"Ghost Recon Wildlands" im Test:Hier ist Kokain im Spiel

Ghost Recon Wildlands

"Ghost Recon Wildlands" zeigt unverblümt die grausame und blutige Seite des Drogenkriegs.

(Foto: Ubisoft/Screenshot: Caspar von Au)

Doch leider sind die Drogen in "Ghost Recon Wildlands" ziemlich mies. Das Spiel verpasst es, das große Thema Drogenkriminalität angemessen zu behandeln - und verärgert sogar die bolivianische Regierung.

Spieletest von Caspar von Au

Angespielt statt durchgespielt: Unsere Games-Kurzkritik "Screenshot" beantwortet Fragen zu den neuesten Computer- und Videospielen auf allen gängigen Plattformen. Sie gibt einen ersten Eindruck, worauf Sie sich bei einem neuen Spiel freuen können - und wann Sie lieber noch skeptisch sein sollten.

Worum geht es in "Tom Clancy's: Ghost Recon Wildlands"?

Ein Toter baumelt von einem Holzpfeiler am Ortseingang des Dörfchens Culta. Auf dem Pappschild um seinen Hals steht "ladron" - das spanische Wort für "Dieb". In "Tom Clancy's: Ghost Recon Wildlands" ist das Dorf von einem Drogenkartell überfallen worden. Durch die Gassen patrouillieren Sicarios - Auftragsmörder, bewaffnet mit Kalaschnikows. Vor der Kirche ein weiteres Mahnmal des Todes: zwei bis auf die Knochen verbrannte Leichname, vom Kartell gekreuzigt.

Immer wieder trifft der Spieler in "Ghost Recon Wildlands" auf solche grausamen Funde, die die brutale Welt des lateinamerikanischen Drogenkrieg widerspiegeln. Der Taktik-Shooter ist der zehnte Teil der "Ghost Recon"-Serie und spielt im bolivianischen Hochland. Das fiktive mexikanische Santa-Blanca-Kartell herrscht (inoffiziell) über den Binnenstaat. Die korrupte Regierung toleriert das Kartell, solange sich die Gangster auf Drogenhandel beschränken und keine Unbeteiligten töten. La Unidad, ein Teil der bolivianischen Armee, dessen Aufgabe es eigentlich ist, die Drogenepidemie zu bekämpfen, lässt das Kartell ungestört Kokain anbauen und verkaufen.

Der Spieler steuert eine Soldatin oder einen Soldaten der fiktiven US-Spezialeinheit Ghosts. Das Kommando soll im Auftrag des CIA das Santa-Blanca-Kartell vernichten, um aus Bolivien einen funktionierenden Staat zu machen. Sie haben dazu die berühmte Lizenz zum Töten, aber niemand darf erfahren, dass die Spezialeinheit im Drogenkonflikt mitmischt. Der Spieler kann das Santa-Blanca-Kartell entweder alleine oder online im Team mit bis zu drei weiteren Spielern bekämpfen. Ubisoft hat eine kostenlose Erweiterung um einen PvP-Modus (Spieler gegen Spieler) angekündigt.

Was sieht vielversprechend aus?

Um zerklüftete Berge schlängeln sich enge Straßen, im Tal fließt gemächlich ein Strom, Flamingos picken im Sumpf, ein Motorrad brettert durch die Salzwüste. "Ghost Recon Wildlands" ist das erste Spiel der Reihe mit einer offenen Spielewelt. Mit der ist es den Entwicklern geglückt, den Spieler nach Bolivien zu versetzen. Die Aussicht auf die virtuellen Sonnenuntergänge vor einer Berglandschaft ist fantastisch.

Trotz der beeindruckenden Atmosphäre - atemberaubende Schönheit auf der einen, bedrückende Grausamkeit auf der anderen Seite - hat die Grafik einige Mängel, die wirklich stören. Die Kollisionen von Landschaft und Spieler oder Objekten passen häufig nicht zusammen: An Hängen verschwinden Teile von Autoreifen oder Schuhen im Boden. Wenn der Spieler mit dem Auto über einen Busch fährt, legt sich dieser auf den Boden und wirkt plötzlich wie eine zweidimensionale Zeichnung. Auch Oberflächen mit Details wie Hausdächer oder steinige Wege sehen bei näherer Betrachtung platt aus.

"Ghost Recon Wildlands" wird seiner Bezeichnung als Taktik-Shooter gerecht: Bevor die vier Ghosts ein von dem Kartell besetztes Dorf angreifen, empfiehlt es sich, aus sicherer Entfernung zunächst die Lage zu sondieren. Mit Fernglas und Drohnen ausgerüstet können die Spieler ausspähen, wo sich wie viele Gegner verstecken und sie für die Teammitglieder als Ziele markieren. Per Simultanschuss lassen sich mehrere Kartellkämpfer gleichzeitig ausschalten, Schusswaffen lassen sich mit einem Schalldämpfer ausrüsten, damit die Ghosts unentdeckt bleiben.

Als Waffen stehen den Spielern Scharfschützengewehre, Sturmgewehre, Pistolen, Schrotflinten, Granaten und Sprengstoff zur Verfügung. Am leichtesten fallen Kämpfe, wenn der Spieler Gegner leise und unbemerkt töten kann. Leider ist nicht immer nachvollziehbar, wann die Computergegner den Spieler beim Anschleichen entdecken und wann nicht. Insgesamt wiederholt sich die Art der Kämpfe und Aufträge sehr schnell.

Warum sollte man trotzdem kritisch sein?

Das Spiel verpasst eine riesige Chance. Der organisierte Drogenhandel in Mexiko, Kolumbien und auch Bolivien - die Macht der Kartelle ist noch immer ein politisches Problem. Kulturell fasziniert der Kampf, bei dem die Rollen von Gut und Böse vermeintlich so eindeutig verteilt sind und doch immer wieder verschwimmen - das zeigen nicht zuletzt die Erfolge der Fernsehserien "Breaking Bad" und "Narcos".

Ghost Recon Wildlands Screenshot

Technisch beeindruckt "Ghost Recon Wildlands" - doch Grafik alleine macht noch kein gutes Spiel.

(Foto: Ubisoft/PR)

Die Einmischung US-amerikanischer Spezialeinheiten auf fremdem Boden, die Brutalität der Kartelle, die Not der Koka-Bauern: Es hätte viele Ansätze gegeben, die die Entwickler in der Handlung von "Ghost Recon Wildlands" hätten thematisieren können. Stattdessen zerfasert die Handlung und ist (zumindest in den ersten Spielstunden) eindimensional: Um das Kokainproblem des fiktiven Boliviens in den Griff zu bekommen, soll der Spieler erst alle Unterbosse und schließlich "El Sueño", den Boss der Bosse, töten.

Über witzig gemeinte Dialoge versuchen die Entwickler dem Spiel etwas Charme zu verleihen. Das geht ab und zu gehörig schief. Zum Beispiel, als der Spieler sich anhören muss, wie die Drogenbaronin "La Yuri" sich auf Tonband über den steifen und stinkenden Penis eines toten Folteropfers lustig macht. Geschmacklos.

Die bolivianische Regierung kritisiert das Spiel

Woran erinnert "Tom Clancy's: Ghost Recon Wildlands"?

Die bolivianische Regierung fühlt sich von dem Spiel offenbar an ihren echten Kampf gegen die Drogen erinnert - und dennoch falsch dargestellt. Sie hat deshalb einen Brief an den französischen Botschafter übergeben, mit der Bitte auf das französische Entwickler-Team von Ubisoft hinzuwirken, die Darstellung Boliviens in "Ghost Recon Wildlands" zurechtzurücken.

Innenminister Carlos Romero hat die Darstellung stark kritisiert. Es sei paradox, dass eine französische Firma den Kampf gegen den Drogenhandel infrage stelle. Den unterstütze Frankreich schließlich ausdrücklich. Man behalte sich deshalb rechtliche Schritte vor, sagte Romero. Ubisoft hat der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass es sich bei dem Spiel ausdrücklich um Fiktion handele und Bolivien aufgrund seiner prachtvollen Landschaften und Kultur als Schauplatz ausgewählt worden sei. Bolivien ist hinter Kolumbien und Peru der drittgrößte Produzent von Koka-Blättern weltweit.

Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

Ein kräftiger Mann legt seine Wurstfinger auf den Altar einer Kirche. "El Sueño", der "Jefe de los Jefes", Anführer des Santa-Blanca-Kartells, erzählt von seiner Vision eines Staates, in dem er Kokain anbauen kann, ohne sich damit strafbar zu machen. "El Sueño" sieht aus wie das Klischee eines lateinamerikanischen Drogenbosses. Er ist am ganzen Körper tätowiert, nur im Gesicht, über Kinn, Mund, Nase und Augen, hat er ein Stück Haut in Form eines Kreuzes freigelassen. "Wie Moses habe ich meine Leute ins Gelobte Land geführt - Bolivien", salbadert er. Der Spieler lernt sofort, den obersten Drogenboss und Endgegner von "Ghost Recon Wildlands" zu hassen.

Mit dem Ziel im Kopf, "El Sueño" das Handwerk zu legen, wird der Spieler also wenig später mit dem Helikopter in Bolivien abgesetzt - irgendwo in der Wildnis. Denn es bleibt ihm von Anfang an selbst überlassen, in welcher Reihenfolge er welche Einsätze auf welche Art und Weise erledigt. Dieser Gedanke von einer offenen Welt ist zwar gut gemeint, überfordert aber gerade am Anfang. Der Mehrspielermodus mit fremden Mitspielern funktioniert online nicht, weil jeder der vier Spieler in einer anderen Ecke der offenen Welt herumturnt. Am Ende weiß keiner, was er als Nächstes machen soll, die Absprachen sind mühselig. Auch alleine irrt man zunächst orientierungslos durch die Berge. Möglicherweise ist das in der Realität ähnlich, wenn man einen Drogenboss in einem fremden Land sucht, - den Einstieg in "Ghost Recon Wildlands" erleichtert es nicht.

"Ghost Recon Wildlands" ist am 7. März 2017 für PC, Playstation 4 und Xbox One erschienen.

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