Gewinnsparte des Verlust-Konzerns:Amazons Cloud-Monster

  • Amazon schreibt erneut Verlust, doch die erstmals veröffentlichten Zahlen zum Cloud Computing sind positiv.
  • Auf dem Markt gibt es mit IBM, Microsoft und Google harte Konkurrenz - und die Preise sinken.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Amazons Liste verschleierter Bilanzposten ist ungefähr so groß wie sein umfangreiches Angebot an Einhorn-Produkten, doch nun hat der Internet-Konzern zumindest ein Geheimnis gelüftet: Zahlen zu seinem digitalen Infrastrukturdienst Amazon Web Services (AWS).

Und die haben durchaus monströse Ausmaße: Fünf Milliarden Dollar Jahresumsatz macht Amazon mit dem Vermieten von Rechenkraft, gemeinhin Cloud Computing genannt. Im ersten Quartal lag der Umsatz bei 1,57 Milliarden Dollar, der Gewinn bei 265 Millionen - viele Analysten hatten bestenfalls eine schwarze Null erwartet. "Amazon Web Services wächst weiterhin schnell, das Wachstum beschleunigt sich sogar", verkündete Firmenchef Jeff Bezos den Analysten nicht ohne Stolz. Zu den Kunden gehören Tech-Firmen wie Dropbox, Spotify, Netflix, Uber, Samsung, aber auch die CIA oder deutsche Firmen wie Kärcher.

Die Preisgabe der AWS-Gewinne könnte Bezos allerdings zum Problem werden. Da Amazon derzeit zu schwarzen Zahlen ein ähnlich angespanntes Verhältnis wie zu Buchverlagen hat und als Gesamtkonzern im ersten Quartal wieder einmal Verlust ausweisen musste (57 Millionen Dollar), bringen erste Analysten bereits eine Abspaltung von AWS als separate börsennotierte Firma ins Spiel.

Sinkende Preise verlangen neue Ideen

Soweit ist es noch lange nicht, und der umsatzstarke Cloud-Computing-Bereich hat zwei Seiten. Einerseits ist die Digitalisierung der Unternehmenswelt in vollem Gange und mit ihr die Verlagerung von Daten und Rechenprozessen in die Serverfarmen von Amazon und Co. Es ist ein Markt, der einer Prognose des Marktforschungsunternehmens International Data Corporation zufolge dieses Jahr ein Volumen von 32 Milliarden US-Dollar erreichen soll. Andererseits verbergen sich hinter dem "und Co." Konkurrenten wie Microsoft, IBM oder Google.

Laut Schätzungen aus dem vergangenen Herbst hat Amazon mit einem Anteil von 27 Prozent die Vorherrschaft auf dem Markt der Cloud-Infrastruktur, Microsofts Azure-Plattform folgt mit 10 Prozent. Dass Amazon in dieser Sparte "die Weltherrschaft anstrebt", wie Gartner-Analystin Lydia Leong es jüngst formulierte, dürfte durchaus das Bezos'sche Kalkül beschreiben. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Weltherrschaft auch lukrativ sein wird.

Wolkige Umsätze

Die Stärke von Cloud-Diensten lässt sich nicht anhand des Umsatzes vergleichen, da dieser unterschiedlich gemessen wird. IBM blies ihn auf 7,7 Milliarden Dollar auf, indem es dort unter anderem Software-Partnerschaften einrechnete. Microsoft kalkuliert bei seiner Umsatzprognose von 6,3 Milliarden Dollar für 2015 die Verkäufe von Office 365 ein. Und Google fasst schlicht alle Umsätze zusammen, die nicht aus Werbung stammen (knapp sieben Milliarden Dollar pro Jahr).

Wie geht es weiter in den "Cloud Pricing Wars"?

Schon in den vergangenen drei Jahren sank einer Citigroup-Analyse zufolge der Preis für die Datenspeicher-Angebote um ein Viertel, und gerade Amazon versucht seit langem, die Konkurrenz mit ständig neuen Preisnachlässen auf Abstand zu halten. Von diesen "Cloud Pricing Wars" profitieren die Firmenkunden, die ohnehin in einer komfortablen Position sind: Sie können recht einfach zwischen den Anbietern wechseln, statt langfristige Lizenzverträge abzuschließen, bezahlen sie für den Datenverkehr.

Amazon und seine Konkurrenten wissen jedoch, dass mittelfristig mit reiner Vermietung von Infrastruktur wie Servern und Rechenleistung kaum etwas zu verdienen sein wird. Schon jetzt integrieren sie deshalb immer mehr Zusatzdienste wie selbstlernende Datenanalyse-Werkzeuge oder versuchen über guten Kundenservice zu punkten.

Microsoft nutzt Office als Lockmittel

Vor allem Microsoft hat zudem die Verbindung zur eigenen Geschäftskunden-Software im Blick, um daraus ein neues Ökosystem zu errichten. Die als Office 365 in die Cloud verlegte Bürosoftware gilt als Einstiegsdroge für die Nutzung von Azure. Anders als Amazon können Microsoft und IBM einen Fundus an bestehenden Großkunden der alten Industrien ansprechen, die bislang bereits ihre Produkte nutzen und gerade vor wichtigen Entscheidungen zur Infrastruktur ihrer IT stehen.

Dass Microsoft-Chef Satya Nadella die Cloud-Strategie ins Zentrum der Firmenstrategie gestellt hat, hat er mehrmals betont. Zwar versuchte er gegenüber Analysten am Donnerstag, die Vergleiche zwischen Azure und AWS wegzuwischen - doch dies dürfte eher den starken Zahlen der Konkurrenz geschuldet sein.

Die Rolle von Salesforce, Box und Co.

Die Digitalisierung der Wirtschaft führt dazu, dass klassische Geschäftsvorgänge in die Cloud überführt werden. Davon wollen auch Anbieter von "Software as a Service" (SAAS) profitieren. Microsoft, IBM, Hewlett Packard, Google oder Salesforce, neue Akteure wie Box, aber auch alteingesessene Unternehmen wie Oracle und SAP wollen das Betriebssystem sein (oder bleiben), auf denen Firmen ihre Workflows und Geschäfte abwickeln. Erfolgsaussichten haben einfach zu bedienende Systeme, die auch mobil einfach funktionieren, simpel an die eigenen Bedürfnisse anzupassen sind und möglichst viele Aufgaben automatisieren.

Amazon war in den vergangenen Jahren fast konkurrenzlos in der Cloud, die Konkurrenz aus Redmond hat deutlichen Nachholbedarf. Auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz kommende Woche wird Microsoft-Chef Nadella die nächsten Züge seiner Angriffsstrategie verraten.

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