffassung waren, dass alle eingestellten Inhalte nicht den Facebook-Nutzern, sondern dem Netzwerk gehörten - und sich selbst damit die Blankovollmacht gab, zum Beispiel mit den Privatfotos der Anwender Werbung zu machen. In Deutschland wurden gerade soziale Netzwerke wie MySpace und Xing abgemahnt.

Nicholas Carr, einer der klügeren Web-Auguren, vergleicht in seinem Buch "The Big Switch" die Transformation des Internets vom Personal Computing zu einem globalen Mega-Computer mit der Revolution, die im späten 19. Jahrhundert mit der Elektrifizierung einherging. Wie damals der Strom, so werden bald Informationen in unser Leben strömen.

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