Gesetz zu Street View und Co.:Schmerzensgeld für Sammelopfer

Keine Verbreitung von Persönlichkeitsprofilen im Netz: Innenminister de Maizière will die Rechte der Internetnutzer stärken - durch ein Gesetz und eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie.

Die Bundesregierung will die Persönlichkeitsrechte der Internetnutzer in Deutschland deutlich stärken. Das sieht ein Gesetzesentwurf vor, der am Mittwoch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgestellt wurde.

"Notwendig ist ein breiter Ansatz, der das gesamte Internet einbezieht und sich nicht auf einzelne Teilaspekte wie Geodaten oder gar nur auf Google Street View beschränkt", sagte de Maizière.

Die Bundesregierung will demnach eine "gezielte Verbreitung von Persönlichkeitsprofilen" nur dann erlauben, wenn die Betroffenen dem zugestimmt haben oder ein "klar überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung" bestehe."Hier gibt es eine "rote Linie", die jeder beachten muss."

Gleichzeitig will de Maizière die kommerzielle Veröffentlichung von Daten im Netz unterbinden, wenn sich dadurch ein "umfangreiches Persönlichkeits- oder Bewegungsprofil des Betroffenen ergeben" könne oder der Betroffene "in ehrverletzender Weise" beschrieben oder abgebildet werde.

Konkret bedeutet dies: Wenn Firmen oder Privatpersonen im großen Stil Daten von Menschen sammeln, um diese auszuwerten und ein Profil des Einzelnen ins Netz zu stellen, machen sie sich strafbar. Ein Beispiel wären Pranger-Anwendungen, wie sie in den USA im Netz zu finden sind: Dort können Internetnutzer auf einer Karte sehen, welche wegen bestimmter Verbrechen wie sexuellem Missbrauch vorbestrafte Bürger in ihrer Umgebung leben.

Gesetz gegen Internet-Pranger

Neu im Gesetzesentwurf ist, das bestimmte Internetdienste nun als besonders relevant für den Schutz des Persönlichkeitsrechts gelten. Dies sind:

1. Gesichtserkennungsdienste, bei denen durch Fotos mit einem Smartphone das Profil einer Person mit einer Datenbank im Internet abgeglich werden kann, wodurch diese eventuell identifizierbar ist. Diese Technik existiert bereits, wird aber von Unternehmen wie Google aufgrund rechtlicher Bedenken nicht eingesetzt.

2. Profilbildungen anhand von Suchmaschinenanfragen. Dabei geht es darum, dass Suchmaschinen-Anbieter die Abfragen ihrer Nutzer nicht personenbezogen speichern dürfen, um daraus ein Profil zu erstellen, aus dem beispielsweise intime Details wie regelmäßige Suchen nach "anonymen Alkoholikern" oder bestimmte Krankheiten hervorgehen.

3. Standortdaten, die bereits heute viele Nutzer über ihr Smartphone freiwillig an Anbieter von Internetanwendungen geben. Diese App-Anbieter sollen künftig ebenfalls unter das Telekommunikationsgesetz fallen.

Bürger, deren Persönlichkeitsrechte von privaten Unternehmen missachtet wurden, sollen künftig Schmerzensgeld erhalten können. Bislang galt im Datenschutzrecht ein Schadensersatzanspruch nur, wenn öffentliche Stellen Daten automatisiert verarbeiteten.

De Maizière betonte, die Schwelle für die Definition der "roten Linie" sei hoch angesetzt worden, da das Internet als öffentlicher Raum "grundsätzlich frei von staatlichen Restriktionen sein sollte". Die Bundesregierung setzt dabei auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie.

Zentrale Widerspruchsseite im Netz

Die Branche hat sich verpflichtet, freiwillig einen Datenschutz-Kodex zu Google Street View und ähnlichen Diensten vorzulegen. Der Präsident des Branchenverbandes Bitkom, August Wilhelm Scheer, überreichte am Mittwoch dem Innenminister einen "Datenschutz-Kodex für Geodaten-Dienste", der über die gesetzliche Verpflichtung hinausgeht.

So will die Branche eine "Zentrale Informations- und Widerspruchsstelle im Internet" einrichten, bei der die Bürger bei den einzelnen Anbietern Widerspruch gegen die Abbildung ihrer Häuser einlegen können." Widersprüche sollen mit wenigen Klicks oder auch ohne Internet-Nutzung möglich sein.

Unternehmen und Regierung werden die Selbstverpflichtung und den Gesetzesentwurf am 6. und 7. Dezember beim IT-Gipfel in Dresden diskutieren. Der Entwurf muss zudem noch mit weiteren Ministerien wie dem Justizressort abgestimmt. Wann das Gesetz verabschiedet wird und somit in Kraft treten kann, ist somit noch nicht klar.

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