Amazons Liste verschleierter Bilanzposten ist ungefähr so groß wie sein umfangreiches Angebot an Einhorn-Produkten, doch nun hat der Internet-Konzern zumindest ein Geheimnis gelüftet: Zahlen zu seinem digitalen Infrastrukturdienst Amazon Web Services (AWS).
Und die haben durchaus monströse Ausmaße: Fünf Milliarden Dollar Jahresumsatz macht Amazon mit dem Vermieten von Rechenkraft, gemeinhin Cloud Computing genannt. Im ersten Quartal lag der Umsatz bei 1,57 Milliarden Dollar, der Gewinn bei 265 Millionen - viele Analysten hatten bestenfalls eine schwarze Null erwartet. "Amazon Web Services wächst weiterhin schnell, das Wachstum beschleunigt sich sogar", verkündete Firmenchef Jeff Bezos den Analysten nicht ohne Stolz. Zu den Kunden gehören Tech-Firmen wie Dropbox, Spotify, Netflix, Uber, Samsung, aber auch die CIA oder deutsche Firmen wie Kärcher.
Die Preisgabe der AWS-Gewinne könnte Bezos allerdings zum Problem werden. Da Amazon derzeit zu schwarzen Zahlen ein ähnlich angespanntes Verhältnis wie zu Buchverlagen hat und als Gesamtkonzern im ersten Quartal wieder einmal Verlust ausweisen musste (57 Millionen Dollar), bringen erste Analysten bereits eine Abspaltung von AWS als separate börsennotierte Firma ins Spiel.
Sinkende Preise verlangen neue Ideen
Soweit ist es noch lange nicht, und der umsatzstarke Cloud-Computing-Bereich hat zwei Seiten. Einerseits ist die Digitalisierung der Unternehmenswelt in vollem Gange und mit ihr die Verlagerung von Daten und Rechenprozessen in die Serverfarmen von Amazon und Co. Es ist ein Markt, der einer Prognose des Marktforschungsunternehmens International Data Corporation zufolge dieses Jahr ein Volumen von 32 Milliarden US-Dollar erreichen soll. Andererseits verbergen sich hinter dem "und Co." Konkurrenten wie Microsoft, IBM oder Google.
Laut Schätzungen aus dem vergangenen Herbst hat Amazon mit einem Anteil von 27 Prozent die Vorherrschaft auf dem Markt der Cloud-Infrastruktur, Microsofts Azure-Plattform folgt mit 10 Prozent. Dass Amazon in dieser Sparte "die Weltherrschaft anstrebt", wie Gartner-Analystin Lydia Leong es jüngst formulierte, dürfte durchaus das Bezos'sche Kalkül beschreiben. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Weltherrschaft auch lukrativ sein wird.
Die Stärke von Cloud-Diensten lässt sich nicht anhand des Umsatzes vergleichen, da dieser unterschiedlich gemessen wird. IBM blies ihn auf 7,7 Milliarden Dollar auf, indem es dort unter anderem Software-Partnerschaften einrechnete. Microsoft kalkuliert bei seiner Umsatzprognose von 6,3 Milliarden Dollar für 2015 die Verkäufe von Office 365 ein. Und Google fasst schlicht alle Umsätze zusammen, die nicht aus Werbung stammen (knapp sieben Milliarden Dollar pro Jahr).